„Karin Kneffel – Im Augenblick“

Künstlerin Karin Kneffel und Museumschef Achim Sommer vor dreiteiligem Werk „Ohne Titel“. Öl auf Leinwand. 1 x 180 x 220 cm. Zweimal 180 x 150 cm. Foto: Peter Köster

Max Ernst Museum Brühl zeigt Werk der Münchner Akademieprofessorin

Brühl. „Im Augenblick“ heißt die bis zum 28. August im Max Ernst Museum  gezeigte Ausstellung der Malerin Karin Kneffel. Sie gilt als eine der profiliertesten Vertreterinnen der deutschen Gegenwartskunst.

Hitchcock und Familienmitglieder

Karin Kneffel (*1957) liebt Hitchcock, sie schätz Manet und hat ein Faible für  Mies van de Rohe und so überrascht es nicht, dass diese Drei zu einem wichtigen Bestandteil ihres Œuvres) zählen. Ebenso wie Familienmitglieder und die Künstlerin selbst, die in ihrem vielschichtigen Werk verewigt sind. Ein Haus im Abendlicht, der Blick in einen Ausstellungssaal, Ansichten von wohnlichen Innenräumen – die vermeintlich vertraute Atmosphäre in den Arbeiten von Karin Kneffel hält nur dem ersten Blick stand. Auf den zweiten Blick irritieren optische Brechungen, Spiegelungen und räumliche Verzerrungen die Sehgewohnheiten.

Bekannt durch Tierporträts

Karin Kneffel studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Johannes Brus, Norbert Tadeusz und Gerhard Richter, der sie zur Meisterschülerin ernannte. Nach einer Professur an der Hochschule für Künste in Bremen lehrt sie seit 2008 an der Akademie der Bildenden Künste in München. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Düsseldorf und München. Bekannt wurde die Münchner Akademieprofessorin in den 1990er Jahren mit Tierporträts, 20 x 20 cm groß. Diese stehen im schönsten selbstbewussten Überbietungsverhältnis zu den zur selben Zeit beginnenden großformatigen Portraitfotografien aus der Düsseldorfer Akademie. Was immer Karin Kneffel sich in der Folgezeit als Thema vornimmt: die Früchte, die römischen Fresken, vor die sie die zeitgenössischen Bildbetrachter spannt, die Einbeziehung der Mies van der Roheschen Villen „Haus Lange“ und „Haus Esters“ (Krefeld) in eine Bilderwelt der Spiegelungen und Reflexionen: all das ist ein aufs Genaueste erarbeiteter Teil der Story unseres Lebens, das sie in verblüffende Bilder verwandelt hat.

Karin Kneffel: „Ohne Titel“. Öl auf Leinwand. 100 x 300 cm. Foto: Peter Köster

Erweiterte Bildsprache

Seit mehreren Jahren beschäftigt sie sich nun mit komplexen Raum- und Zeitschichtungen und blickt mit mehrdeutigen Wahrnehmungs- und Bildstrategien auf die Kunst- und Architekturgeschichte. Von den Anfängen als Meisterschülerin bei Gerhard Richter bis in die Gegenwart hinein hat sich ihre Bildsprache ständig erweitert: Extreme Ausschnitte, Verbindungen zwischen Nahsicht und Fernsicht sowie irritierende Spiegelungen zeichnen ihre Malerei aus, die einer anhaltenden Befragung der Wirklichkeit gewidmet ist. Durch ihre Detailgenauigkeit und ihren verführerischen Illusionismus erscheinen ihre Arbeiten auf den ersten Blick überaus realistisch. Bei näherem Hinsehen wird jedoch klar, dass sich in Kneffels Œuvre auf irritierende Weise Realität und Fiktion, Wirklichkeit und Täuschung, Gegenwart und Geschichte miteinander verschmelzen. Dazu Karin Kneffel: „Die Malerei ist für mich wie ein Haltegriff, der im Moment des Zugreifens verschwindet. Die Betrachterinnen und Betrachter sollen sich nicht in meinen Bildern verlieren, sie sollen sich damit beschäftigen.“

Karin Kneffel. „Ohne Titel“. Öl auf Leinwand. 180 x 550 cm. Foto. Peter Köster

80 Arbeiten aus 17 Jahren

Die Brühler Präsentation versammelt rund 80 Arbeiten aus den letzten 17 Jahren. Darunter Ölgemälde und Aquarelle. Kneffels fotorealistisch anmutende Gemälde und Aquarell-Serien verbinden Gegenständlichkeit und traumartige Verfremdung auf eine ganz eigene Art: ihre Bilder geben durch reflektierende Oberflächen und Fensterscheiben intime Einblicke in Wohn- und Ausstellungsräume, in denen Menschen und/oder Hunde in rätselhaften Szenerien erscheinen. Exklusiv zur Schau in Brühl setzt sich Karin Kneffel malerisch mit dem Museum und Max Ernst, dem namensgebenden Surrealisten, auseinander. In Kneffels Werken überlagern sich verschiedene Zeit- und Wahrnehmungsebenen, die die Künstlerin unter Einbezug von Verweisen auf die Kunst-, Architektur- und Filmgeschichte zu komplexen Bildfindungen verdichtet. Illusion und Wirklichkeit, Vergangenheit und Gegenwart, Gegenständlichkeit und traumartige Verfremdung fließen ineinander über und lassen nahezu surreale Momente entstehen. Trotz ihres greifbar wirkenden, mit höchster Perfektion gestalteten Erscheinungsbildes bleibt die Malerei von Karin Kneffel dabei meist rätselhaft verschlossen und wahrt eine geheimnisvolle Distanz. Prädikat: Absolut sehenswert. Peter Köster