„Die Form der Freiheit. Internationale Abstraktion nach 1945“ im Barberini

Karl Otto Götz: Giverny III/2, 1987, Mischtechnik auf Leinwand 210 x 175 cm Kunstpalast, Düsseldorf © VG Bild-Kunst, Bonn 2022. Foto: Stefan Arendt

Potsdam. Bis zum 25. September zeigt das Museum Barberini Potsdam die Ausstellung „Die Form der Freiheit. Internationale Abstraktion nach 1945. Nach der ersten Station in Potsdam wird die Ausstellung im kommenden Jahr an der Albertina Modern in Wien sowie dem Munchmuseet in Oslo zu sehen sein. Ausgangspunkt für die Schau im Museum Barberini ist die Sammlung Hasso Plattner, die bedeutende Arbeiten von Norman Bluhm, Sam Francis und Joan Mitchell umfasst.

„Action-Painting“

Der Zweite Weltkrieg war ein Wendepunkt in der Entwicklung der modernen Malerei. Die europäischen Avantgardekünstlerinnen und Künstler im amerikanischen Exil machten New York neben Paris zu einem Zentrum der Moderne, das neue Maßstäbe setzte. Ab Mitte der 1940er-Jahre wandte sich in den USA wie in Europa eine junge Generation von Künstlerinnen und Künstlern von den dominanten Stilrichtungen der Zwischenkriegsjahre ab: Statt figürlicher Malerei oder geometrischer Abstraktion verfolgte sie einen gestisch-expressiven Umgang mit Form, Farbe und Material, dessen radikal experimenteller Charakter eine Entgrenzung des traditionellen Malereibegriffs war. Künstlerinnen und Künstler wie Jackson Pollock, Lee Krasner, Willem de Kooning, Franz Kline, Hans Hofmann und Joan Mitchell fanden im „Action-Painting“ eine gemeinsame Ausdrucksform, während Mark Rothko, Barnett Newman, Adolph Gottlieb, Robert Motherwell und Clyfford Still mit dem „Color Field Painting“ eine Form der malerischen Überwältigung entwickelten.

Jackson Pollock: Verzauberter Wald, 1947, Öl- und Alkydharzlack auf Leinwand 221,3 x 114,6 cm Peggy Guggenheim Collection, Venedig) © Pollock-Krasner-Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2022. Foto: David Heald

Informelle Malerei

Zeitgleich zum Abstrakten Expressionismus in den USA setzten sich europäische Künstlerinnen und Künstler in Paris und anderen Metropolen mit neuen Gestaltungsformen, Materialien und Texturen auseinander. Ab Mitte der 1950er-Jahre wurde auch Westdeutschland mit Künstlern wie K.O. Götz, Gerhard Hoehme, Bernard Schultze, Winfred Gaul, Ernst Wilhelm Nay und Fritz Winter zu einem Zentrum der europäischen Nachkriegsabstraktion, das enge Kontakte mit Frankreich und den USA hielt. Die documenta II von 1959 feierte Werke der informellen Malerei und des Abstrakten Expressionismus als Ausdruck einer neuen, universellen Bildsprache, die den politischen Zusammenhalt der westlich-liberalen Staaten kulturhistorisch untermauern sollte. Die Bezeichnung der neuen malerischen Tendenz als Informel verweist auf die „formlos“ ungebändigte Ästhetik. Die Werke von Georges Mathieu, Antoni Tàpies, Pierre Soulages, Wols, Jean Fautrier und Jean Dubuffet markierten einen Bruch mit der kunsthistorischen Tradition.

Ernst Wilhelm Nay: Jota, 1959, Öl auf Leinwand 162,8 x 130,2 cm Fondation Gandur pour l’Art, Genève © Ernst Wilhelm Nay Stiftung, Köln/VG Bild-Kunst, Bonn 2022. Foto: Sandra Pointet

Transatlantischer Kunstdialog

In der Bundesrepublik wurde die radikale Abstraktion als neue Norm der Avantgardemalerei gewertet, die als Gegenmodell zum Sozialistischen Realismus in der DDR sowie den ästhetischen Prinzipien des Nationalsozialismus galt. Abstrakter Expressionismus in den USA und Informel in Europa galten als eigenständige, separate Entwicklungen – eine geographische und kulturelle Trennung, die den engen Austausch zwischen den Bewegungen verkennt. Als erste Ausstellung erkundet „Die Form der Freiheit“ den transatlantischen Dialog der Kunst von Mitte der 1940er Jahre bis zum Ende des Kalten Krieges. Gezeigt werden rund 100 Arbeiten von über 50 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Sam Francis, Helen Frankenthaler, K. O. Götz, Georges Mathieu, Lee Krasner, Ernst Wilhelm Nay, Mark Rothko, Jackson Pollock, Judit Reigl und Clyfford Still. „Aus den Bildern der Ausstellung spricht das ungeheure Verlangen nach künstlerischer Freiheit, das sich nach 1945 auf beiden Seiten des Atlantiks Bahn brach“, so Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini. pk

„Wols“ (Alfred Otto, Wolfgang Schulze) Komposition Champigny, um 1951
Mischtechnik auf Leinwand 72 x 59 cm MKM Museum Küppersmühle für moderne Kunst, Duisburg, Sammlung Ströher