Waldemar Ritter: Die Zumutung der Freiheit ist; sich seines eigenen Verstandes zu bedienen

Politikwissenschaftler Waldemar Ritter äüßert sich zu aktuellen Ereignissen. © Hartmut Bühling

Im Herbst 2015 mutierte die Kanzlerin zur Mama Merkel bei sehr vielen Deutschen. Für den kurzen undemokratischen Rausch und den „Gagaismus“ bezahlen jetzt alle mit, sozial, kulturell und in den Fragen der Sicherheit. Einige dürfen sich aber auch als große Profiteure der Situation beglückwünschen. Die materiellen Interessen der unglaublich materiell reichen Kirchen und ihrer Sozialindustrie werden gar nicht wahrgenommen.

Selbst ihren eigenen Kirchentag lässt sich die evangelische Kirche mit Steuermitteln auch aus den Steuern der Menschen finanzieren, die gar keiner Kirche angehören, also vom Bund und zwei Bundesländern. Hätte man wenigsten dieses Geld nicht lieber den Armen gegeben oder zeitgemäß exegetisiert den „Geflüchteten“?

Ich habe bis heute keine befriedigende Antwort darauf : Wie konnte ein Land, die meisten Politiker und ein großer Teil der veröffentlichten Meinung  – nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte – jede politische Vernunft, jeden Pragmatismus  und jeden common sense über Bord werfen? Wie konnten die Geistesfahrer unter ihnen zugleich meinen, sie vertreten die einzige legitime Position, während der Rest der europäischen Staaten und alle anderen  Deutschen im Irrtum oder der Unmoral befangen bleibt? Es dauerte über ein Jahr, bis sich Verantwortungsethik und eine Kultur der Vernunft durch Wissenschaftler, durch kritische Stimmen aus der Kultur und von unabhängigen Journalisten langsam durchzusetzen begann. Vor allem herausragende und aufgeklärte Muslime wie meine politikwissenschaftlichen Kollegen Bassam Tibi oder Hamed Abdel -Samad sind zu den schärfsten Kritikern der Merkelschen Flüchtlingspolitik geworden. Unter bekannten Politikern, waren es nur wenige, die von Anfang an die schlimmen Folgen erkannten und für eine Kultur der Vernunft eingetreten sind: Christian Lindner, Horst Seehofer, Wolfgang Bosbach, Sahra Wagenknecht,  Heinz Buschkowski und nach längerem Zögern auch Sigmar Gabriel waren diejenigen, die es nicht der  AFD überlassen haben,  real entstandene Probleme auszusprechen. Die Kanzlerin und ihr nibelungentreuer Koalitionspartner, von der Opposition gar nicht zu reden, brauchten lange, viel zu lange, um wenigsten für die Zukunft solch krasse Fehler auszuschließen.

Die bundesdeutsche Politik hat auf die Migrationskrise über viele Monate extrem falsch, ohne Kontrolle, ohne Begrenzung, abseits unseres Grundgesetzes viel zu spät und keineswegs ausreichend reagiert. Das ging bis an die Grenze des Staatsversagens. Was als einmalige Hilfestellung während eines Notfalls in Budapest begann, wurde zu einem monatelangen Ausnahmezustand. Merkels Mantra, dass man Grenzen nicht mehr schließen kann und eine Obergrenze das Problem nur verschärfen würde, wurde hinlänglich widerlegt von den kleinen Ländern der Balkanroute, von Österreich, und am Schluss von Deutschland selbst. Österreich, sein sozialdemokratischer Bundeskanzler und sein konservativer Außenminister Kurz haben mit Mazedonien die deutsche Bundeskanzlerin gerettet. Nie zuvor wurden in Deutschland  Ende 2015 und Anfang 2016 so viele Fake-News, postfaktisches und  damals noch nicht so benannte „alternative Fakten“ produziert wie im Zusammenhang mit der  Migrationskrise. Die Bürger haben bis heute das Gefühl, nicht richtig informiert zu werden.  Es wurde vertuscht, verharmlost, wegbehauptet und weggesehen, solange es ging. Die Politik hat sich seit zwei Jahren mehrfach radikal gewandelt. Die einst offenen Grenzen sind längst zu, die Balkanroute verschlossen, ein Pakt zwischen EU und Türkei soll Schleppern das Handwerk legen, kriminelle Asylbewerber werden leichter abgeschoben, mehr Staaten werden zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Das alles galt noch vor einem Jahr als unchristlich, menschen- oder fremdenfeindlich und wie die Verbalinjurien gegenüber den Andersdenkenden so hießen.

Erst kürzlich präsentierte de Mazière die tatsächliche Kriminalstatistik 2016 – mit nachdenklich stimmenden Zahlen: Im vergangenen Jahr gab es 616230 nichtdeutsche Tatverdächtige (Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht nicht mitgezählt). Das sind 30,5 Prozent aller Tatverdächtigen. Zugleich nahmen die Gewaltverbrechen deutlich zu –  und auch hier der Anteil der nichtdeutschen Terrorverbrechen. In Deutschland und Europa ist mit der Migrationskrise vor allem durch die Merkelsche Flüchtlingspolitik und die Verleugnung des Offensichtlichen sehr viel ins Rutschen geraten. Aber: Der Vorteil unserer demokratischen Systeme ist, dass wir auch solch schwere Fehler wenigstens für die Zukunft korrigieren können.  Allein die verheerenden Spätfolgen können wir auf lange Sicht nur noch mit großen Anstrengungen begrenzen.

Keine europäische Demokratie kann die Probleme der Dritten Welt und Ihre Konflikteauf ihrem Territorium lösen

Was bis heute in Deutschland gern verschwiegen wird: Seit 1990 strömten 4,1 Millionen Migranten in das wiedervereinigte Deutschland. Aber 3,9 waren gar nicht asylberechtigt bzw. politisch verfolgt. Illegale Einwanderer machten den größten Teil der Asylbewerber aus. Unser Grundgesetz sagt: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht, nicht die, die es beanspruchen, sondern die, die politisch verfolgt sind

Die politisch verfolgten Menschen sind bei uns nicht nur willkommen. Sie wollen wir umarmen, dass sie zu uns gekommen sind. Und dass wir sie schützen können und mit ihnen gegen ihre Verfolger Stellung nehmen. Es wäre unter ihrer Würde, von Teddybär-Werfern empfangen zu werden. Die 242 verfolgten türkischen Staatsbürger, die in diesem Jahr zu uns gekommen sind, das sind politisch Verfolgte, wie es im Grundgesetz steht. Ich bin stolz darauf, dass politisch Verfolgte seit meiner Studentenzeit zu meinen persönlichen Freunden gehörten und gehören.

Je weniger Reichtum auf eigener Leistung beruht …

… desto größer ist das Gerechtigkeitsproblem.  Zwei von drei Hochvermögenden sind durch Schenkung oder Erbschaft  in ihre überprivilegierte Lage gekommen. Dagegen steigt in Deutschland  die Belastung der arbeitenden Menschen mit Steuern und Sozialabgaben ständig weiter. Zurzeit sind das 49,4 Prozent vom Einkommen. Hier ist Deutschland Weltspitze. Ohne dass die staatlichen Leistungen im Vergleich zu vergleichbaren Staaten dem entsprechen. Im Schnitt liegt die Belastungsgrenze  der 35 wichtigsten Industrieländer bei  36 Prozent, in der Schweiz bei 21 Prozent.

Warum gibt es  bei uns trotz höchster Besteuerung und Sozialabgaben der arbeitenden Menschen so viele marode Schulen, Kinderarmut und prekäre Haushalte und zu wenig Sicherheit? Warum kommt der wirtschaftliche Aufschwung  den Reichen zugute, während die Armen mehr oder weniger leer ausgehen? Warum besitzen die reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens? Wer kann eigentlich erklären, warum es in Deutschland trotz hoher Rentenbeiträge viel Altersarmut und in Österreich in vergleichbaren Fällen bei nur 0,9 höherem Rentenbeitrag bis zu 800 Euro monatlich mehr Rente gibt? Wer widerspricht führenden Politikern, die mit schlimmen alternativen Wahrheiten behaupten, dass 40 Prozent der arbeitenden Menschen überhaupt keine Steuern zahlen? 17 Prozent Mehrwertsteuer  zahlen alle in unserem Land Prozentual bezahlen damit sogar die Armen mehr als die anderen. Bei der Stromsteuer, die ebenfalls alle zahlen müssen, ist das ähnlich .Auch hier sind wir Weltmeister. Wir bezahlen doppelt so viel  wie Frankreich, die Niederlande oder Polen und verschleudern den hochsubventionierten Überschuss der erneuerbaren Energien zu Niedrigpreisen oder bezahlen noch dafür, dass man ihn uns abnimmt.

Wir brauchen mutige Strukturreformen in allen Sozialversicherungszweigen. Wir brauchen vor allem eine echte Erbschaftssteuerreform. Es geht um größte Vermögen. Proportional zwischen 20 und 50 Prozent, damit ein Mindestmaß von Gerechtigkeit zwischen Arbeitseinkommen und -leistungslosen Erbschaften hergestellt wird. Was in Amerika mit 40 Prozent Erbschaftssteuer für Großvermögen problemlos ist, sollte in Deutschland allemal möglich sein. Besonders hier muss Politik endlich etwas tun gegen das Nichtstun

Wenn Muslime in unserer freiheitlichen und offenen Ordnung zu Hause sein wollen…

…dann müssen sie diese ohne Abstriche akzeptieren. Das deutsche Recht gilt ohne Wenn und Aber für alle, die hier leben. Ein Islamgesetz, wie es in der Union erörtert wird, heißt eine einzelne Religion mit einem einzelnen Gesetz zu begleiten. Das  halte ich für fragwürdig. Das klingt nach Teufelsaustreibung. Notwendig sind gemeinsame klare Regeln. Falsch verstandene Toleranz kann zu gesellschaftlicher Spaltung führen. Wichtiger ist, das importierte Integrationsproblem des Islam nicht zu verdrängen.

Konkret heißt das beispielsweise: Gesicht zeigen ist deutsche und europäische Kultur. In Deutschland ist die Landessprache Deutsch. Kopftuchverbot in bestimmten Situationen, an Schulen und öffentlichen Einrichtungen. Apartheid, einschließlich Geschlechterapartheid  ist gegen unser Grundgesetz. An der Gleichberechtigung von Mann und Frau ist nicht zu rütteln. Imame dürfen nur auf Deutsch predigen. Es geht gar nicht, dass Imame von staatlichen Behörden der Türkei eingesetzt und abhängig sind. Man muss ihnen und allen anderen klar machen, dass sie in Deutschland die Lebensweise und alle Grundwerte akzeptieren müssen. Wenn ihnen das nicht passt, dann haben sie die falsche Entscheidung getroffen. Hassprediger sind auszuweisen Extremistische Moscheen müssen geschlossen werden. Es gibt bessere Orte in der Welt, nach der Scharia zu leben, als in Europa.

Die Zumutung der Freiheit ist, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Schafft Platz in euren Köpfen für Individualität. Denkt selbst, am besten, nachdem ihr Haus oder Moschee verlassen habt. Wir können nicht außer Acht lassen, wie in Deutschland lebende Türken und Muslime tatsächlich über Identität, Islam und Scharia und Grundgesetz denken. Ich bin auch dagegen, alle Türken alle Muslime pauschal zu verurteilen. Aber ist es auch ein Fehler, alle Muslime pauschal zu verniedlichen? Bertram Russel hat darauf hingewiesen: „Viele strenggläubige Menschen reden, als wäre es die Aufgabe  der Skeptiker, überkommene Dogmen zu widerlegen und nicht der Dogmatiker, sie zu beweisen. Das ist natürlich ein Fehler.“

Notwendige Prävention und  klarere Grenzziehungen verfolgen allein den Zweck, den Boden auszutrocknen, auf dem Fanatismus und Gewalt gedeihen. Gerade aufgeklärte Muslime, die gute Deutsche  geworden sind, haben wie in anderen Ländern darauf hingewiesen, dass Integration gewollt werden muss und dass mehr unkonditionierte Zuwanderung aus Ländern mit einem zunehmend ideologisch politisierten Islam eher mehr als weniger Probleme schafft. Das wäre auch für Deutschland kein Ausweis von Illiberalität, sondern von Lernfähigkeit.

Die Deutschtürken, die Erdgans Referendum mit 64 Prozent zugestimmt haben …

… haben den Türken in der Türkei vorgeschrieben, sich einer Diktatur unterzuordnen, während sie hier Freiheit und Demokratie und den Sozialstaat genießen. Es ist unglaublich! In den türkischen Metropolen Istanbul, Ankara und Izmir fand Recep Erdogan keine Mehrheit für seinen Faschismus. Sie haben mit Nein votiert. Diesen Türken bin ich verbunden. Es ist die Hälfte des Volkes in der Türkei. Aber in Berlin, Hamburg, München und anderen zehn deutschen Städten stimmten die Deutschtürken mit Ja, in Essen sogar 79 Prozent;  fast Zweidrittel  der Deutsch-Türken stimmten für seine künftige Alleinherrschaft. Serdar Somuncu spricht diesen Deutschtürken ab, wirklich zu Deutschland zu gehören. Solche Leute haben ihren „Platz hier verloren“.

Wir müssen den Menschen, die hier leben sagen, dass hier eine Auflassung erforderlich ist, die ein gemeinsames friedliches Leben möglich macht. Der Doppelpass ist inzwischen ein Integrationshindernis. In Deutschland zu leben und sich dann auf die Straße stellen und zu demonstrieren für die Abschaffung der Demokratie und des Rechtsstaates; für die Todesstrafe, für die Intoleranz in der Türkei, die Unterdrückung der Opposition und die demokratische Meinungs- und Willensbildung gegen die parlamentarische Demokratie und die Menschenrechte, das ist ein Affront gegen die Gastgeber. In meinen Augen sind das türkische Reichsbürger. Deutschland hat alle hier lebenden Türken und die Türkei gefördert und unterstützt. Jetzt, nach dem Ende der deutschen Illusionen, sollten wir die in Deutschland lebenden Türken zur Entscheidung über ihre Staatsangehörigkeit auffordern.  Angesichts des Verfalls der türkischen Demokratie  und der dauerhaften Unterdrückung der universalen Menschenrechte können wir nicht mehr zur Tagesordnung übergehen. Es ist an der Zeit, endlich Farbe zu bekennen, in der deutschen Innen- und Außenpolitik.

Diese Türkei gehört nicht nach Europa. Weiter darüber zu verhandeln, macht keinen Sinn. Mit einer solchen Verfassung kann die Türkei nicht Mitglied der EU sein. Dahinter steht die Frage: Kann die Türkei vor dem Hintergrund ihrer Entwicklung der vergangenen Jahre unter Präsident Erdogan in der Nato bleiben? Ist sie noch ein sicherer Kantonist? Europa sollte vielmehr wieder gemeinsame Interessen mit den Russen finden, ohne dass wir dabei die Verletzungen des Minsker Vertrages oder die Annexion der Krim vergessen dürfen. Wer glaubt, dass wir eine europäische Sicherheitsstruktur ohne Russland schaffen können, der irrt gewaltig. Es ist ein gefährlicher Irrtum. Auch in Russland wird langfristig die Einsicht wachsen, dass es ohne Europa nicht geht: Und natürlich wäre eine völlige oder endgültige Abwendung der Türkei von Europa, aber auch Europas von der Türkei weder im deutschen noch im europäischen Interesse. Natürlich sollten wir über eine vernünftige Partnerschaft, Visafreiheit für türkische Intellektuelle, für Wissenschaftler Journalisten und Unternehmer nachdenken. Herr Erdogan hat allenfalls die Hälfte des türkischen Volkes hinter sich. Er hat seinen Zenit schon überschritten. Er ist jetzt nicht mehr Präsident aller Türken, sondern ein Parteipräsident.

Immer wieder werden Vorfälle bekannt, bei denen Juden in Deutschland …

… antisemitisch belästigt, beleidigt und mitunter sogar angegriffen werden. Neben Rechtsextremen und Neonazis gehören zunehmend  arabisch und türkisch Stämmige zum Spektrum der Täter. Der Judenhass unter Muslimen wird entweder geleugnet oder als Folklore abgetan, Und den „linken“ Antisemitismus gibt es angeblich gar nicht  Der letzte bekannt gewordene Fall: Ein 14- jähriger jüdischer Junge, der vier Monate immer wieder beschimpft, bespuckt, getreten, gewürgt und mit dem Tode bedroht wurde, nur weil er Jude ist, in einer Berliner Schule, die  zum Netzwerk „Schule mit Courage – Schule ohne Rassismus“ gehört. Seine Eltern forderten die Schulleitung zum Eingreifen auf. Es passierte nichts. Die Eltern nahmen den Jungen von der Schule. Als der Fall publik wurde, sind der Schulleiter und einige Eltern empört. Nicht über den Antisemitismus, sondern wegen des Imageschadens. Antisemitische Einstellungen bei muslimischen Migranten sollten gezielter bekämpft werden, nicht nur an Schulen. Zeitlich begrenzte Integrationskurse  können keine Wunder bewirken. Aber vielleicht ließe es sich wenigstens einrichten, dass Kursteilnehmer eine KZ-Gedenkstätte oder ein jüdisches Museum besuchen.

Ich unterstreiche mit der von mir verehrten Charlotte Knobloch, dass endlich alle Formen des Antisemitismus in Deutschland ernst genommen werden, dass Antisemitismus in allen Varianten als solcher benannt, geächtet und sanktioniert wird. Es darf nicht sein, dass jüdische Menschen sich nicht mehr trauen, ihre Religion anzugeben oder offen zu zeigen. Leider ist das schon vielfach bittere Realität im Deutschland des 21. Jahrhunderts. Es ist Aufgabe der Politik und der Zivilgesellschaft, diesen inakzeptablen Zustand zu beenden. Heute, nicht erst übermorgen  Das ist deutsche Staatsraison, die für alle gilt, die in Deutschland leben oder leben wollen.

Bundesregierung will im Eiltempo ein Gesetz gegen Hasskommentare beschließen …

… soweit ich sehe hat, Heiko Maas auf Hass gezielt, aber die Meinungsfreiheit getroffen. Orwell 84 lässt grüßen, Es wäre das erste „Wahrheitsgesetz“ der Geschichte. Schon der Namen  des neuesten Gesetzentwurfs des Bundesjustizministeriums „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ lädt geradezu einem kreativen Protest ein. In den sozialen Netzwerken wird der Inhalt des Entwurfes nicht nur von Anwälten  und Bürgerrechtlern zerpflückt, weil er verfassungs- und völkerrechtswidrig ist. Eine Aufgabe der Politik auf  Plattformen  abzuwälzen und vor allem gravierende Folgen für die Meinungsfreiheit in Kauf zu nehmen, ist nicht hinnehmbar. Die Kollateralschäden wären größer als die beabsichtigten Effekte. Vielleicht sollte man Heiko Maas eine Ausgabe von „1984“ schenken. Der Traum von einem Wahrheitsministerium führt in die Irre. Und wenn er erklären lässt, „zum Schutz der Meinungsfreiheit werde „ein behutsames Vorgehen der Bußgeldbehörde angezeigt“, dann klingt das beängstigend nach Orwells „Neusprech“und „Gutdenk.“ Ich fürchte eine Privatisierung des Rechts, wenn  nicht von Richtern, sondern von Großkonzernen entschieden wird, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und was nicht. Der gesamte Gesetzentwurf  ist Meinungsfreiheit auf Gesinnungspolizistenart. Das geht mit unseren Grundwerten und Menschenrechten gar nicht. Das sind Rechte, die nicht der Staat, sondern wir alle gegenüber dem Staat haben. Für mich und meine politischen Freunde ist es erschreckend, was ausgerechnet ein sozialdemokratischer Justizminister unternimmt, um Anstand und Würde zu ihrem Recht zu verhelfen. Wenn der vorliegende Gesetzentwurf nicht grundlegend geändert wird,  ist das ein Schritt zur Zensur und zur Vergewaltigung unserer Meinungsfreiheit. Heiko Maas ist ein anständiger Mensch.  Meinungsfreiheit und Rechtsstaat sind konstitutiv für unsere Demokratie. Auch in der digitalen Welt können wir weder rechtsfreie Räume zulassen noch auf Vernunft und digitale Sozialarbeit verzichten.

(Wenn man es eher locker sehen will,  gibt es dazu auch Neues vom Postmillion. Auch dieser Text wurde vom Ministerium für Wahres und Gutes geprüft. Der Text ist frei erfunden. Glauben Sie kein Wort. Wir ermitteln noch, ob es sich um Satire oder Falke-News handelt, weil Satire über Satire bei unseren Algorithmen derzeit nur den Fehler „Division y Zero“ auslöst. Wir empfehlen, diesen Beitrag nicht zu lesen, bis der Abschlussbericht der Kommission  für verwirrendes  Schreibverhalten vorliegt. Bitte bleiben Sie ganz links, wir informieren Sie, wenn die Gefahr vorüber ist.)

Wenn der Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen sollte, dann sind jetzt Hacker, Cyberangriffe und gezielte Desinformationen die größte Gefahr.

Wer der nächste Bundeskanzler wird …

… hängt davon ab, ob die SPD die stärkste Partei wird oder nicht.  Es hängt trotz aller Widrigkeiten eigentlich nur davon ab, was der frühere SPD Bundeskanzler Brandt in seiner Abschiedsrede auf dem SPD -Bundesparteitag in Bonn gesagt hat: Die SPD darf sich nicht daran hindern lassen, noch energischer anzugehen gegen die Vernachlässigung deutscher Interessen in der Welt, gegen die Schande hoher Arbeitslosigkeit und sich ölfleckartig ausbreitender Ungerechtigkeit. Ich nenne die Stichworte: Aufgeklärte Vernunft, sozialer und ökologischer Humanismus, demokratische Kultur. Die SPD muss bleiben, was sie im Kern seit mehr als 100 Jahren gewesen ist: Ein Zusammenschluss deutscher Patrioten mit europäischer Verantwortung und im unverdrossenen Dienst am Frieden und sozialen Fortschritt im Innern wie nach außen. Freiheit für viele, nicht nur für die wenigen. Freiheit des Gewissens und der Meinung. Auch Freiheit von Not und von Furcht.

 Der Sieger Der Sieger der französischen Präsidentschaftswahl Macron … 

… ist Willy Brandt am ähnlichsten, der jüngste, der sozialliberalste und europäischste  aller elf Kandidaten im ersten Wahlgang gewesen. Er hat die Wahl gegen Marine Le Pen  zum Präsidenten der französischen Republik gewonnen. Ohne eigene Partei, unterstützt von vielen jungen Leuten einer von ihm ins Leben gerufenen Freiwilligenbewegung namens En Marche, deutsch „Vorwärts“, und mit einer 24 Jahre älteren Ehefrau, die einmal seine Französischlehrern am Gymnasium war, Er steht für Aufbruch und notwendige Reformen in Frankreich und Europa ein, will sich nicht abfinden  mit der Lethargie in Europa. Er will auch Deutschland und Frankreich wieder enger zusammen führen, wofür allerdings die deutsche Regierung noch sehr vieles tun muss. Eine Ära der französischen Politik wird zu Ende gehen, wenn die Verlierer der Präsidentenwahlen, die Konservativen und die Sozialisten, bei den im Juni folgenden Parlamentswahlen nicht ein Comeback erleben. Dagegen hatten  im ersten Wahlgang die Rechtsaußen und die Linksaußen zusammen über 40 Prozent der Stimmen erhalten. Die Franzosen haben den klinischen Tod verhindert, aber die Krankheit besteht weiter. Marcron will mit einem System brechen, dass „unfähig ist, auf Probleme zu reagieren.

„On tourne clairement aujourd`hui une page de la vie politique francaise“

Im Wahlergebnis ist eine klare Aufforderung nach Veränderung verknüpft mit einer positiven Überraschung: Angesichts der hohen Wahlbeteiligung einen Beweis abgegeben für Schwung, für Fortschritt und Zukunft, für Abwehr  gegen Niedergang, für eine Renaissance des Landes  und gegen den Angriff des Terrors. Das könnten wir in der deutschen Politik auch ganz gut gebrauchen. Mit einem Unterschied, der bei uns vergleichsweise oft übersehen wird. Hier wurde nicht der deutsche oder der europäische Bundeskanzler gewählt, sondern der Präsident der französischen Republik. Die wahre Macht  des neuen französischen Präsidenten entscheidet erst im Juni. Sie wird auch von der Wahl zur französischen Nationalversammlung im Juni abhängen.

Die Entscheidung  für die Zukunft, für die Erneuerung Europas  ist gefallen. Das ist der wichtigste Impuls dieser Wahl. Emmanuel Macron steht für ein proeuröpäisches Frankreich. Marine Le Pen  wollte ein protektionistisches, antieuropäisches Programm durchsetzen. Eine neue Mitte hat sich durchgesetzt. Bis auf weiteres ist Schluss mit lustig. Schluss mit rechts  und links. Oder wie er Linke und Rechte versöhnen will. Er lobt Umverteilung und auch Wachstum.  Frankreichs Uhren gehen anders. Oder wie De Gaulle das einmal sagte: Einen Staat mit 276 Käsesorten zu regieren, ist nicht einfach. In Frankreich wirken Gesetze und Dekrete, wenn die Leute sie auch annehmen.

Mit Macron öffnet sich ein neues Kapitel für sein Land und für Europa: Das der Hoffnung und der wiedergewonnenen Zuversicht. Doch auf Macron warten gewaltige Aufgaben. Er kennt die Wut, die Angst und die Zweifel. Sein Ziel ist es, die Einheit der Nation wiederherzustellen und die Bürger mit  Europa auszusöhnen. Macron ist ein Realpolitiker, der weiß, dass Trump das umsetzen will, was er im Wahlkampf versprochen hat und dass die Europäer ihn ernst nehmen müssen und dass sie für die Lösung von Problemen vor ihrer Haustür möglicherweise keine Unterstützung bekommen und dass dies für die EU teurer werden kann. Macron, der ein starkes Europa will, wird französische und europäische Interessen vertreten.

Die Politik von Donald Trump … 

… kann für Europa einen Weckruf bedeuten. Ein Neustart mit mehr Eigenständigkeit der EU steht noch bevor. Ein Europa mit mehr Tiefe und eigener Verantwortung Europa muss sich selbst in die Hand nehmen und vor allem entscheidungsfähiger werden, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten. Die Trumpsche Politik bietet eine historische Gestaltungschance, die jetzt ergriffen werden sollte.  Europa muss in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen in dem Wissen, dass die USA eine Größe bilden, die aus der Zukunft der europäischen Sicherheit nicht wegzudenken ist. Im Übrigen nehme ich nicht am deutschen Überbietungswettbewerb derer teil, die Trump sehr ähnlich sind. Trump ist nicht die USA, er ist nur der gegenwärtige Präsident.

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