„Zeichen der Freundschaft“ – Ulrike Crespo beschenkt Städel Museum

Franz Marc: Drei Pferde in hügeliger Landschaft 1910/11 Grafit, teils laviert, auf Vergépapier Blatt: 112 × 179 mm Foto: Städel Museum

Frankfurt. Die Frankfurter Fotografin und Mäzenin Ulrike Crespo hinterlässt dem Städel Museum über 90 herausragende Gemälde und Arbeiten auf Papier der Klassischen Moderne und der internationalen Nachkriegskunst, darunter Werke von Wassily Kandinsky, Franz Marc, Otto Dix, Max Ernst, Fernand Léger, Jean Dubuffet, Cy Twombly und anderen. Ein Spitzenstück des Vermächtnisses ist Oskar Schlemmers Aquarell zu seinem weltberühmten Gemälde Bauhaustreppe (New York, Museum of Modern Art).

Das Frankfurter Haus würdigt diese Geste Ulrike Crespos mit einer Sonderausstellung. Unter dem Titel „Zeichen der Freundschaft. Ulrike Crespo beschenkt das Städel Museum“ treten bis zum 6. März 2022 ausgewählte Arbeiten aus dem Vermächtnis in einen Dialog mit Werken aus der Sammlung des Museums. Es werden insgesamt 72 Arbeiten gezeigt, darunter 44 aus dem Vermächtnis von Ulrike Crespo.

„Crespo Foundation“

Die Fotografin, Psychotherapeutin und Philanthropin Ulrike Crespo (1950–2019) gründete 2001 die „Crespo Foundation“ in Frankfurt, die mit zahlreichen Projekten gesellschaftlich Benachteiligte fördert und dabei einen Schwerpunkt auf Bildung und Kreativität legt. Zugleich unterstützte sie Künstlerinnen und Künstler sowie Kunstinstitutionen und baute eine Sammlung zeitgenössischer Kunst auf. Bildende Kunst war ihr ein existenzielles Anliegen – und hatte Familientradition. Ursprünglich waren die dem Städel Museum vermachten Werke Teil der weit umfangreicheren Sammlung von Karl Ströher (1890–1977), Ulrike Crespos Großvater. Geprägt von der eigenen Vorliebe für Arbeiten auf Papier – Karl Ströher war selbst begeisterter Zeichner –, aber auch durch den Austausch mit befreundeten Künstlern wie Willi Baumeister, mit Kunsthistorikern wie Will Grohmann und mit Galeristen erwarb Ströher nach dem  Zweiten Weltkrieg Werke der Klassischen Moderne und der
unmittelbaren Zeitgenossenschaft, vom Expressionismus bis zur US-amerikanischen Pop-Art.

Max Ernst: „Grätenwald“ 1927 Öl auf Leinwand 45.5 × 37.5 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021 Foto: Städel Museum

Neuzugang Oskar Schlemmer

Die Schau in der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung ist nach
Werkgruppen weitestgehend chronologisch in sieben Kapitel gegliedert und beginnt mit den vielleicht wichtigsten Neuzugängen für das Städel Museum, mit Werken der einstigen Bauhauslehrer Oskar Schlemmer, Paul Klee, Lyonel Feininger und László Moholy-Nagy. Zeichnungen von Schlemmer und Moholy-Nagy waren in der Graphischen Sammlung des Städel Museums dabei bisher gar nicht oder nur als Leihgaben vertreten.

„Blaue Reiter“ München

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Adolf Hölzel sowie die Künstler des „Blauen Reiter“ Wege in die Abstraktion eingeschlagen. Hölzel, der sich um 1905 von einer rein gegenständlichen Malerei löste, prägte als Lehrer in Stuttgart und wichtiger Theoretiker nicht nur Oskar Schlemmer, Johannes Itten oder Ida Kerkovius, die später am Bauhaus wirkten, sondern beispielsweise auch Willi Baumeister. Etwa zur selben Zeit fand in München die Künstlervereinigung „Blauer Reiter“ zu neuen formalen Möglichkeiten. Für Kandinsky, der später gleichfalls am Bauhaus lehrte, entstand wahre Kunst losgelöst von der äußeren Welt aus innerer Notwendigkeit. Sein Schaffen ist dank Ulrike Crespo am Städel Museum mit der frühen Landschaft in
Öl, Kallmünz – Hellgrüne Berge (1903), und (seit 2016) einer Improvisation (1911/12) in Aquarell erfahrbar, der Zeichner Franz Marc mit einer einfühlsamen Pferdestudie in Bleistift aus einem Skizzenbuch von 1910/11.

Portrait Ulrike Crespo. Foto: Chris O’Dell

Die „Brücke“ Dresden

Neben Hölzel in Stuttgart und dem „Blauen Reiter“ in München bildete sich um 1905 mit der Künstlergemeinschaft „Brücke“ in Dresden ein weiteres Zentrum der Moderne. „Unmittelbar und unverfälscht“ wollten Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, aber auch Emil Nolde schaffen. Die vermachten Werke dieser Künstler sowie des ihnen nahestehenden Christian Rohlfs fügen sich dabei nahtlos in die reichen Expressionismus-Bestände des Städel Museums und damit in die einstige Sammlung Carl Hagemanns (1867–1940) ein. Mit dem Kopf Ernas von 1912 verfügt das Städel nun über den einzigen bekannten Abzug dieses Holzschnitts von Ernst Ludwig Kirchner. Einen neuen Aspekt bringt das farbenprächtige, expressive Aquarell anonymer Großstadtmenschen von Otto Dix, das im schöpferischen Ausdruck an Nolde anschließt und doch ein ganz anderes koloristisches Temperament wie auch Menschenbild verrät.

Oskar Schlemmer: „Bauhaustreppe“ 1931 Bleistift und Aquarell auf Velinpapier Blatt: 279 × 219 mm. Foto: Städel Museum

Max Ernst „Grätenwald“

Neben diesen größeren Werkgruppen zur Klassischen Moderne gelangten mit dem Vermächtnis auch für sich stehende, bedeutende Einzelwerke ins Städel Museum. Sie stammen von Gustav Klimt und Paula Modersohn-Becker, von Fernand Léger und Max Ernst, von Ben Nicholson und Alberto Giacometti und fächern über ein halbes Jahrhundert internationaler Schaffensvielfalt auf. Ein Höhepunkt ist Max Ernsts surrealistisches Gemälde Grätenwald von 1927: Es kombiniert ‚klassische‘Malerei mit experimentellen Verfahren; Zufall und freie Assoziation werden Teil der Bildfindung. pk

Otto Dix: „Köpfe“ ca. 1923 Aquarell und Feder in Schwarz auf Velinpapier Blatt: 334 × 505 mm © VG Bild-Kunst, Bonn 2021 Foto: Städel Museum