Zivilgesellschaftliches Forderungspapier zum Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards

Kindertageseinrichtung | Bild von Freepik

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Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, das Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (Gute- Kita- Gesetz) bis zum Ende der Legislaturperiode gemeinsam mit den Ländern in ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards zu überführen[1]. Ein breites Bündnis verschiedener Verbände, Organisationen und AkteurInnen begleitet den Prozess kritisch – konstruktiv und bringt mit dem vorliegenden Forderungspapier seine Expertise ein.

Bestmögliche Bildung, Betreuung und Erziehung für unsere Kinder

Bildung ist der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben und zur Teilhabe an unserer demokratischen Gesellschaft. Die dauerhafte Qualitätsverbesserung frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung ist daher von gesamtgesellschaftlicher Tragweite.

Um tatsächlich gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, bedarf es verbindlicher, bundesweiter und wissenschaftlich begründeter Qualitätsstandards im Rahmen des achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII).

Zur Qualitätssicherung in den Einrichtungen bedarf es insbesondere der Gewährleistung eines angemessenen, wissenschaftlich begründeten Fachkraft- Kind- Schlüssels. Dieser muss alle Aspekte der Personalbemessung (u. a. Urlaubs-, Krankheits-, Verfügungs-, Anleitungs- und Weiterbildungszeiten) einbeziehen. Die Gruppengrößen sind nach wissenschaftlichen Empfehlungen anzupassen. Zudem sind Anleitende, Fachberatungen und weitere Unterstützungsebenen ausreichend zu stärken und weiterzubilden, angemessene Qualifikationsrahmen müssen dabei sichergestellt werden. Um Qualitätsstandards einzuhalten und die Qualität stetig zu verbessern, bedarf es außerdem der Stärkung von Kita-Leitungen durch festgeschriebene und ausreichende Leitungszeiten, die die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigen.

Nur wenn sich Kinder mit ihrer Persönlichkeit vollständig angenommen fühlen, kann die Kita als eine Bereicherung für ihren Alltag und ihre Entwicklung angesehen werden. Die Bedarfe von Kindern in herausfordernden Lebenslagen, z.B. aufgrund ihrer ökonomischen Situation, ihrer Sprache oder ihres Inklusionsbedarfes, erfordern besondere Berücksichtigung.

Fachkräfte als Schlüssel für Qualität

Da Kinder keine kontextlosen Wesen sind, sind sie essenziell auf PädagogInnen und Bezugspersonen angewiesen, die Bindungsangebote und Vertrauen her- und sicherstellen. Die Qualifikation, die Kompetenzen, die Haltung sowie die angemessene pädagogische Personalausstattung sind entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Bildungsbiografie von allen Kindern, insbesondere von Kindern in herausfordernden Lebenslagen.

Vor diesem Hintergrund ist die Attraktivität des Berufsbilds der Erzieherin/ des Erziehers insbesondere durch eine angemessene Entlohnung und gute Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Letztere müssen u. a. ausreichend Verfügungs- und Anleitungszeiten, eine kostendeckende Förderung des innerbetrieblichen Gesundheitsmanagements, ausreichend Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die Schaffung von Fachkarrieren sowie individuelle Arbeitszeitmodelle umfassen. Kitas müssen Orte sein, an denen sich die Kinder, ihre Eltern und die Beschäftigten gleichermaßen wohlfühlen.

Angesichts des eklatanten Fachkräftemangels ist die Fachkräftegewinnung und die Fachkräftebindung in all ihren Facetten massiv zu verstärken. Best-Practice-Beispiele müssen kommuniziert und die Umsetzung regionaler Strategien zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften müssen gefördert werden.

Es bedarf einer fundierten und nachhaltigen Personalplanung, um eine angemessene Personalausstattung zu gewährleisten. Der zielgenaue Personaleinsatz muss sichergestellt sein. Assistenz- und Ergänzungskräfte bieten großes Potenzial zur Entlastung der Fachkräfte. Sie können bei entsprechender Eignung mittels berufsbegleitender Fort- und Weiterbildungen den gleichen Abschluss erlangen wie pädagogischen Fachkräfte. Darüber hinaus bedarf es dringend einer Ausweitung der Ausbildungskapazitäten.

Bei der Ausbildung zur Fachkraft dürfen trotz angespannter Personalsituation keine Qualitätsabsenkungen erfolgen, der Abschluss auf DQR6-Ebene muss gewährleistet sein. Personen, die sich noch in der Ausbildung befinden, dürfen nicht auf den Fachkraft- Kind- Schlüssel angerechnet werden. Die Einheitlichkeit und Praxisnähe der Ausbildung ist sicherzustellen. Für Quereinsteigende müssen angemessene Qualifizierungsmaßnahmen vorgehalten werden, das übergeordnete Ziel muss stets eine Qualifikation auf Fachkraftniveau sein.

Ein Angebot, das zu den Bedarfen der Kinder und Eltern passt

Familien in Deutschland sind heterogen, das Angebot der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung muss sich an der Lebensrealität der Familien in all ihrer Vielfalt orientieren. Das Angebot ist so auszugestalten, dass Eltern – insbesondere im Sinne ihrer Kinder – auswählen können, was ihren Bedürfnissen entspricht. Dabei ist darauf zu achten, dass auch Familien mit Zuwanderungsgeschichte teilhaben und von qualitativ hochwertigen Angeboten profitieren können.

Für eine wohnortnahe Kindertagesbetreuung sind gezielte Strategien zur Erhebung der Bedarfe im Rahmen der örtlichen Jugendhilfeplanung unerlässlich. Die Wünsche und Interessen der Kinder und ihrer Eltern müssen erhoben und bei den Planungen berücksichtigt werden.

Pädagogisch inklusive Förderung gelingt nur in einer guten Erziehungspartnerschaft. Dies setzt eine konsequente gesetzliche Verankerung von demokratischen Mitbestimmungsrechten für Eltern als ExpertInnen für ihre Kinder und gelebte Partizipation auf Augenhöhe voraus.

Besonders wenn Angebote der Kinder- und Jugendhilfe[2] beitragsfrei gestaltet werden, kann echte Chancengerechtigkeit für Kinder sichergestellt und auch dem Art. 28 der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung getragen werden. Neben bundesweit einheitlichen Qualitätsstandards fordern wir kostenfreie Teilhabe für alle Familien.

Ausgaben für die Kindertagesbetreuung sind Investitionen in die Zukunft unserer Kinder und unserer Gesellschaft

Voraussetzung für eine dauerhafte Verbesserung der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung in Deutschland ist eine ausreichende und verlässliche Finanzierung. Denn nur so können in Kindertageseinrichtungen Grundlagen für eine gelingende Bildungsbiografie vermittelt werden.

In den letzten Jahren wurde hauptsächlich in die Bereitstellung eines Betreuungsangebots investiert, das allein führt aber nicht zu qualitativ hochwertigeren Angeboten. Die Qualitätsentwicklung in den Kitas braucht ein wissenschaftlich fundiertes Konzept, Rahmenbedingungen, die eine qualitativ hochwertige Arbeit ermöglichen. Eine stetige Evaluation und ausreichend Zeit sind notwendig, da sich Erfolge häufig erst nach mehreren Jahren zeigen.

Es bedarf der Anstrengung von Bund und Ländern zur zügigen Einigung auf eine gemeinsame sowie dauerhafte Finanzierung von bundesweiten, wissenschaftlich begründeten Qualitätsstandards in der KiTa, unabhängig von der sozialen und ökonomischen Situation der Familien und der Region, in der Kinder aufwachsen.

Die Erfüllung der aufgeführten Forderungen geht mit erheblichen Kosten einher. Neben der fundamentalen Bedeutung eines qualitativ hochwertigen Angebots für jedes einzelne Kind ist es jedoch wissenschaftlich erwiesen, dass der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Investitionen die Ausgaben um ein Vielfaches überwiegt.[3]Es braucht daher einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens dazu, dass deutlich mehr Investitionen für das System KiTa notwendig sind.

Die aufgeführten Forderungen sind nicht abschließend, die Positionen der Unterzeichnenden können darüber hinausgehen. Die nachfolgenden Organisationen bekräftigen nachdrücklich die Relevanz der dargestellten Forderungen für eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung und fordern die Einbindung der Praxis in den weiteren Prozess. Alle Unterzeichnenden stehen mit ihrer Expertise als AnsprechpartnerInnen zur Verfügung.

[1] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/1f422c60505b6a88f8f3b3b5b8720bd4/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1

[2] https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__1.html

[3] https://www.bundestag.de/resource/blob/959064/99efed986efbf012988a060ee95e96cc/WD-5-047-23-pdf-data.pdf

FORDERUNGEN:

Kein Ausspielen von Qualitätsentwicklung gegen Entlastung von Eltern- Maximalforderungen von Bündnis rund um die Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege (BEVKi).

Ein zivilgesellschaftliches Bündnis, bestehend aus Verbänden, Organisationen und Akteur:innen rund um frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung, fordert unmissverständlich: Kein Ausspielen von Qualitätsentwicklung gegen kostenlose Teilhabe an der frühkindlichen Bildung. Die Forderungen des Bündnisses skizzieren zentrale Anliegen für bestmögliche Kindertagesbetreuung in Deutschland.

Maximale Forderungen für maximale Qualität

Die Forderungen betreffen verbindliche Qualitätsstandards im achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII), z.B. einen wissenschaftlich empfohlenen Fachkraft-Kind-Schlüssel. Die Stärkung von Kita-Leitungen und Unterstützungsebenen, die Anpassung von Gruppengrößen und die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern in herausfordernden Lebenslagen sind weitere zentrale Anliegen.

Fachkräfte als Schlüssel für Qualität

Das Bündnis setzt sich für die Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes der pädagogischen Fachkraft ein, betont die Rolle von Pädagog:innen und fordert angemessene Entlohnung und gute Rahmenbedingungen. Die Gewinnung und Bindung von Fachkräften sowie die Ausweitung der Ausbildungskapazitäten sind drängende Herausforderungen, die keinen Aufschub mehr dulden 

Bedarfsgerechtes Angebot für alle Familien

Das Bündnis fordert ein bedarfsgerechtes Angebot, welches die Vielfalt der Bedarfe der Familien berücksichtigt. Die Einbeziehung der Wünsche und Interessen von Kindern und Eltern sowie demokratische Mitbestimmungsrechte sind die Voraussetzung für hohe Qualität.

Nachhaltige Finanzierung für dauerhafte Verbesserung

Die Forderungen beinhalten auch eine ausreichende Finanzierung für eine dauerhafte Verbesserung der frühkindlichen Bildung. Das Bündnis fordert eine gemeinsame, dauerhafte Finanzierung von Qualitätsstandards in Kitas, unabhängig von sozialer und ökonomischer Situation der Familien. Dafür braucht es einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens.

Die Organisationen betonen ihre Bereitschaft zur Einbindung ihrer Expertise als Ansprechpartner:innen und fordern eine konsequente Einbeziehung der Praxis in den weiteren Gesetzgebungsprozess.

UnterzeichnerInnen

Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege (BEVKi)
Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen
dbb beamtenbund und tarifunion
dbb bundesfrauenvertretung
Initiative Familien e.V.
Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.
Katholische Erziehergemeinschaft (KEG)
Kita-Fachkräfteverband Niedersachsen-Bremen e.V.
komba gewerkschaft nrw
Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband e. V.
Landesverband Sozialpädagogischer Fachkräfte Berlin e.V.
Stiftung Bildung
Stiftung Kinder Forschen
Verband Bildung und Erziehung (VBE)
Verband berufstätiger Mütter e. V. (VBM)
Verband der Kleinen und Mittelgroßen Kitaträger e.V.
Verband Kitafachkräfte Baden-Württemberg
Verband Kita-Fachkräfte Bayern e.V.
Verband KiTa-Fachkräfte Rheinland-Pfalz

Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben

Geschäftsstelle der Bundeselternvertretung der Kinder
in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege (BEVKi)
Referat 504 – Nationale Programme, Geschäftsstelle

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