Max Beckmann hält Einzug in Max Ernst Museum Brühl

Mit dem nötigen „Corona-Abstand“ (v.l.) Gast-Kurator Ralph Jentsch, Museumschef Achim Sommer und Ko-Kuratorin Vera Bornkessel. Fotos © Peter Köster

Brühl. Max Beckmann zählt zu den international bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts und nimmt im Bereich der figurativen Malerei einen nur Pablo Picasso vergleichbaren Rang ein. Das Max Ernst Museum Brühl zeigt ihn nun bis zum 28. Februar 2021 in einer großen Werkschau. Der Titel der sehenswerten Ausstellung lautet: „Day and Dream. Eine Reise von Berlin nach New York“.

Nach zahlreichen Präsentationen über seine Stillleben, Meerbilder, mythologischen Geschichten und Selbstbildnisse schien alles über ihn gesagt. Die Brühler Ausstellung, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Nachlass Beckmann wagt einen neuen Blickwinkel. Max Beckmann (1884-1950) hat mit Verve gezeichnet und auch in seiner Malerei eine stark konturierte Darstellung bevorzugt. Auf der Suche nach einer neuen Symbolsprache für das 20. Jahrhundert, einer frühen Privatikonographie, widmet er sich mit herber Kraft allen Facetten der Alltagskultur durch die der sehende Mensch verletzbar gondelt, vom Geist antiker Mythen durch die Tragik der Moderne getragen, persönlich in Exile getrieben. Etwa 140 Arbeiten auf Papier, Gemälde und Druckgrafiken, darunter Lithografie-Mappenwerke wie die titelgebenden „Day and Dream“ und „Berliner Reise“ verfolgen seine Lebensreise und seine Ausdrucksweise.

Bewegte Biografie

Max Beckmanns bewegte Biografie steht im Zeichen von zwei Weltkriegen, Flucht vor den Nationalsozialisten, Exil und nicht zuletzt großer Reiselust: Von Berlin, Frankfurt am Main und Amsterdam zog es ihn schließlich nach New York. Der häufige Wechsel seiner Lebensstationen wurde prägend für sein Werk. Die Präsentation ermöglicht Einblicke in 50 Schaffensjahre, wobei der Fokus auf Beckmanns druckgrafischem und zeichnerischem Werk aus den Jahren 1911 bis 1924 liegt. Erstmals in größerer Auswahl ausgestellt sind Handprobedrucke, die der Künstler seiner ersten Frau Minna Tube, die ihm zuliebe ihre künstlerische Laufbahn beendete, zwischen 1913 und 1923 schenkte und mit persönlichen Widmungen versah. Sie veranschaulichen Max Beckmanns Sensibilität als Grafiker. Museumsdirektor und Kurator Achim Sommer erläutert diese Werkauswahl: „In vielfältiger Gestalt erscheint im Œuvre Max Beckmanns seine erste Frau Minna Beckmann-Tube. Ihr gilt auch die Widmung zahlreicher Bilder. Wir zeigen gut 40 Blätter, zumeist Handprobedrucke, die Beckmann selbst auf seiner kleinen Druckerpresse abgezogen hat und mit ganz persönlichen Worten seiner ‚Mink‘ zueignete.“ In einem aktuellen Videostatement gegenüber dem Museum äußert sich auch Mayen Beckmann, Enkelin von Max Beckmann, über ihre Großmutter Minna Tube, zu der sie ein inniges Verhältnis hatte: „Sie erzählte uns von Max und von sich selber, davon, wie das alles in Berlin gewesen ist. Es war immer Thema; der Mann blieb immer im Zentrum ihrer Vorstellungen. Die Bilder hingen überall: Die großen religiösen Bilder hinter dem Canapé -und eigentlich lehnte man sich an die Kreuztragung. Es war nicht so wie heute, dass man mit solchen Dingen distanziert umgeht: Es war einfach Teil des Alltags.“ Und in diesem Alltag inszenierte sich Beckmann gern in machohafter Pose, verdichtete das große Welttheater von Weimarer Republik, Faschismus und Exil in mythologischen Bildern, Zirkusszenerien und Stillleben.

Nur Zuschauer sein im Traum

Gastkurator Ralph Jentsch (Berlin), der bereits 2011 eine Ausstellung im Max Ernst Museum über die Aktualität des künstlerischen Werks von George Grosz (1893–1959) verantwortete, verweist in der Beckmann-Schau im Hinblick auf die Titelgebung „Day und Dream“ auf Tagebucheintragungen von Max Beckmann. Beckmann hole sich in den Träumen seine Kraft, den Tag zu bewältigen. Der Tag wiederum sei durch seine Kunst und das Kriegsgeschehen, das um ihn herum passiere, geprägt – so wie es zum Beispiel der Eintrag vom 6. März 1943 widerspiegelt:„ Den festen Entschluß –trotz gehen oder nicht gehen –dieses Leben zu Ende zu leben. –Ich wollte ja nur Zuschauer sein in diesem Traum…“ Vera Bornkessel, Ko-Kuratorin im Max Ernst Museum ergänzt zum Thema der „Lebensreise“: „Beckmann beschreibt sich selbst als Odysseus. Er bleibt bis zu seinem Lebensende ein Suchender, der sich auf der Entdeckungsfahrt zu neuen Orten und Erlebnissen künstlerisch nicht binden will.“

Kunst- und Geistesgeschichte

Das Reisen in seinen verschiedenen Aspekten ist ein Leitmotiv für Beckmanns künstlerisches Schaffen. Er beschreibt es wie folgt: „Das Wichtigste ist jedenfalls, dass man lebt und weiter so intensiv wie möglich diese gespensterhafte Welt zu einer Realität des Bildes bringt. Die einzig wirkliche Realität, die es gibt“. Max Beckmann reflektiert in seinen Figurenbildern, Selbstbildnissen und Porträts, aber auch in den Landschaftsbildern und Stillleben, im Spiegel seiner Zeit allgemeine menschliche Fragestellungen. Das Individuum in seiner Vereinzelung, seinen Brechungen, seinen komplexen Möglichkeiten und Gefährdungen steht im Zentrum seines Schaffens. Mit seinem Werk hat Beckmann einen singulären Beitrag zur modernen Kunst- und Geistesgeschichte geleistet. Peter Köster

„Zirkus-Beckmann“ nennt sich diese Grafik.