„Bettina Pousttchi. Fluidity“ – Auftakt für Themenjahr 2022 „Wegweiserinnen“ im Arp Museum – Skulpturenufer Remagen findet seinen Abschluss

„Schwebend“ an die Wand montiert: „Cut-out-Objekt“ aus geschnittenem und farbig beschichtetem Stahl. Foto: Peter Köster

Remagen. Doppelpräsentation von Bettina Pousttchi und dies zugleich in zwei exponierten Kunsthäusern, nämlich dem Arp Museum und der Bundeskunsthalle Bonn. Beide Häuser sind Schauplätze für außergewöhnliche Projekte der Künstlerin Bettina Pusttchi. „Fluidity“ lautet der Titel, der bis zum 12. Juni im Arp Museum gezeigten Ausstellung. Ihr folgt im Sommer die Bundeskunsthalle mit der Dachgartenkonstruktion „The Curve“. Dabei handelt es sich um eine Steilrampe, die trotz ihrer Steigung begehbar bleibt.

Beschäftigung mit dem Stadtraum

Bettina Pousttchi wurde 1971 in Mainz geboren. Heute lebt und arbeitet die international erfolgreiche Künstlerin in Berlin. „Fluidity“ ist die Auftaktausstellung für das Themenjahr 2022 „Wegweiserinnen“. Pousttchi nutzt für ihre Skulpturen Gegenstände, die sie in Städten vorfindet. Sie beschäftigt sich mit dem Stadtraum. Was prägt eine Stadt? Wie sieht unsere Stadt aus? Wie wirken Häuser auf uns? In der Remagener Ausstellung zeigt sie Skulpturen, Reliefs und Fotografien aus den letzten sieben Jahren. Der Titel „Fluidity“ verweist auf die wandelbare, fließende Form ihrer Werke. Allzu vertrautes Stadtmobiliar wie Baumschutzbügel, Straßenpfosten oder Leitplanken deformiert sie mechanisch, beschichtet sie mit Farbe oder poliert sie auf Hochglanz. Derart transformiert erhalten die vorgefundenen Objekte eine innovative und häufig dynamische Ästhetik. Zu Gruppen arrangiert werden aus den abstrakten Formen wie etwa den „Squeezers“ oder den „Vertical Highways“ Figuren, die miteinander kommunizieren und interagieren. Ihren ursprünglichen Zweck, die Ordnung im öffentlichen Raum herzustellen, verlassen die industriell hergestellten Elemente und werden zu Individuen, die den Ausstellungsraum beleben.

20 Straßenpfosten

Das richtige Ambiente erhalten die Pousttchi-Arbeiten dank ausreichendem Platz und hervorragender Licht-Architektur im Neubau des Museums. 20 ehemalige Straßenpfosten/Leitplanken stehen hier an der Weggabelung als Gruppe dicht nebeneinander. Sie sind anthrazitfarben und pulverbeschichtet, also zum einen farblich bearbeitet und verändert. Und zum anderen sind sie gebogen und scheinen sich aneinander zu schmiegen oder sich voreinander zu verneigen. Fast vergisst man, dass sie aus Metall sind. Sie wirken eher weich und gummiartig. Fast wie Lebewesen, die miteinander sprechen. Mit ihren großzügigen weißen Wänden der Meier-Bau zudem einen idealen Rahmen für die Werkgruppe der „Frameworks“, mehrteilige Reliefs mit orientalisch anmutenden quadratischen Elementen aus gebranntem und glasiertem Ton. Diese Wandarbeiten werden ergänzt durch die jüngst entstandene Serie der Directions, die als „Cut-out-Objekte“ aus geschnittenem und farbig beschichtetem Stahl „schwebend“ auf der Wand montiert werden.

Die Künstlerin Bettina Pousttchi auf ihrer „Spielfläche“ (Betonplatte mit Straßenpfosten) unterhalb der Unkelsteinbrücke in Oberwinter.
Foto: Peter Köster

Demgegenüber bestimmen Fahrbahnen mit Markierungen ihre Fotoserie „Drive Thru“. Dieser lag die Installation „Drive Thru Museum“ im „Nasher Sculpture Center“ Dallas 2014 zugrunde, bei der die Künstlerin ihre eigenen Arbeiten im Dialog mit der Sammlung des Museums in ungewöhnlicher Weise neu präsentierte, unter anderem auch die Skulptur „Torso“ mit Knospen von Hans Arp. Das so entstandene Foto lädt nun im Arp Museum dazu ein, dem dynamischen Rhythmus von Bettina Pousttchis richtungsweisenden Werken zu folgen.

Arbeiten im Außenbereich

Pousttchis Werk ist aber nicht nur auf Innenräume beschränkt. Mit Vorliebe  „bearbeitet“ sie auch Außenbereiche. Davon zeugt nicht zuletzt ihre jüngste Arbeit „Marianne“ (2015) aus der Reihe der „Squeezers. Mit dieser Installation vervollständigt sie im übrigen als letzte künstlerische Position das Skulpturenufer Remagen. „Marianne“ wurde im Zuge der Ausstellung unterhalb der Unkelsteinbrücke in Oberwinter aufgestellt und verbleibt dort dauerhaft.

Das Projekt des Arp Museums in Kooperation mit der Stadt Remagen wurde im Jahr 2001 ins Leben gerufen und wird nun, rund 20 Jahre später, beendet.

Kunstwerke beim zweiten Hinschauen 

Mit „Marianne“ folgt Bettina Pousttchi dem Grundgedanken des Skulpturenufers Remagen, die Skulpturen auf den ersten Blick als etwas Alltägliches wahrzunehmen und sie erst beim zweiten Hinschauen als Kunstwerke zu identifizieren. Diese Irritation wird nochmals verstärkt, indem alltägliche Objekte des Stadtraums – in diesem Fall Straßenpfosten, die zur Sicherung und Markierung von Verkehrswegen dienen, sich dem Betrachter nun als „deformierte“ Skulpturengruppen zeigen, die Opfer externer Kräfte geworden zu sein scheinen. Und dennoch offenbaren sich die „Skulptureninseln“ letztlich als lebendig angeordnete skulpturale Werke, die sich aus ihrer Erstarrung lösen und ihre neue Heimstätte nun spielerisch besetzen und beleben. Für das Areal in unmittelbarer Nähe zur Unkelsteinbrücke (Rheinkilometer 636.4, Remagen-Oberwinter) hat Bettina Pousttchi mit „Marianne“ eine Installation aus fünf Skulpturen realisiert, die mit einer Größe von ca. 83 x 60 x 50 Zentimetern jeweils aus zwei bis drei Einzelelementen bestehen. Als eine Art „Spielfläche“ nutzt die Künstlerin eine ca. 6 x 15 Meter groß angelegte Betonplatte, die eigens für die Skulpturengruppe entwickelt wurde, um dort die „Skulpturen-Formationen“ rhythmisch einer Choreografie folgen zu lassen. Peter Köster

Wirkt geradezu tänzerisch: Sich eng aneinanderschmiegende „Leitplanken“.
Foto: Peter Köster