„Augenlust Niederländische Stillleben im Detail“: Landesmuseum Bonn beschert Kunst des 17. Jahrhunderts

Diese Schautafel zeigt Fischer mit ihrem Fang. Foto: Peter Köster

Die Niederlande ist zu Gast im Landesmuseum Bonn. „Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“ lautet der Titel der Ausstellung, die das Bonner Haus bis zum 19. Februar 2023 präsentiert. In 14 Kabinetten wird jeweils ein zentrales Stillleben aus den Niederlanden des 17. Jahrhunderts gezeigt.

„Griff ins Gemälde“

„Die Malerei hat viele Genres hervorgebracht. Das Stillleben ist eines davon“, sagt Museumsdirektor Prof. Dr. Thorsten Valk. „Wir feiern hier das Stillleben und seine Lebenskultur.“ Funkelnde Gläser und feinstes Porzellan, saftige Früchte und exotische Gewürze: In niederländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts kann das Auge lustvoll umherschweifen und zahlreiche Kostbarkeiten entdecken. Die malerische Wiedergabe der verschiedenen Gegenstände ist oftmals von einer solchen Perfektion, dass man die realen Objekte vor sich zu sehen glaubt. Man ist geradezu versucht, in das Gemälde hineinzugreifen.

Unvorstellbare Blütezeit

Im 17. Jahrhundert waren die Niederlande eines der weltweit fortschrittlichsten Länder. Während Handelsgesellschaften als Global Player die internationalen Märkte eroberten, revolutionierten Wissenschaftler das Bild von der Wirklichkeit, indem sie Fernrohre und Mikroskope erfanden. Gleichzeitig erlebten die Künste und der Kunsthandel eine zuvor unvorstellbare Blütezeit. Von diesen Entwicklungen und Errungenschaften erzählen die Stillleben. Zugleich gewähren sie einen Blick auf die Schattenseiten des wirtschaftlichen und technischen Booms, schließlich mussten die kostbaren Objekte, die in den Kunstwerken arrangiert wurden, erst hergestellt, erworben oder importiert werden. Ohne harte Arbeit, koloniale Ausbeutung und unfaire Ressourcenverteilung war der Luxus, von dem die Bilder zeugen, nicht zu erreichen. Als „slow exhibition“ konzipiert, werden in der Ausstellung neben 14 Gemälden weitere Objekte wie Globen, Bücher und venezianische Gläser gezeigt. Luxusobjekte und Alltagsgegenstände, die zum Teil noch nie außerhalb der Niederlande zu sehen waren, erzählen vom Leben in dieser Epoche.

Selbstbewusste Künstlerinnen versuchten eigene Akzente zu setzen. Mittig das Gemälde von Clara Peters. Foto: Peter Köster

Rund 70. 000 Bilder

Die Ausstellung „Augenlust. Niederländische Stillleben im Detail“ zeigt nicht nur die Qualität der Künstlerinnen und Künstler, sondern eröffnet zugleich einen neuen, aufschlussreichen Blick auf die Schicksale hinter den Bildern. Während des 17. Jahrhundert entstanden in den Niederlanden so viele Gemälde wie nie zuvor und nie danach. „Manche Quellen sprechen jährlich von 70.000 Bildern, sagt Kuratorin Dr. Alexandra Käss und ihr Kollege Jan-David Menzel ergänzt: „Eine derart umfangreiche Produktion war nur möglich, weil sich viele Künstlerinnen und Künstler auf spezifische Bildsujets festlegten und somit zahlreiche Werke von gleichbleibend hoher Qualität zu schaffen vermochten.“ Für jeden Geschmack, jeden Zweck und jedes Portemonaie war etwas dabei: stolze Porträts, fröhliche Gesellschaften und stille Interieurs, beeindruckende Landschaften und detailverliebte Stillleben. Gemälde unterschiedlichster Qualität sind allgegenwärtig: nicht nur in den Häusern der reichen Handelsherren, sondern auch bei Handwerkern und sogar in Bauernstuben. Manche besaßen sogar bis zu vier Bildern, so Alexandra Käss. .

Blumenmalerin

Obwohl die Malerei männlich dominiert ist, gibt es zahlreiche Künstlerinnen. Sie müssen sich allerdings aufgrund von Beschränkungen in der Ausbildung auf bestimmte Bereiche spezialisieren, zu denen auch Stillleben gehören. Vor allem Töchter wohlhabender Familien brillieren mit außergewöhnlichen Fertigkeiten: Die Künstlerin Johanna Koerten etwa genießt durch ihre meisterhaften Scherenschnitte höchstes Ansehen. Auch die kunstvollen Glasgravuren von Anna Roemers Visscher werden überaus geschätzt und bewundert. Die meisten künstlerisch aktiven Frauen arbeiten jedoch anonym im Hintergrund, in den Werkstätten ihrer männlichen Verwandten. So beginnt auch die berühmte Malerin und Naturforscherin Maria Sibylla Merian ihre Karriere als Blumenmalerin in der Werkstatt ihres Stiefvaters.

Die Ausstellung „Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“ entstand in enger Kooperation mit der bedeutenden Sammlung der Universität Amsterdam sowie in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit Prof. Birgit Ulrike Münch vom Kunsthistorischen Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Münch forscht seit langem über die niederländische Kunst. Peter Köster

Teil der Ausstellung ist dieser Geldkarren der Amsterdamer Wisselbank.
Foto: Peter Köster