Martin Gropius Bau steht 2023 ganz im Zeichen des Indischen Ozeans

Daniel Boyd: Untitled (MLBATS), 202, © Kukje Gallery. Foto: Chunho An

Berlin. Der Martin Gropius Bau Berlin informiert über das neue Ausstellungsjahr. Zentrale Themen sind politische Selbstbestimmung, die Instabilität von Kategorien sowie Geschichten und Narrative des Indischen Ozeans als Bindeglied zwischen Afrika und Asien.

Politik des Atems

„Mit dem Programm für das Jahr 2023 zeigt der Gropius Bau vielschichtige interdisziplinäre Arbeiten, die uns herausfordern, wichtige gesellschaftliche Themen neu zu denken, in diesem Fall Formen der Selbstermächtigung, historische Wege kultureller Migration und die Politik des Atems und des Körpers“, sagt der Intendant der Berliner Festspiele, Matthias Pees. Das Programm rege zum Nachdenken an und ziele darauf ab, verschiedene Berliner Communitys anzusprechen, die hinsichtlich ihres Alters, ihrer Interessen und ihrer Identitäten sehr unterschiedlich seien.

Geschichte Australiens

Den Auftakt macht Daniel Boyd. Seine Ausstellung, die vom 24. März bis zum 9. Juli gezeigt wird, trägt den Titel: „Rainbow Serpent“. Die Schau ist die  bisher umfassendste Präsentation von Daniel Boyds Schaffen in Europa. Sie gibt einen Überblick über Boyds künstlerische Praxis, die sich der kolonialen Erzählung der Geschichte Australiens widersetzt und Indigene Wissensproduktion, transnationale Netzwerke des Widerstands sowie persönliche Familiengeschichten miteinander verwebt. Diese reflektiert Boyd in „Rainbow Serpent“ (Version) auch im Hinblick auf den Kontext und die Architektur des Gropius Bau. Die nichtlineare Anordnung von „Rainbow Serpent“ (Version) unterstreicht Boyds Interesse daran, wie sich Erzählungen kontinuierlich durch Zeit und Raum bewegen. In enger Anlehnung an das Denken Édouard Glissants widersetzt sich der Künstler jeder Form von Kategorisierung, wie sie die koloniale Gewalt mit ihrer kulturellen Vereinheitlichung kennzeichnet. Integraler Bestandteil der Ausstellung ist ein Veranstaltungsprogramm, das sich wie ein Theaterstück auf der Bodeninstallation Lichthof entfalten wird.

Denkerinnen und Denker

Die Geschichten und Narrative des Indischen Ozeans sind der Ausgangspunkt der Gruppenausstellung Indigo Waves and Other Stories. Re-Navigating the Afrasian Sea and Notions of Diaspora (7. April bis 13. August). Sie bringt das Schaffen verschiedener zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler,  Musikerinnen und Musiker, Schriftstellerinnen und Schriftsteller und Denkerinnen und Denker zusammen, um historische, kulturelle und sprachliche Verbindungen zwischen den Kontinenten Afrika und Asien zu entfalten und näher zu beleuchten. Der Indische Ozean gilt als ältestes Kontinuum der Menschheitsgeschichte. In mehreren Kapiteln nähert sich die Ausstellung diesem Ozean als gemeinsamem Horizont an, von dem aus die afrasischen (also sowohl zu Afrika als auch zu Asien gehörenden) Geschichten von erzwungenen und freiwilligen Bewegungen durch die Ströme kultureller Verbindungen, von Handelskontakten und Kolonialherrschaft gelesen werden können.

Humor und Satire

Es folgt vom 22. September bis 14. Januar 2024 die Retrospektive der Künstlergruppe „General Idea“. Diese forderte die Kunstwelt, aber auch die Gesellschaft im Allgemeinen heraus – und übt mit ihrem wegweisenden, 25 Jahre umfassenden Schaffen bis heute bleibenden Einfluss aus. In der bisher größten Retrospektive des Trios zeigt der Gropius Bau mehr als 200 Arbeiten aus den späten 1960er bis frühen 1990er Jahren. Die 1969 in Toronto gegründete Gruppe, bestehend aus Felix Partz (1945–1994), Jorge Zontal (1944–1994) und AA Bronson (geboren 1946), hinterfragte die Produktion, Verbreitung und den Konsum von Bildern durch eine Vielzahl von Medien. Dabei nutzte „General Idea“ häufig Humor und satirische Strategien, um den Blick auf verschiedene Aspekte von Konsumkultur, Massenmedien, sozialen Ungleichheiten, queerer Identität, Kunstwirtschaft und der AIDS-Krise zu lenken. Die Ausstellung versammelt Installationen, Publikationen, Videos, Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen sowie Archivmaterial und gewährt einen Überblick über die Entwicklung von „General Idea“. pk