Von der Heydt Museum zeigt u.a. fotografisches Jahresprogramm – und lädt ein zur museumseigenen Sammlung

Robert Indiana, Four, 1964, Von der Heydt-Museum Wuppertal © VG Bild-Kunst, Bonn 2021Robert Indiana, Four, 1964, Von der Heydt-Museum Wuppertal © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Wuppertal. „Freundschaftsanfrage No1“ (27. Februar bis 10. Juli) heißt die erste Ausstellung des Jahres 2022 im Von der Heydt Museum. Mit einer Präsentation, die Arbeiten der zurückliegenden zwei Jahrzehnte des Fotografen Hans-Christian Schink (geb. 1961 in Erfurt) mit Hauptwerken aus der Sammlung zur Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert zusammenführt, eröffnet das Wuppertaler Museum zugleich eine Ausstellungsreihe, in der renommierte zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler eingeladen werden, sich mit den reichhaltigen Beständen des Hauses auseinanderzusetzen.

Landschaft als Schwerpunkt

Schinks Werk beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Landschaft als Resultat der Interferenzen von Natur und gestaltetem Raum – ein geschichtsträchtiges Genre, dessen Konventionen und Codes er gleichermaßen bestätigt wie hinterfragt. Den Pionieren der Moderne wie Caspar David Friedrich, Carl Blechen, Alfred Sisley, Paul Cézanne und Vincent van Gogh stellt Schink ausgewählte fotografische Arbeiten gegenüber. Eine herausragende Rolle wird dabei die von 2013 bis 2019 entstandene Reihe „Hinterland“ spielen, in der der Fotokünstler  mit ebenso viel Sachlichkeit wie Sensibilität die Landschaften Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs erkundet.

Zero, Pop und Minimal

Die 1960er Jahre waren ein Jahrzehnt der Revolte: Künstler und Künstlerinnen politisierten sich und setzten mit ihren Werken provokative Statements. Die 1960er und 70er Jahre waren in der Kunst auch eine besonders produktive und innovative Phase. Mit „Zero, Pop und Minimal – Die 1960er und 1970er Jahre“ lenkt das Von der Heydt_Museum programmatisch den Blick auf die eigene Sammlung und die eigene Geschichte in einem besonders fruchtbaren Moment. Die Schau beleuchtet spannende Aspekte und Strömungen einer Epoche, die in den zurückliegenden Jahrzehnten im Museum höchstens in kleinen Ausschnitten gezeigt wurden, die aber bis heute einen großen Einfluss auf das aktuelle Kunstgeschehen hat: Neben Pop, Zero und Minimal sind hier Konzept Kunst, Kunst im öffentlichen Raum, Performances sowie die Fotografie, die in dieser Zeit „salonfähig“ wurde, zu nennen.

Hans-Christian Schink, Zwischen Lemmersdorf und Kleisthöhe, 2016 aus der Serie „Hinterland“ © Hans-Christian Schink

Hochrangige Werke

Die Protagonisten dieser Zeit waren lokale, aber auch internationale Künstler, die damals im hiesigen Museum noch ohne den Nimbus des „abgesicherten Werts“ dem Publikum vorgestellt wurden. Erst der ab Ende der 1960er Jahre sich formierende Kunstmarkt machte Namen wie Gerhard Richter, Nicolas Schöffer, George Segal, die alle seit den 1960er Jahren als frühe Ankäufe in der Wuppertaler Museumssammlung vertreten sind, weltbekannt. Die Ausstellung, die vom 10. April bis zum Juli 2023) gezeigt wird, lädt ein zu einer Begegnung mit hochrangigen Werken international renommierter Künstler und ermöglicht zugleich die Wiederentdeckung zahlreicher weniger bekannter Positionen.

Dem Von der Heydt-Museum Wuppertal ist es 2020 gelungen, ein umfangreiches Werkkonvolut von Jankel Adler (1895 nahe Łódź, Polen – 1949 in England) zu erwerben. Die 548 Grafiken und vier Gemälde konnten mithilfe der Von der Heydt-Stiftung, des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nord-rhein-Westfalen, der Kulturstiftung der Länder sowie mit einer Spende angekauft werden. Das Konvolut stammt überwiegend aus dem Nachlass des polnisch-jüdischen Künstlers.

Künstlervereiniguing  „Junges Rheinland“

Der Erwerb von Arbeiten ist für das Von der Heydt-Museum von besonderer Bedeutung. Sie etabliert in der Sammlung einen neuen Schwerpunkt und verstärkt die Kompetenzen des Hauses bei der Dokumentation der Künstlervereinigung „Junges Rheinland“. Das Von der Heydt-Museum verfügt bereits über einen wertvollen Bestand zu Jankel Adler. 2018 würdigte eine umfassende Retrospektive bereits Adlers Schaffen und stellte sein Œuvre in den Kontext seiner Künstlerfreunde, Weggefährten und Vorbilder. Die neue Ausstellung „Metamorphosen des Körpers“ (Laufzeit: 8. Mai bis 28. August) rückt erstmals überhaupt in Deutschland Adlers grafisches Werk ins Zentrum und setzt es in Beziehung zu Arbeiten aus der Sammlung des Museums. Sie wirft gezielt den Blick auf die Frage des Menschenbildes in der Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und stellt Adlers Werken ausgewählte Arbeiten seiner Zeitgenossen wie Pablo Picasso, Paul Klee, Willi Baumeister oder Max Beckmann gegenüber.

Paula Modersohn-Becker, Mädchenbildnis mit gespreizter Hand vor der Brust, 1905, Von der Heydt-Museum Wuppertal

(Selbst-)Darstellung in der Kunst

Ein besonderes Highlight des Ausstellungsjahres verspricht die Präsentation „Fremde sind wir uns selbst: (Selbst-)Bildnisse von Modersohn-Becker bis Muholi“ zu werden. Die Ausstellung, die vom 21. August bis 29. Januar 2023 gezeigt wird, widmet sich der Selbst-)Darstellung in der Kunst vom späten 19. Jahrhundert bis heute. Im Besonderen geht es darum, wie sich gesellschaftliche und soziale Codierungen in Bilder vom Menschen einschreiben und wie sie wirken – historisch und gegenwärtig. Die Ausstellung will jene Ambivalenzen, Spielräume und Irritationen zeigen, die zwischen den Darstellungen von Subjektivität und den gesellschaftlich etablierten Rollenmustern und Konventionen zu finden sind. Die ausgestellten Werke sind Schauplätze, in denen Selbst- und Fremd-Darstellung inszeniert und zur Anschauung gebracht werden. Neben Gemälden von Oskar Kokoschka, Emmy Klinker, Maria Blanchard, Ferdinand Hodler, Francis Bacon und Paula Modersohn-Becker werden einige eindrückliche fotografische Selbstporträts von Zanele Muholi (*1972, Umlazi, Südafrika),  Klaus Rinke, Tobias Zielony gezeigt.

Fotografie und Impressionismus

Das 19. Jahrhundert erschloss sich neue künstlerische Zugänge zur Natur. Die Maler des Impressionismus studierten die verschiedenen Lichtsituationen, Jahreszeiten und Witterungsverhältnisse. Mit ihren Bildern des ländlichen Frankreichs, mit Küsten- und Meeresdarstellungen sowie mit Szenen aus der Metropole Paris entwickelten sie eine neue visuelle Sprache und etablierten einen neuen Kanon von Themen. Gleichzeitig wandten sich die Pioniere des neuen Mediums Fotografie denselben Motiven zu. Spätestens seit den 1850er Jahren standen Maler und Fotografen in regem Austausch untereinander und befruchteten sich gegenseitig. Diese Wechselwirkungen von Fotografie und Malerei im 19. Jahrhundert untersucht die Ausstellung „Eine neue Kunst. Fotografie und Impressionismus“ (Dauer: 2. Oktober bis zum 8. Januar 2023) anhand von zahlreichen wertvollen Aufnahmen und ausgewählten mit Fotografien illustrierten Publikationen aus öffentlichen und privaten Sammlungen aus Deutschland, Österreich und Frankreich. Den historischen Fotografien werden zentrale Werke aus der Sammlung des Museums etwa von Monet, Pissarro, Renoir und Sisley gegenübergestellt, die teils schon seit der Gründungsphase zum festen Bestand des Museums gehören. Realisiert wird die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Museum Barberini in Potsdam (dort zu sehen 12. Februar bis 8. Mai 2022). pk