Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für Mary Bauermeister

Mary Bauermeister mit ihren berühmten sizilianischen Gewändern. Teile ihrer Ausstellung in der Villa Zanders. Foto: Peter Köster

Rösrath/Düsseldorf. Im Juni letzten Jahres erhielt die bildende Künstlerin Mary Bauermeister für ihr langjähriges künstlerisches Wirken das Bundesverdienstkreuz und ca. eineinhalb Jahre später folgt für die 87-Jährige die nächste große Auszeichnung. Für ihr Lebenswerk erhält Mary Bauermeister den mit 25.000 Euro dotierten Kunstpreis NRW.

Die in Rösrath bei Köln lebende Künstlerin erhält die neue zentrale Landesauszeichnung für ihr „herausragendes künstlerisches Gesamtwerk“, wie es in einem einstimmigen Beschluss der Jury heißt. „Das Werk von Mary Bauermeister hat über den rheinischen und deutschen Kontext hinaus Weltgeltung erlangt. Sie hat Kunst und Leben immer miteinander verbunden und in ihrer künstlerischen Praxis transdisziplinär gearbeitet, lange bevor dies zu einer theoretischen Kategorie der Kunst wurde. Hoch engagiert in der Förderung des künstlerischen Nachwuchses ist Mary Bauermeister inzwischen das, was man einen ‚artist’s artist‘ nennt: Eine Künstlerin, die nachfolgende Generationen von Künstlerinnen und Künstlern prägt und inspiriert“.

Legendäre Lindgasse 28 in Köln

Nach dem Studium an der Hochschule für Gestaltung in Ulm und der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken ließ sich die gebürtige Frankfurterin Mitte der 1950er Jahre in Köln in der Lindgasse 28 nieder, wo sie eine Dachgeschoss-Wohnung bezog. Was sich dort abspielte ist bis heute legendär. Bauermeisters Kulturprogramm im Dachstübchen war in Gänze nichts anderes als eine der ersten Fluxus-Veranstaltungen im nachkriegsdeutschen Kunstmilieu. Ein für viele Kunstfreunde verwirrendes Zusammenfließen von Musik, Tanz, Bildender Kunst, Theater und Lyrik zu einer neuen intermedialen Kunstrichtung, die als „Neo-Dada“ oder eben als Prä-Fluxus katalogisiert wurde.

Hier zeigt die „Grand Dame des Fluxus“ eine ihrer berühmten Linsenarbeiten. Foto: Peter Köster

Eine kunterbunte Truppe

Der amerikanische Komponist und Künstler John Cage (1912-1992) kam zu Besuch und zelebrierte unkonventionell seine Neue Improvisationsmusik. Der Videopionier Nam June Paik zog dort erste Performances auf, ehe er es zu Weltruhm brachte, auch der Philosoph und Musiktheoretiker Theodor W. Adorno kam von Frankfurt rüber zum Musikhören. Und alle in der kunterbunten Truppe halfen auf dem bescheidenen Matratzenlager der Hausherrin, so wird kolportiert, dem späteren „großen Verhüller“ Christo beim Verpacken für eine seiner ersten Ausstellungen. Zu den Fluxus-Kollegen in Köln gehörten damals unter anderen Bauermeisters späterer Ehemann, der Komponist Karlheinz Stockhausen wie auch Joseph Beuys, Wolf Vostell, der US-Musiker Ben Patterson und die Zero-Gruppe aus Düsseldorf.

Arbeiten u.a. im MoMA New York

Nach einer Einzelausstellung im Stedelijk Museum Amsterdam im Jahr 1962 zog Bauermeister nach New York, wo sie als eine der ersten Künstlerinnen vom Kunstmarkt akzeptiert und gefeiert wurde. Eine Wertschätzung, die ihr in den USA deutlich früher als in Deutschland zuteil wurde. Ihr Œuvre umfasst neben Zeichnungen und Gemälden vor allem Objektbilder und Installationen sowie Landschaftsgestaltungen. Bauermeister ist besonders für ihre Zeichnungen bekannt, die sie mit Papier- und Fotocollagen, Glaslinsen und textlichen Bestandteilen erweitert und das zweidimensionale Medium in den Raum entwickelt. Thematisch kreist ihr Schaffen um die Felder Kunst, Poesie, Natur, Musik, Mathematik, Esoterik und Wissenschaft – stets im Verbund mit gesellschaftlichen und politischen Diskursen. Ihre Arbeiten sind unter anderem im Besitz des Museum of Modern Art, des Whitney Museum, des Guggenheim Museum (alle in New York), des Hirshhorn Museum in Washington, des Stedelijk Museum und des Museum Ludwig in Köln.

(v.l.) Im Kunstaustausch Horst-Olaf Schmidt, Mary Bauermeister und Peter Köster. Foto: Privat

Revolutionäre Linsenkästen

Bis heute unerschöpflich agiert die charismatische Künstlerin im sogenannten „Glashaus“ in Forsbach (Rösrath). In ihrem Atelierhaus, das sie seinerzeit selbst mitgestaltete, malt und gestaltet Mary Bauermeister Kunstwerke mit Linsen, Lupen und Prismen. Mit ihren Relief- und Materialbildern, vor allem ihren  Linsenkästen gelang ihr schon 1964 der Durchbruch auf dem New Yorker Kunstmarkt. Die Linsenkästen waren revolutionär. Offene weiße Boxen, gefüllt mit Fundstücken aus der Natur, mit spiegelndem Glas, Lupen, Linsen und Prismen vor feinen Tuschezeichnungen und Textfragmenten. Kleine Mikrokosmen, die Sammler, Kuratoren und Museumsbesucher verzauberten.        New York wurde für Bauermeister zu einer einzigen Erfolgsgeschichte. Sie verkehrte in den angesagtesten Künstlerkreisen von Pop-Art und Fluxus, blieb mit Stockhausen dort rund zehn Jahre und pflegte Freundschaften mit Jean Tinguely), Niki de Saint Phalle, Robert Rauschenberg oder Jasper Johns.

Höchste Anerkennung in Kunstkreisen

Bis heute genießt Mary Bauermeister in Kunstkreisen höchste Anerkennung. So hat sie erst unlängst der Remscheider Künstler H.O. Schmidt mit einem besonderen Projekt geehrt. Titel: „Hommage a Mary B“. Damit huldigte Schmidt der großen alten Prä-Fluxus Pionierin. Weitere bedeutsame und wegweisende Ausstellungen fanden unter anderem statt im Kunstmuseum Solingen, Museum Ludwig Köln, Museum Villa Zanders Bergisch-Gladbach, Frauenmuseum Bonn. Nicht zu vergessen die Doppelausstellung im Mittelrhein-Museum Koblenz und der Galerie „Bassi“ in Remagen. Peter Köster

Signierstunde mit Mary Bauermeister. Foto: Peter Köster