Kengo Kuma zeigt beeindruckende Architektur in der Bundeskunsthalle

Modell vom Olympiastadion in Tokio 2020. Foto. Peter Köster

Die Ausstellung „Kengo Kuma Onomatopoeia Architecture“ (08. März bis 01. September) in der Bundeskunsthalle präsentiert rund zwei Dutzend Modelle einiger der bedeutendsten Gebäude des japanischen Architekten Kengo Kuma.  Die Werkschau ist eine Übernahme aus dem Palazzo „Cavalli-Franchetti“, in Venedig, die anlässlich der Architekturbiennale in der Lagunenstadt 2023 entwickelt worden ist.

Mensch und Material

Im Mittelpunkt der von Eva Kraus, Intendantin der Bundeskunsthalle, kuratierten Ausstellung steht der Dialog zwischen Mensch und Material und dem damit verbundenen Rückgriff des Architekten auf die Onomatopoesie. Onomatopoeia, zu deutsch „Lautmalerei“, ist eine ebenso mimetische wie produktive Kunst. Für Kengo Kuma bedeutet das, Architekten und Nutzer gleichberechtigt nebeneinander zu stellen. „Die Architekten“, so sagt er, „stehen nicht an der Spitze der Architektur, sondern gehen mit den Nutzern in der Architektur umher. Onomatopoeia behandelt die Architektur nicht als Gegenstand von Operationen übergeordneter Akteure (Architekten), sondern behandelt Architektur und Menschen auf derselben Ebene.

Onomatopoesie

Die Onomatopoesie ist eine Art tierähnliche Stimme, die auf einer physischen und erfahrbaren Ebene ausgestrahlt wird.“ In diesem Dialog verwendet Kuma nicht oft eine von der Logik beeinflusste Sprache. „Wenn ich sie verwende, ist es unmöglich, dass die Leute mich verstehen. Deshalb verwende ich immer Onomatopoesie.“ Das Material und der Körper sprechen miteinander, und sie schwingen mit, wenn sie diese ursprüngliche Sprache verwenden.  Im Japanischen bestehen Worte oft aus doppelten Silben, deren Verdoppelung wiederum die Sprache zum klingen bringt. Diese Strategie nutzt Kengo Kuma für die Auswahl seiner Materialien und deren Strukturen, aus denen er ganze Gebäude errichtet. Dabei lässt er sich weniger von rationellen Entscheidungen leiten, sondern arbeitet aus der Substanz des Materials heraus. Ausgehend von der Onomatopoesie verleiht Kuma einer physischen Empfindung eine Form, die seine Vorstellung von nachhaltiger Architektur zum Ausdruck bringt, in der Materialien wiederverwendet und Menschen und physische Dinge wieder miteinander verbunden werden.

Bild 2 Holzskulptur
Holzskulptur: „Albero Della Barca“. Foto. Peter Köster

Japanische Traditionen

Für seine Projekte greift Kengo Kuma auf japanische Traditionen und die von ihm bevorzugten Materialien, Holz, Bambus, Papier und Metall zurück und wendet sie auf seine eigene, einzigartige und zeitgenössische Weise an. In seiner Vision sprechen die Oberflächen nicht nur den Sehsinn an, sondern auch den Geruchs- und Tastsinn. Die Bonner Ausstellung zeigt Modelle einiger seiner bedeutendsten Gebäude, die das Publikum dazu anregen, den Klang der verschiedenen Materialien zu entdecken, darunter ein temporärer fünf Meter hoher Pavillon aus Aluminium und experimentelle Installation, eine filigrane Holzskulptur, die die Lautmalereien „tsun tsun“ und „zure zure“ zum Ausdruck bringen soll.

Olympiastadion in Tokio

Ein sehr schönes Beispiel liefert das von Kengo Kuma entworfene Olympiastadion in Tokio, das 2020 ohne Öffentlichkeit während der Pandemie eröffnet wurde. Das Bauwerk verschmilzt mit dem sie umgebenden Wald, als ob es an diesem Ort verwurzelt wäre. Die breiten Auskragungen in den verschiedenen Rängen Arena bieten Schutz vor Sonne und Regen und bilden Bereiche mit Halbschatten von unterschiedlicher Struktur, was sowohl durch die Beschaffenheit der hölzernen Stabverkleidung als auch durch die lebendige und sich stets verändernde hängende Begrünung erzielt wird. Die architektonische Struktur und der Verlauf der Auskragungen erinnern an eine alte Pagode und verkörpern perfekt den Begriff Onomatopoeia.

Bild 3 Baumwollskulptur
Baumwollskulptur: „Funya Funya“. Foto: Peter Köster

Nachhaltigkeit

In seiner Architektur setzt Kengo Kuma auf Nachhaltigkeit, indem er alte japanische Traditionen aufgreift. Die Essenz von Kumas Ansatz liegt in seiner Verwendung natürlicher, lokal vorhandener Materialien, die so kombiniert werden, dass offene Räume entstehen, die mit dem natürlichen Licht, der ersten, universellen Ressource spielen. Die Herangehensweise an einen neuen Entwurf muss offen und vielstimmig sein, die Struktur im Einklang mit dem menschlichen Körper stehen. Das Ganze soll Helligkeit und Frieden ausstrahlen, das Licht muss durch das Gebäude gefiltert werden. Diese Prinzipien sind das Gegenteil von denen des Betonbaus. Beton verwendet Kengo Kuma nur sehr sparsam und auch nur da, wo er zwingend erforderlich ist.

Mittler für Seh-,Tast- oder Geruchssinn

„Kuma versucht die Orte seiner Projekte zu verstehen und eine Architektur zu schaffen, die sowohl offen für ihre Umgebung als auch in dem Ort und seiner Geschichte verwurzelt ist“, sagt Eva Kraus, die für diese Ausstellung ein paar Mal in Japan war und dort Kumas besondere Baupraktiken studieren durfte. „Bevor er einen Skizze oder ein  Modell anfertigt, nimmt er den jeweiligen Ort eingehend unter die Lupe.“ Kumas Herangehensweise an Projekte ist oft taktil, sensorisch und sogar sinnlich. Seine Sensibilität bezieht auch Fluss und Rhythmus mit ein, typische Elemente der Musik. Kraus: „Kumas Gebäude haben oft eine unerwartete Leichtigkeit oder eine Art von Bewegung, die er auf sein eigenes musikalisches Konzept zurückführt.“ Dadurch, dass Kuma Beton so weit wie möglich vermeidet, scheinen seine Gebäude leicht auf dem Boden zu ruhen. Kuma bezeichnet sich selbst als „Materialist“ im physikalischen Sinne des Wortes. Seine Architektur soll über physische Empfindungen erfahrbar werden. Materialien wie Holz, Papier oder Metall sieht er als Mittler für Seh-, Tast- oder Geruchssinn.

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Aluminium-Skulptur: „Lagunenwelle“. Foto: Peter Köster

1954 in Yokohama geboren

 Kengo Kuma wurde 1954 in Yokohama geboren. Inspiriert von Kenzo Tanges Yoyogi National Gymnasium, das für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio gebaut wurde, beschloss er schon in jungen Jahren, sich der Architektur zu widmen, und nahm später ein Architekturstudium an der Universität Tokio auf, wo er bei Hiroshi Hara und Yoshichika Uchida studierte. Während seines Studiums unternahm er eine Forschungsreise durch die Sahara, bei der er verschiedene Dörfer und Siedlungen erkundete und dabei ihre einzigartige Kraft und Schönheit kennlernte. Nach seiner Zeit als „Visting Scholar“ an der Columbia University in New York gründete er 1990 sein Büro in Tokio, 2008 das in Paris. Seitdem haben Kengo Kuma & Associates Bauwerke in mehr als 20 Ländern entworfen und prestigeträchtige Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Architectural Institute of Japan Award, den Spirit of Nature Wood Architecture Award (Finnland) und den International Stone Architecture Award (Italien). Kengo Kuma) hat weltweit gebaut, seine Gebäude stehen in Japan, aber auch in ganz Europa, in den Vereinigten Staaten, in China und Australien.

Zerbrechlichkeit und Transparenz bestimmen die Architektur Kengo Kumas.  Eine lockere Durchdringung natürlicher Elemente in einem harmonischen Gleichgewicht aus Publikum, Architektur und Natur.

Peter Köster