Jahresprogramm im Städel Frankfurt:

Pierre-Auguste Renoir (1841–1919) Ruderer bei Chatou, 1879 Öl auf Leinwand 81,2 × 100,2 cm National Gallery of Art, Washington, D.C., Gift of Sam A. Lewisohn Foto: Courtesy National Gallery of Art, Washington

Von Renoir über Gartenkunst, Ottilie W. Roederstein, Sammlungsbestand, Kupferstich bis zum italienischen Barockmaler Guido Reni

Frankfurt/Main. Das neue Ausstellungsjahr im Städel-Museum beginnt mit einer großen Schau über Pierre-Auguste Renoir. Ab dem 2. März bis zum 19. Juni 2022 befasst sich das Frankfurter Haus in einer groß angelegten Sonderausstellung „Renoir. Rococo Revival“ erstmals intensiv mit den überraschenden Bezügen des Impressionisten zur Malerei des Rokokos.

Renaissance des Rokokos

Galt diese nach der Französischen Revolution als frivol und unmoralisch, so erlebte sie im 19. Jahrhundert eine Renaissance und war zu Lebzeiten Renoirs überaus präsent. Als Porzellanmaler ausgebildet, war er selbst bestens mit der Motivwelt von Künstlern wie Antoine Watteau, Jean-Baptiste Siméon Chardin, François Boucher und Jean-Honoré Fragonard vertraut, und teilt mit dem Spätbarock die Vorliebe für bestimmte Themen. „Renoir. Rococo Revival“ stellt die komplexe Rezeptionsgeschichte des Rokokos im 19. Jahrhundert in Frankreich umfassend vor. Durch treffende Gegenüberstellungen der Kunst Renoirs mit Werken des 18. Jahrhunderts sowie seiner Zeitgenossen – Edgar Degas, Édouard Manet, Claude Monet und Berthe Morisot – entsteht ein Überblick über die vielschichtige Auseinandersetzung mit dieser Epoche im Impressionismus.

Fotokünstler Andreas Mühe

Mit Andreas Mühe und Ugo Rondinone präsentiert das Städel-Museum 2022 zwei wichtige Künstler der Gegenwartskunst. Andreas Mühe zählt zu den bekanntesten Fotokünstlern in Deutschland. In seinen Fotografien befasst er sich mit soziologischen, historischen und politischen Themen, die er in besonderen Umgebungen mit dramatischem Licht unter großem Aufwand inszeniert. Es sind die Auseinandersetzungen mit Brüchen in der Gesellschaft, mit Gewalt, mit deutsch-deutscher Identität sowie die Befragung seiner selbst und der eigenen, komplexen Familiengeschichte, die sein Schaffen bestimmen. Das Städel-Museum präsentiert vom 16. Februar bis zum 19. Juni bekannte und unbekannte Werkzyklen aus dem Œuvre des Fotografen.

Ottilie W. Roederstein im Atelier der Städelschen Kunstschule, um 1894 Fotografie Roederstein-Jughenn-Archiv im Städel Museum, Frankfurt am Main Foto: Roederstein-Jughenn-Archiv im Städel Museum.

Sonderbare Landschaft

Es sind groteske Wesen, die das Publikum im Museumsgarten ab dem 24. Juni empfangen werden. Der Schweizer Künstler Ugo Rondinone verwandelt das Areal in eine sonderbare Landschaft. In der Werkgruppe „Sunrise. East“ ordnet Rondinone jedem Monat einen Kopf mit charakteristischen und gleichsam stark reduzierten Gesichtszügen zu. Überlebensgroß und in silbern glänzendem Aluminium gefasst, sind die klobigen Skulpturenköpfe auf ihre Mimik reduziert. Sie lösen die unterschiedlichsten Assoziationen aus, lassen an rituelle Masken und Geister, aber auch an die Bildsprache von Comics, Emoticons oder Memes denken.

Atelier in der Städelschule

Nach der pandemiebedingten Verschiebung ist vom 20. Juli bis zum 16. Oktober die umfassende Retrospektive über Ottilie W. Roederstein im Städel-Museum zu sehen. Roederstein gehörte zu den herausragenden Künstlerinnen der Zeit um 1900. Als freischaffende Porträtmalerin behauptete sie sich im männlich dominierten Kunstbetrieb und setzte sich selbstbewusst über die vorherrschenden gesellschaftlichen Normen hinweg. Ihr facettenreiches Werk spiegelt zahlreiche Tendenzen der Moderne wider: von der akademischen Kunst über Experimente mit der altmeisterlichen Temperamalerei bis hin zu impressionistischen, symbolistischen und neusachlichen Stilelementen. Das Schaffen Roedersteins ist von der Geschichte des Städel-Museums und der Stadt Frankfurt nicht zu trennen. Ihre eigenen Werke fanden schon zu Lebzeiten Eingang in die Städel-Sammlung und nur wenige Meter lagen zwischen ihrem Atelier in der Städelschule und dem Museum.

US-Künstler

Mit zwei Sonderausstellungen zeigt das Frankfurter Haus seinen reichen Bestand der grafischen Sammlung. Mit „Into the New. Menschsein: Von Pollock bis Bourgeois“ ist vom 6. April bis 17. Juli zeitgenössische US-amerikanische Kunst auf Papier zu sehen. Die rund 50 Druckgrafiken, Zeichnungen und Multiples umkreisen den Menschen in seiner Verfasstheit – ein so altes wie grundlegendes Thema, das nach dem Zweiten Weltkrieg viele Künstlerinnen und Künstler intensiv beschäftigte. Zu ihnen zählten u.a. Louise Bourgeois, Chuck Close, Jim Dine, Jasper Johns, Bruce Nauman, Jackson Pollock, Larry Rivers, Kiki Smith, Kara Walker. Sie verhandeln mit ihren künstlerischen Strategien immer auch die eigene menschliche Existenz.

Meister E. S. (ca. 1420/1425–ca. 1468) Die Kleine Madonna von Einsiedeln, 15. Jahrhundert Kupferstich, 135 x 90 mm Städel Museum, Frankfurt am Main Foto: Städel Museum

Kupferstich im Fokus

Vom 28. September 2022 bis zum 8. Januar 2023 steht im Städel-Museum der Kupferstich im Fokus. Schon vor Dürer und der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern wurden im 15. Jahrhundert die ersten Techniken zum Drucken von Bildern entwickelt. Den Anfang machte der Holzschnitt, bald gefolgt vom technisch aufwendigeren Kupferstich. Dieser entstand um 1430/40 aus der Gravierkunst der Goldschmiede und bot nicht nur ein weiteres Verfahren zur Vervielfältigung religiöser oder profaner Bilder, sondern eröffnete auch neue gestalterische Möglichkeiten. Außer Werke vom Meister E. S. und von Martin Schongauer sind zahlreiche weitere qualitätsvolle und seltene Kupferstiche vertreten.

Kooperation mit dem Prado

Den Jahreshöhepunkt, so dass Städel, liefert die Wiederentdeckung des einstigen Malerstars des italienischen Barock, Guido Reni. Die Ausstellung „Schönheit des Göttlichen“ wird vom 23. November bis zum 5. März 2023 gezeigt. Im 19. Jahrhundert aufgrund anderer ästhetischer Vorlieben verachtet und später durch die einseitige Konzentration auf seinen zeitweisen Rivalen Caravaggio in die zweite Reihe verdrängt, hat Guido Reni (1575–1642) heute im allgemeinen Bewusstsein nicht mehr den Platz, den er verdient. Reni war zu seiner Zeit einer der erfolgreichsten und gefeiertesten Maler Europas, begehrt bei den bedeutendsten Auftraggebern, zu denen etwa der Borghese-Papst Paul V., der Herzog von Mantua oder die englische Königin zählten. In seiner Kunst übersetzte Reni wie kein anderer die Schönheit des Göttlichen in Malerei – gleich ob es sich um den christlichen Himmel oder die antike Götterwelt handelte. Neben herausragenden Leihgaben bekannter internationaler Sammlungen präsentiert die Schau, die in Kooperation mit dem Museo Nacional del Prado in Madrid entstand, auch eine Reihe von neu entdeckten und noch nie ausgestellten Werken Renis. pk

Jackson Pollock (1912–1956) Figure, 1948 Emailfarbe auf Velinpapier 785 × 575 mm (Blatt) Städel Museum, Frankfurt am Main, Eigentum des Städelschen Museums-Vereins e.V. © Pollock-Krasner Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: U. Edelmann