Letzte Ausstellung von Stefanie Kreuzer im Kunstmuseum Bonn

Emma Talbot, „Fluid Lovers“ 2018. Foto: Peter Köster

„Menschheitsdämmerung – Kunst in Umbruchzeiten“ lautet der Titel einer facettenreichen Ausstellung im Kunstmuseum Bonn, in der die Klassische Moderne auf aktuelle Positionen trifft. Die bis zum 18. Februar 2024 gezeigte Schau wird von Stefanie Kreuzer kuratiert, die sich damit nach dreieinhalb Jahren aus Bonn verabschiedet. Sie wird ab dem kommenden Jahr die Leitung des Kunstmuseums Mülheim an der Ruhr übernehmen.

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Tschabalala Self „Fade“ 2019, Stoff, Acryl auf Leinwand. Foto: Peter Köster

Expressionistische Lyrik

Der Ausstellungstitel bezieht sich auf eine Anthologie expressionistischer Lyrik, die Kurt Pinthus 1919 herausgab und die heute als Standardwerk des literarischen Expressionismus gilt. „Die bildende Kunst dieser Jahre zeigt dieselben Motive und Symptome, zeigt das gleiche Zersprengen der alten Formen und das Durchlaufen aller formaler Möglichkeiten bis zur Konsequenz völliger Auflösung der Realität, zeigt den gleichen Einbruch und Ausbruch des Menschlichen und den gleichen Glauben an die lösende, bindende Macht des menschlichen Geistes, der Idee“, schreibt Pinthus. Die Malerei des Expressionismus nimmt in idealer Weise auf das literarische Werk Bezug Ebenso wie Pinthus seine Gedichte nach dynamischem, motivischem Zusammenklingen anordnet, treffen auch die Bilder in der Ausstellung aufeinander; kontrapunktisch ergänzt durch Werke aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Künstlerinnen und Künstlern.

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Stefanie Kreuzer vor Mackes Gemälde „Großer Blumenteppich“. Foto: Peter Köster

Thematische Ausstellungen

„Menschheitsdämmerung. Kunst in Umbruchzeiten fügt sich ein in die thematischen Ausstellungen der letzten 15 Jahre“, sagt Stephan Berg, Intendant des Bonner Kunstmuseums. Arbeiten aus den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, die aus der Sammlung der Klassischen Moderne des Hauses  stammen, treten in einen Dialog mit zeitgenössischen künstlerischen Positionen. Die Ausstellung horcht gewissermaßen am Puls der Zeit und lauscht auch dem Herzschlag zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Denn damals wie heute prägen gesellschaftliche, politische und soziale Krisen die Zeit. Einst die industrielle Revolution, veränderte Rollenbilder und der Erste Weltkrieg. Heute die Zeitenwende, die Klimakrise, der ausgelaugte Planet, künstliche Intelligenz, Fragen nach Identität und Selbstbestimmung und kriegerische Konflikte. Wie blickt die Kunst auf all die Brüche und Umbrüche? Wo finden sich neue Perspektiven und gar Handlungsoptionen?

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Rebecka Benzenberg, „Too Much Future“, 2020 Foto: Peter Köster

Starke Kontraste

Die Kunstwerke aus den beiden Jahrhunderten werden aufeinander bezogen oder zueinander in Kontrast gesetzt. So entsteht ein Netz von Bezügen und Verweisen, aber auch Unterschiede und Gegensätze werden sichtbar gemacht. Beispiel, wenn Käthe Kollwitz mit ihrem Selbstbildnis auf die „Avatarin“ von Louisa Clement stösst. Sie hat ihre KI-generierte Repräsentantin unüberseh aber auch ünüberhörbar in einem Sessel drapiert. Mehr Gegensatz geht kaum. „Ja, es ist schrill und auch verrückt wie manche Positionen miteinander in Dialog treten“, sagt Stefanie Kreuzer, aber genau das mache den Reiz dieser Präsentation aus. Kreuzer hat die Ausstellung in vier Bereiche zusammenfasst: „Sturz und Schrei“, „Erweckung des Herzens“, „Aufruf und Empörung“, „Liebe den Menschen“. Der Ausstellungsrundgang folgt in assoziativer Art und Weise diesen thematischen Ausrichtungen.

Peter Köster