„If (beyond algorithms) – digital utopia“ im Frauenmuseum

Vera Molnar: „Interstices“, 1985 – 2019, pigment ink on canvas 5 x 5 cm, Abstand 10 cm , 25 tlg. je 40 x 40 cm , 240 x 240 cm. Foto: Peter Köster

Das Frauenmuseum (FM) Bonn läutet mit seiner Ausstellung „if (beyond algorithms) das digitale Zeitalter ein und zeigt bis zum 17. November computergenerierte Kunst.

Wann ist Kunst Kunst?

„Wann ist Kunst Kunst?“ Mit diesem Leitgedanken, den sie schon seit längerem verfolgt, kuratiert Silke Dombrowsky gemeinsam mit Ellen Junger eine Ausstellung, die bewusst computergenerierte Kunst ins Zentrum rückt. Exemplarisch für diese Disziplin stehen die beiden Ikonen Vera Molnar und Rune Miels. Sowohl die jüngst im Alter von 100 Jahren verstorbene Vera Molnar als auch die 89-jährige Rune Mields waren und sind Pionierinnen der Computerkunst. Aktuell würdigt das Centre Pompidou in Paris das Lebenswerk von Vera Molnar.

Dürers magisches Quadrat

Die Ausstellung zeigt Molnars kreative Reise, ihre wissenschaftliche Genauigkeit und ihren Wunsch, künstlerische Grenzen zu überschreiten, sowie ihren Einsatz von Computertechnologie als Mittel künstlerischer Expression. Bereits am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn beschäftigte sich Vera Molnar vornehmlich mit geometrisch-konstruktiver Malerei und benutzte vornehmlich Punkte und Quadrate, letztere gehören mittlerweile zu ihrem Markenzeichen. Ihre Arbeiten erkunden formale Familien und Mutationen, wobei Serien und Wiederholungen oft im Vordergrund stehen. Über Dürers magisches Quadrat ‚Melencolia I‘(Melancholia I) wird deutlich, wie Molnar schrittweise ihre Zeichnungen durch das Durchspielen aller möglichen Verbindungen der Zahlen entwickelte. Mit dem Programm „MolnArt“ schuf sie am Computer präzise Zeichnungen und betonte die ästhetische Qualität des Fehlers.

Rune Mields
Rune Mields: „Sieb des Eratosthenes, (dreiteilig), 1977/1992, Tusche auf Leinen, 280 x 134, 135, 136 cm. Foto: Peter Köster

Primzahlen im Werk

In „if (beyond algorithms) – digital utopia“ (zu deutsch: hinter den Berechnungen eine digitale Utopie) verwandelt Rune Mields in ihren konzeptuellen Arbeiten die Abstraktion mathematischer Operationen in Bilder. Zahlen und Zahlensysteme sind in jeder Kultur Bestandteil des Weltbildes und bestimmen die Strukturen des Rationalen im kulturellen Gefüge. Oft haben sie auch magische Bedeutung. In den vielteiligen Werkgruppen von Zeichnungen und Gemälden arbeitet Rune Mields (sie erhielt im  Frauenmuseum den begeehrten Gabriele-Münter-Preis) an der Erforschung und Visualisierung dieser Zahlensysteme und ihrer Bedeutungen. Sie bringt Ordnungskonzepte in die Gestalt von Malerei. Seit Beginn der siebziger Jahre waren es zuerst die Rohrbilder, deren einfache Formen Perspektive, Dynamik und geometrische Symbole miteinander verbanden. Immer wieder tauchen im Werk von Rune Mields Primzahlen auf – Zahlen, die nur durch sich selbst und durch Eins teilbar sind. Ihre Kunst löst Gedankenketten aus, die über das Sachliche hinausgehen und zeitlos relevant bleiben.

Pionierin der Netzkunst

Nicht weniger beachtentswert ist die Arbeit „Net.Art. Generator“ (nag) von Cornelia Sollfrank, die in den 90er Jahren zu den Pionierinnen der sogenannten Netzkunst gehörte. Ihr Werk lässt sich wie folgt beschreiben: nag ist ein Computerprogramm (Perl-Script), das interaktiv Material aus dem Internet sammelt und zu neuen Collagen zusammensetzt. Das leicht zu bedienende Programm ist aus einer Intervention entstanden. Als konzeptionelles Werkzeug generiert „nag“ aber nicht nur Kunst sondern auch Diskurs. Im Kontext von Autorschaft, Originalität, Urheberrecht und Open Source sind so eine Reihe eigenständiger aber von „nag“ abgeleiteter Werke entstanden, die alle zum Werkkomplex „Net.Art. Generator“ gehören. In führt die 64-jährige Künstlerin erstmals alle Teilprojekte des „Net.art. Generators“ zusammen. Neben diesen drei Ikonen zeigt die Bonner Ausstellung aber auch einige spannende jüngere Positionen. So oder so: ein Besuch ist allemal lohnenswert. Peter Köster