Bundespreis für Kunststudierende | Ausstellung in der Bundeskunsthalle besticht mit hervorragender Auswahl

An ein Weihrauchfass erinnert die Installation „Censer“ von Michael Fink Foto: Peter Köster

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Sechs Ausgezeichnete des Bundeswettbewerbs „Bundespreis für Kunststudierende“ zeigen bis zum 07. Januar 2024 ihre Werke in der Bundeskunsthalle. Sie wurden aus 48 für den Wettbewerb nominierten Studierenden der Kunsthochschulen und Akademien in

Deutschland ausgewählt. Als Auszeichnung erhalten sie die Möglichkeit, ihre Werke öffentlich zu zeigen. Darüber hinaus erhalten sie insgesamt 30.000 Euro Preisgeld und 18.000 Euro Produktionsstipendien.

Kunst braucht Gestaltungsräume

Eva Kraus, Intendantin der Bundeskunsthalle lobte die Präsentation als „tolles Format“. „Der Bundespreis besticht mit einer hervorragenden Auswahl zeitgenössischer Kunstproduktion.“ Die Bundeskunsthalle zeigt sechs interdisziplinär agierende Positionen, die von einer hochkarätigen Jury ausgewählt wurden. Kunst braucht Gestaltungsräume und das zeigen die  Preisträgerinnen und Preisträger eindrucksvoll. Die Arbeiten ermöglichen einen frischen Blick und bieten einen neuen Zugang, komplexe gesellschaftliche und private Themen erfahrbar zu machen. Die von Martin Hoffmann kuratierte Ausstellung ist ein Streifzug durch die junge Kunstproduktion und ihrer Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Aspekten. Die Künstlerinnen und Künstler dieser Gruppenausstellung beschäftigen sich unter anderem mit sozioökologischen und politischen, aber auch ganz persönlichen Themen wie Trauer, Identität, Empathie.

Netzartig verbundene Latexbänder

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Aus brüniertem Stahl und netzartig verbundenen Latexbändern besteht diese Wandinstallation von Rahel Goetsch. Foto: Peter Köster

Die Ausstellung ist in drei Räumen zu sehen. Sie startet im Erdgeschoss  (Ostgalerie) – die anderen Teile werden im Medienraum Untergeschoss und Obergeschoss gezeigt. Bleiben wir im Erdgeschoss, wo direkt eine große Wandinstallation die Aufmerksamkeit erreg. „On Both Ends“ nennt Rahel Goetsch ihre 2022 entstandene Arbeit. Sie besteht aus brüniertem Stahl und netzartig verbundenen Latexbändern. Die Künstlerin nimmt mit ihrer Arbeit Bezug auf eine Theorie von Jean Baudrillard. In der geht es um Entscheidungen, um den Verlauf und die Vernetzung von Möglichkeiten und Gedanken. Umrahmt wird die Wandarbeit von Zeichnungen, die einzelne mögliche Momente dieses Geflechts aufgreifen und beleuchten. Rahel Goetsch studierte unter anderem an der Hochschule für Bildende Künste – Städelschule, Frankfurt am Main.

Ungewöhnliche Porträts von Pferdeköpfen

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Michael Fink: Pferdekopf-Porträt mit „menschlichem Antlitz“.
Foto: Peter Köster

Bei der Fortsetzung des Rundgang geraten recht ungewöhnliche Porträts von Pferdeköpfen in unser Blickfeld. In seiner Reihe „Locals Reunion“ (Portrait Paintings) verwischt Michael Fink die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier. Finks großformatige Gemälde setzen meist nichtmenschliche Akteure in vermeintlich typisch menschlicher Pose in Szene. Durch die Wahl eines klassischen Frontalportraits, das traditionsgemäß eher den Menschen als Sujet inszeniert, spricht Fink letzterem seine Sonderstellung ab und stellt das Leben bzw. das Zusammenleben mit anderen Arten und Spezies in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Neben seinen Gemälden zeigt der Künstler seine installative Arbeit „Censer“. Die Installation aus einem pendelnden Komposter und einem begleitenden Film, erinnert an ein Weihrauchfass, wie es in verschiedenen Religionen zum Einsatz kommt. Michael Fink studiert seit 2018 an der Weißensee Kunsthochschule Berlin.

Zwei ausgestellte Transportkisten

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Für ihre skulpturale Wandinstallation „Player“ verwendet Hanna Kucera Objekte aus Stahl, Leder, Silikon und Zeichnungen. Foto: Peter Köster

Hanna Kucera künstlerische Praxis ist ein Zusammenspiel aus verschiedenen Komponenten, die sie als „Player“ bezeichnet. Es sind nicht nur die einzelnen Objekte aus Stahl, Leder, Silikon und Zeichnungen ihrer skulpturalen Installationen, die als „Player“ agieren, sondern auch die Künstlerin selbst sowie

eingeladene Performerinnen und Performer. In der Ostgalerie zeigt sie ihre Arbeit „Pos. 17 Take me to go“. Die Installation wurde in den zwei ausgestellten Transportkisten aus Stahl samt Palette ins Museum transportiert. Sie markieren somit als Hybrid-Objekte aus tragbarem Raum, Transportkiste, Podest, Haus der zu lagernden Teile und Käfig, den Übergang vom Atelier (persönlicher Raum) ins Museum (öffentliche Institution). Hanna Kucera studierte Bildende Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, wo sie seit 2021 Meisterschülerin bei Prof. Christian Sery ist. Parallel studiert sie seit 2018 Bildhauerei in der Fachklasse von Iman Issa und Critical Studies an der Akademie für Bildende Künste in Wien.

Chip-Herstellung in Taiwan

Umfangreiche Feldstudien gingen der Arbeit „Particular Waters“ von Su Yu Hsin voraus. In ihrem ebenfalls in der Ostgalerie gezeigten Video widmet sich die Künstlerin und Filmemacherin Su Yu Hsin den ökologischen sowie geopolitischen Auswirkungen der Chip-Herstellung in Taiwan, die durch ihren immensen Wasserverbrauch für lokale Konflikte sorgt. Dabei zeigt der Film nicht nur die makropolitische Bedeutung von Wasser und klimabedingter Wasserknappheit im Kontext der Halbleiterproduktion auf, sondern auch die persönlichen Beziehungen Ortsansässiger zum Wasser. Su Yu Hsin wurde 1989 in Taichung, Taiwan geboren. Sie studierte an der Shih Chien Universität in Taipeh und am Royal College in London. Seit 2017 studiert sie Medienkunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.

Kraft und Widerstand

In ihren multimedialen Erzählungen beschäftigt sich Talya Feldman – war erst kürzlich in der Ausstellung „Wer wir sind in der Bundeskunsthalle“ zu sehen,   mit dem Thema Gewalt. Im Fokus sind aber nicht die Sichtweisen der Täterinnen und Täter der Justiz oder der Medien, sondern die, deren Stimmen meist nicht gehört werden: Die Opfer und ihre Angehörigen. Dabei vermitteln ihre Arbeiten aber nicht nur Trauer, sondern auch Kraft und Widerstand.

Bei der Ausstellung zum Bundespreis präsentiert sie ihre neue Video-Arbeit Psithurism“ im Medienraum Untergeschoss des Hauses. Talya Feldman studierte Bildende Künste an der School of the Art Institute of Chicago und an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, wo sie 2022 mit einem Master of Fine Arts abschloss.

Ukrainisches Brot aus Weißmehl

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Zhanna Kadyrova: Brotlaib aus geschliffenen und geschnittenem Flussstein. Foto: Peter Köster

Abgeschnittene Brotscheiben liegen auf einem weißen Tischtuch. Das Objekt „Palianytsia“, 2023 von Zhanna Kadyrova nimmt Bezug auf die aktuelle Lage in der Ukraine. „Palianytsia“, ist ein typisches ukrainisches Brot aus Weißmehl. Die gleichnamige Arbeit von Kadyrova, ein Brotlaib aus geschliffenen und geschnittenem Flussstein, entstand zu der Zeit, in der russische Truppen Gebiete nahe Kyiv besetzten und in der Bevölkerung die Angst um Lebensmittelmangel wuchs. Der mit Brot gedeckte Tisch steht symbolhaft für Familie, Freunde und Beisammensein. Zu sehen ist diese Arbeit im Zentralkabinett des Obergeschosses.

Überbegriff des „Kollektiven“.

Mit der Ukraine beschäftigt sich auch das „Óstov Collective“, bestehend aus  Elza Gubanova, Anna Perepechai, Leon Seidel und Emilia Sladek von der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Das Kollektiv gründete sich im März 2022 im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Mit den ebenfalls im Obergeschoss präsentierten Werken, fokussiert sich das Kollektiv auf den Überbegriff des „Kollektiven“. So fügt beispielsweise die Soundinstallation „Why Do We Always Sing Sad Songs?“, 2023, individuelle Erlebnisse von Klang im Kontext des Krieges zu einem gemeinsamen Konstrukt. Die Trauer, die die Menschen in der Ukraine individuell erfahren, wird immer wieder neu entfacht und spiegelt die drastischen und anhaltenden Auswirkungen des Krieges auf ihr Leben wider. Die Sound-Installation fügt individuelle Erlebnisse von Sound im Kontext des Krieges zu einem kollektiven Konstrukt, einem kollektiven Archiv von Klängen, Erlebnissen und Geschichten zusammen. Peter Köster