Bundeskunsthalle zeigt Ausstellung „Immanuel Kant und die offenen Fragen“

Große Wandarbeit zeigt Kants Erscheinungsbild. Foto: Peter Köster

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Am 22. April 2024 jährt sich der Geburtstag des Philosophen Immanuel Kant (1724–1804) zum 300. Mal. Die Bundeskunsthalle knüpft bereits ein halbes Jahr vorher mit einer besonderen Ausstellung an dieses Ereignis an. „Immanuel Kant und die offenen Fragen“, lautet der Titel der Schau, die bis zum 17. März 2024 gezeigt wird.

Beiträge zur Aufklärung

Im Mittelpunkt der mitunter recht textlastigen Ausstellung (ein bisschen weniger wäre hier mehr gewesen) stehen Kants bahnbrechende Beiträge zur Aufklärung, seine Überlegungen zu Ethik, Emanzipation, Erkenntnistheorie und Völkerrecht, die bis heute als Referenzpunkte für richtungsweisende Debatten gelten. Dabei sollen die vier berühmten kantischen Fragen die Ausstellung inhaltlich strukturieren: „Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun? Was ist der Mensch?“ Die Schau präsentiert das Leben des großen Philosophen unter anderem mit einer Wände füllenden Graphic Novel, die den berühmten Vertreter der abendländischen Philosophie visualisieren. Hinzu kommen hochkarätige Gemälde, Grafiken, wissenschaftliche Instrumente, Karten und Handschriften, in denen die Kernthemen der Aufklärung und somit das Kant’sche Werk in allen Facetten geschildert werden.

Bild 3 Kant-Porträt
Johannes Heydeck: Porträt Immanuel Kant am Schreibtisch, 1872
Foto: Peter Köster

Sexistische Ideologien

Diese Kant’sche Werk hat aber auch noch eine andere Seite, weiß Andrea Marlen Esser von der Universität Jena. „Kants Arbeiten sind teilweise von rassistischen, sexistischen und antijüdischen Ideologien geprägt, die zum Teil auch heute noch in unserer Kultur und in unserem Denken wirksam sind.“ Esser hinterfragt gemeinsam mit ihrem Forschungs-Team vom Institut für Philosophie in der Ausstellung bewusst kritisch den Kant’schen Kosmos. Kant habe sich in seinen Schriften mehrfach abwertend über Juden und „unzivilisierte Völker“ geäußert. Zu ausgewählten Exponaten der Ausstellung haben die Jenaer Forschenden philosophisch-kritische Informationen und Kommentare erarbeitet. Diese werden den Gästen präsentiert. Esser: „Unser Ziel ist es, die Besucherinnen und Besucher über diese Ambivalenzen zu informieren, sie auf etablierte Klischees aufmerksam zu machen und zur Diskussion anzuregen.“

Große Herausforderung

„Immanuel Kant und die offenen Fragen“, ist mehr als nur eine Präsentation über einen berühmten Philosophen. Eva Kraus, Intendantin der Bundeskunsthalle: „Es ist eine komplexe Ausstellung“. Kants Gedanken zur Moral, Menschenwürde und zum Völkerrecht haben bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren und sind fest in der europäischen Tradition und im europäischen Selbstverständnis verankert.“ Für Ausstellungsleiterin und Kuratorin Agnieszka Lulińska war diese Ausstellung wie sie sagt: „für uns alle eine große Herausforderung.“ Die als Prozess angelegte Schau rückt die historische Person Immanuel Kant, sein Umfeld und seine Netzwerke in den Fokus.

Bild 2 Tafel
„Gedeckte Tafel im Musenhof der Keyserlingks.“ Foto: Peter Köster

73 Jahre in Königsberg gelebt

Die Ausstellung ist Teil eines großangelegten Kant-Gedenkens im kommenden Jahr. Dazu gehören auch eine Vorlesungsreihe und weitere Veranstaltungen in der Bundeskunsthalle. Im September beherbergt Bonn den Internationalen Kant-Kongress, der von der Universität Bonn und der Kant-Gesellschaft ausgerichtet wird. Er sollte eigentlich in Kaliningrad (früher Königsberg) stattfinden, wurde aber wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine an den Rhein verlegt. Kants Leben war auf das Engste mit der ostpreußischen Handelsstadt Königsberg verbunden. Eine Stadt, in der er 73 Jahre lang lebte und die er nie verließ“, so Kurator Thomas Ebers. Die preußische Residenzstadt bildete nicht nur sein kreatives Milieu (die Lehrtätigkeit, die legendären täglichen Stadtspaziergänge und die Tischgesellschaften), sondern strahlte als geistiges Zentrum ihrer Epoche in den gesamtdeutschen und europäischen Raum hinein. Deshalb lassen die Ausstellungsmacherinnen und Ausstellungsmacher die barocke, im 2. Weltkrieg völlig zerstörte preußische Residenzstadt an mehreren Stationen virtuell wieder auferstehen.

Vier Fragen

Immanuell Kant schuf mit seinen Schriften eine neue, umfassende Perspektive in der Philosophie. Dazu gehört nicht nur sein Einfluss auf die Erkenntnistheorie und Metaphysik mit der „Kritik der reinen Vernunft“, sondern auch die Ethik mit der „Kritik der praktischen Vernunft“ und die Ästhetik mit der Kritik der Urteilskraft“, sagt Thomas Ebers. Die Ausstellung behandelt vier Kant’sche Thesen. 1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen? 4. Was ist der Mensch? Diese Fragen strukturieren den Ausstellungsrundgang, der den Lebens- und Denkweg des Philosophen nachzeichnet und ihn gleichzeitig im gesellschaftlichen Prozess der Aufklärung verortet. Zu Kants Zeit kämpfen konkurrierende Bewegungen gegen Vorurteile, Aberglauben, Bevormundung und für Selbstdenken, gleiche Rechte, Freiheiten und Zugänge zur Öffentlichkeit.

Bild 4 Kant-These
Wandtext: Kapitel 1: Was kann ich wissen. Foto: Peter Köster

Junges Publikum

Mittels innovativer leicht zugänglicher Formate versucht die gemeinsam mit dem Landesmuseum Lüneburg gestaltete Ausstellung Kants Werk auch einem nichtakademischen und jungen Publikum nahezubringen und sich in die komplexen Überlegungen zu Ethik, Emanzipation, Erkenntnistheorie und Völkerrecht hineinzudenken. „Immanuel Kant und die offenen Fragen“ ist eine zugleich sehenswerte und komplexe Schau. Peter Köster