„Kunst ist immer auch politisch“. Diesem Leitsatz des berühmtesten chinesischen Gegenwartskünstlers Ai Weiwei, versucht die Ausstellung „Auf Augenhöhe“ im Künstlerforum Bonn nachzuspüren. Die vom BBK Bonn Rhein-Sieg (Bundesverband bildender Künstlerinnen und Künstler) initiierte Schau wird bis zum 29. Oktober gezeigt. Ursprünglich war die Ausstellung auch im Iran vorgesehen. Sie wurde aber wegen der aktuellen Lage abgesagt.
Mit den Mitteln der Kunst
Das Ausstellungsprojekt deutsch-iranischer Künstlerinnen und Künstler nutzt vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse im Iran wo vor allem die Frauen bedroht werden die Möglichkeit, diese Unterdrückung und Benachteiligung mit den Mitteln der Kunst sichtbar werden zu lassen. Zentrales Thema dieser Gruppenausstellung ist die allgemeine Gleichbehandlung aller Menschen, ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Religion. 44 beteiligte Künstlerinnen und Künstler zeigen auf zwei Etagen 52 Positionen bestehend aus klassischer Malerei, Zeichnung, Skulptur, Installation und Objekten.
„Frauen, Leben, Freiheit“
Hierzu eine Auswahl: Im Obergeschoss liegt ein roter Teppich ausgebreitet auf dem Boden. Dieser „Teppich“ aber ist zerstört. Er zeigt große Löcher. „Teppich ohne Frauen“ nennt Mansurè Minawie ihre Bodeninstallation. Ihr Teppich zeigt Verwundbarkeit, Verletzlichkeit. Die Künstlerin macht mit ihrer Arbeit auf die Ausgrenzung der Frauen im Iran aufmerksam. Auch das Werk von Zahra Zahedi „Befreiung“ (Untergeschoss) behandelt die Zustände im Iran. „Augenhöhe setzt die politisch-gesellschaftliche Freiheit voraus. Gesellschaftliche Beziehungen und Dialoge auf Augenhöhe können nicht entstehen, wenn politische Voraussetzungen und Rechtsmittel nicht gegeben sind.“ Für ihre zweiteilige Installation ließ sich Zahedi durch die aktuelle Frauenbewegung im Iran und deren politischem Slogan „Frauen, Leben, Freiheit“ inspirieren. „Die Ereignisse im Iran bewegen und bedrücken mich als deutsch/iranische Künstlerin emotional sehr“.
„Wolkenbruch“ und „Tränen in mir“
Kurz „Wolkenbruch“ (Obergeschoss) heißt die Arbeit von Ines Braun. Aus drei schwarzen Wolken fällt Regen. Wie Tränen. Die Künstlerin dazu: „Wenn man die Installation als Wetterphänomen begreift würde abends in der Tagesschau von starken Gewittern mit Hagel gesprochen werden. Und auch wenn diese Vorhersage Bedrohliches hat, würde damit noch nichts von dem aktuellen Wetterphänomen im Iran erzählt werden. Hier entlädt sich eine Wetterfront, bei der es um Leben und Tod geht. Worte werden zu Argumenten, Argumente zu Waffen.“ Die Werkreihe „Tränen in mir“ von Suria Kassimi (Obergeschoss) thematisiert Mechanismen, die Menschen, vor allem aber Frauen ausschließen. Das sei kein iranisches Phänomen, sagt die Künstlerin, nur dort werde es aktuell durch die Aktivitäten der Frauen offenkundig. „Tränen in mir“ zeigt müde, ernste traurige Gesichter. Frauen mit hängendem Mundwinkel, Frauen mit roten Lippen, mit Abwehrgesten. In Isabell Kamps Objekt „Esteem“ (Obergeschoss) geht es um die Wertschätzung einer Person. In ihrer Arbeit verbindet sich die theoretische Fragestellung nach der Ethik als auch die Wahrnehmung der Härte der Realität. Diese Gedanken sind eingebettet in einen Seemannknoten, der für Halt und Erinnerung steht.
„Die Welt braucht keine Divos“
Den Begriff „Divo“ wählte H.O. Schmidt für seine Skulptur im Untergeschoss. Seine Arbeit ist eine Abrechnung mit dem männlichen Chauvinismus. „Divo spiegelt die Überflüssigkeit männlicher Kraft- und Statussymbole. Wozu Rangabzeichen, Waffen, Uniform? Eine nazistisch veranlagte Männergesellschaft macht das Leben aller anderen kompliziert bis unmöglich.“ Welcher Mann, egal in welcher Gesellschaft, habe das Recht sich Frauen Untertan zu machen, sie zu meinungs- und bildungslosen Individuen zu degradieren, ihnen Menschenrechte abzusprechen, sie zu unterwerfen und sich als Herrscher zu produzieren? Schmidt: „Die Welt braucht keine Divos“.
Festzuhalten bleibt. Wenngleich nicht alle gezeigten Positionen mit der Ausstellung „Auf Augenhöhe“ sind, ist ein Besuch der Präsentation im Künstlerforum durchaus zu empfehlen. Peter Köster