Armenian genocide – Den Völkermord beim Namen nennen!

Politikwissenschaftler und Historiker Waldemar Ritter

Die Türkei als Rechtsnachfolgerin hält beide Zahlen für überhöht und bestreitet bis heute, dass es sich um einen Völkermord gehandelt habe. Die zynisch offizielle Darstellung lautet, dass bei einer Zwangsumsiedlung der Armenier viele Menschen ums Leben gekommen seien. Gegen alle historischen Erkenntnisse klein reden, abstreiten, und historische Lügen. Der türkische Historiker Taner Alcam erklärt das „Vertuschen“ mit der türkischen Staatsräson.

Die Unwahrheiten der türkischen Regierung sind eine Beleidigung meines Verstandes.

Die Deportation und die gezielte Vernichtung der Armenier standen im schützenden Schatten des ersten Weltkrieges am Anfang aller staatlich gelenkten Vertreibungen, ethnischen Säuberungen und Völkermorden des vorigen Jahrhunderts. Als militärischer Hauptverbündeter war das Deutsche Reich damals  über die Vertreibungen und Ermordungen der Armenier, besonders durch den deutschen Botschafter informiert, die Reichsleitung unterließ es aber auf den Partner Druck auszuüben.

Ausländer, die sich schon Ende des 19. Jahrhunderts über Massaker an Armenien entsetzt hatten verwandten dafür zum ersten mal den Begriff Holocaust. Die Amerikanerin Corinna Schafftuk, die in der Stadt Urfa erlebte, wie verfolgte Armenier in einer Kirche verbrannt wurden, schrieb in einem  Brief an  ihre Schwester „von dem unbeschreiblich krank machenden Geruch des großen Holocaust in der gregorianischen Kirche“ Nach dem Weltkrieg hat ein Istanbuler Kriegsgericht bewiesen, dass  die Verbrechen zentral vorbereitet wurden, es gab 17 Todesurteile. Und schon 1933 nannte der jüdische Dichter  Franz Werfel in seinem Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“  die armenischen Todeskarawanen prophetisch „wandernde Konzentrationslager“

Heute bewerten nicht nur Historiker und andere Wissenschaftler, sondern inzwischen  22 Staaten die Massaker als Genozid am armenischen Volk

Papst Franziskus hat vor einer Woche den Völkermord an den Armeniern als eine der drei größten, beispiellosen, unerhörten Tragödien  der Menschheit bezeichnet. Tragödien, die die Menschheit erlebt hat. Die erste, die allgemein als der erste  Genozid des 20. Jahrhunderts angesehen wird, hat das armenische  Volk getroffen die erste christliche Nation – zusammen mit den katholischen und orthodoxen Syrern, den Assyrern , den Chaldäern und den Griechen. Die beiden anderen Völkermorde des 20. Jahrhunderts  sind vom Nationalsozialismus und Stalinismus begangen worden. Hundert Jahre nach  den Massakern  an den Armeniern, erinnert sich die Menschheit an dies tragische Ereignis, diese ungeheure und sinnlose Vernichtung, deren Grausamkeiten die Armenier erlitten haben. Sich zu erinnern, ist eine Pflicht, sagt Franziskus. „Denn wenn Erinnerung schwindet, hält das Böse die Wunde weiter offen.“

In jüngerer Vergangenheit hat es noch weitere Massenmorde gegeben , etwa in Kambodscha, Ruanda, Burundi und Bosnien.

Als Kardinal Bergoglio hatte der Papst die Verfolgung der Armenier in seinem Buch „Über Himmel und Erde“ schon drei mal als Völkermord bezeichnet. Auch vor knapp zwei Jahren benutzte er diesen Begriff bei einem Besuch armenischer Christen. Die Armenier,  zahlreiche unabhängiger Wissenschaftler und 22 Staatsregierungen, viele Parlamente , sowie internationale Organisationen sprechen begründet ebenfalls von Völkermord. Im Vatikan wurde  die Geschehnisse bereits in einem Dokument aus dem Jahre 2001 „als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts“ Bezug genommen. Deutschland ist hingegen ebenso zurück haltend, wie die USA. Das kann doch wohl nicht daran liegen, dass wir Bündnispartner in der Nato sind. Das sind  Frankreich oder die Niederlande auch, ohne falsche Rücksichtnahme gegenüber der Türkei und deren Regierungschef Erdogan.

Am 24. April wird es anlässlich des Jahrestages eine  einstündige Debatte im Deutschen Bundestag geben. Wie es aussieht wird es Streit über ein angemessenes Gedenken geben. Wie es bis jetzt ist  scheuen sich Union und SPD davor den Genozid im Bundestag klar zu benennen . In dem gemeinsamen  Antragsentwurf, den SPD und Union einbringen wollen taucht das Wort Völkermord nur in der Begründung auf – so wie in einer fraktionsübergreifenden Resolution, die bereits vor zehn Jahren im Bundestag verabschiedet wurde.

Für den Grünen-Abgeordneten Chem Özdemir und die Linken-Politikerin Petra Pau scheint klar, dass sie mit ihren jeweiligen Fraktionen den Völkermord auch so bezeichnen wollen Auch die Berichterstatter von Union und SPD, Christoph Bergner und Dietmar Nietan wollten zum hundertsten Jahrestag weiter gehen als noch vor zehn Jahren Der SPD-Abgeordnete ist enttäuscht, das es an entscheiden der Stelle an Mut fehlt, einmal auszusprechen was wirklich geschehen ist Es ist nicht  hilfreich sich dem Druck der Türkei zu beugen. Wenn das deutsche Parlament den Völkermord offen benennt, würden wir auch diejenigen in der Zivilgesellschaft der Türkei den Rücken stärken, die sich für eine Aufarbeitung einsetzen. Ich hoffe noch immer , dass unser Parlament aus diplomatischen Gründen nicht zu feige ist die historische Wahrheit den Völkermord beim Namen zu  benennen.

Dem gegenüber stimmt am Mittwoch das EU Parlament über eine Resolution ab, die dazu aufruft, sich „dem Gedanken an den 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern“ anzuschließen.

Den Streit zwischen Deutschland und der Türkei wird es ohnehin geben. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz teilten mit , die christlichen Kirchen in Deutschland wollten mit Bundespräsident Gauck an die Gräueltaten an Armeniern vor 100 Jahren erinnern.. Offiziell laden die Kirchen zu einem Gottesdienst zur Erinnerung an den „Völkermord an Armeniern, Aramäern und Pontus-Griechen“ im Osmanischen Reich ein.

Wir können damit der Türkei  behilflich sein, wenn wir aus unserer Erfahrung der Türkei sagen, steht zu eurer eigenen Geschichte, wie wir selbst unsere die historische Verantwortung, dem Holocaust, übernommen haben. Das ist der wichtigste und richtige Schritt zur Versöhnung der Völker. Wir haben dafür weltweit größte Anerkennung erhalten Und das wünsch ich ebenso der Türkei.

Schreibe einen Kommentar