Kunstmuseum Villa Zanders zeigt Martin Noël und Otto Freundlich

Otto Freundlich, „Komposition“ 1938, Mosaik, 63 x 52 x 3,5 cm. Foto: Peter Köster

Bergisch Gladbach. Das Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach bereitet zwei außergewöhnlichen Künstlern eine entsprechende Bühne. Die Ausstellung „Martin Noël und Otto Freundlich. Die Entdeckung der Moderne“ sollte daher unbedingt besucht werden. Gelegenheit dazu besteht bis zum 25. August.

Zwei Positionen

Mit der Gegenüberstellung dieser beiden Künstler-Positionen will die Villa Zanders nicht nur dem Werk Martin NoëIs nach der Präsentation seiner Holzschnitte im Jahr 1994 in weiteren Facetten näherkommen, sondern auch dazu beitragen, die künstlerische Bedeutung Otto Freundlichs wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Otto Freundlich habe bis heute nicht die Berühmtheit erlangt, die ihm gebühre, erklärt die Kuratorin Petra Oelschlägel, für die diese Ausstellung zugleich die letzte als Leiterin der Villa Zanders ist. Als ihre Nachfolgerin wird künftig Ina Dinter die Geschicke des Hauses leiten.

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Martin Noël, „Palette“, groß, 2010. Acryl auf Metall, 120 x 80 x 0,5 cm.
Foto: Peter Köster

Unterschiedliche Zeitepochen

Obwohl Martin Noёl (1956 – 2010 und Otto Freundlich (1878 – 1943) in recht unterschiedlichen Zeitepochen künstlerisch agierten, so weist das Werk der beiden doch hier und da Gemeinsamkeiten auf. NoëI erkannte die Modernität Otto Freundlichs und sah in ihm sogar einen Weggefährten. NoëI leitete seine Motive aus der sichtbaren Alltagswelt ab. Er folgte ihren Konturen, legte Linien frei und erschuf daraus eine faszinierende Welt abstrakter Formen. So sollte das Wechselspiel von Linie und Fläche seine kontrastreichen Holzschnitte über Jahre dominieren.

Die Linie tritt zurück

Das künstlerische Werk von Freundlich entdeckte Martin Noёl ab 2002 für sich. So schuf er bis zu seinem Tod etwa 200 Arbeiten, die sich explizit auf Freundlich beziehen. In Acryl auf Holz entstehen Farbfelder in rechteckigen Formen, die äußerst reduziert sind, ohne viele Details. Andere Arbeiten rücken die Farbe in den Vordergrund. Dafür tritt die Linie zurück. Auch hier knüpft Noёl an Freundlich an, aber nun verstärkt an seine Farbigkeit. So gibt es in „Fine Art Prints“ nur Farbfelder, ohne Konturen, die verschwimmen. Weitere Arbeiten von Noёl in Acryl auf Metall, in denen es um Farbe geht, sind als „Palette“ betitelt: Da korrespondieren unterschiedliche Farben miteinander.

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Otto Freundlich, „Komposition“, 1930, Öl auf Leinwand, 147 x 113 cm.
Foto: Peter Köster

Gedächtnisausstellung

Martin Noël studierte von 1980 bis 1987 freie Grafik und Malerei an der Fachhochschule Köln. Er erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, unter anderem das Max-Ernst-Stipendium (1987), den Kunstpreis Junger Westen (1991), ein Atelierstipendium der „Letter Stiftung“ Köln für New York (1998) sowie das Arbeitsstipendium Stiftung Kunstfonds (2003). 2020 richtete das Bonner Kunstmuseum dem Bonner Künstler Martin Noël eine große Gedächtnisausstellung aus.

Jüdischer Maler und Bildhauer

Wechsel zu Otto Freundlich: Nur Kenner wissen heute noch um die Bedeutung des jüdischen Malers und Bildhauers. Mit seinen Werken und theoretischen Schriften nahm er insbesonders Einfluss auf die Entwicklung der abstrakten Kunst. 1878 in Stolp in Pommern geboren, wuchs Freundlich in einer jüdischen, assimiliert lebenden Familie auf, und kam nach seinen Studien 1908 nach Paris, von wo er wichtige künstlerische Anregungen erhielt. Während seines dortigen Aufenthaltes wohnte er unter einem Dach mit Pablo Picasso und Georges Braques. Deren verwahrlostes Haus, namens „Beteau-Lavoire“, lag im Künstlerviertel Montmatre und etablierte sich alsbald zum Treffpunkt der Pariser Avantgarde, Otto Freundlich fand sehr schnell Anschluss an diese avantgardistischen Künstlerkreise der Seine-Metropole.

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Martin Noël, „Otto“, 2004, Acryl auf Holz, 210 x 150 x 7 cm.
Foto: Peter Köster

Wegbereiter der Moderne

In Paris entwickelte er sich immer weiter vom Gegenständlichen zur Abstraktion. Sein innovatives OEuvre, das Gemälde, Skulpturen, Mosaike und Glasfenster umfasst machen ihn zu einem Wegbereiter der Moderne. Er gilt als Impulsgeber einer geometrisierenden Abstraktion, deren Formensprache sich aus kleinen Elementen zusammensetzt, und die ihm als Synthese seiner künstlerischen wie sozialen Überzeugung erschien. Zudem verband er seine künstlerische Arbeit mit politisch-philosophischen Schriften. „Er wollte, dass die Kunst ein utopischer Spiegel der Gesellschaft ist“, sagt Petra Oelschlägel. Seine Ziele seien Demokratie, Toleranz und friedvolles Miteinander gewesen. Freundlich zufolge sei die Kunst eine alle Menschen verbindende Sprache auf dem Weg der Gesellschaft zu einer sozialen Einheit.

Erstes Dada-Event

Von 1912 an lebte Otto Freundlich in Köln; und dort beteiligte sich der Künstler  an der ersten Dada-Ausstellung, die Max Ernst und Johannes Theodor Baargeld organisierten. 1922 gehörte Freundlich in Köln der Gruppe der „Rheinischen Progressiven“ an. Es gibt nur wenige Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, deren Leben und Werk derart radikal die äußersten Möglichkeiten ihrer Zeit verkörpern. Otto Freundlich, und das ist die lichtvolle Seite, gehört in den Jahrzehnten des kreativen, alle Konventionen umstürzenden Kunstschaffens zu den Wegbereitern der Abstraktion. Mit seiner Wiederentdeckung setzt das Kunstmuseum Villa Zanders nun ein wichtiges Zeichen. Peter Köster