Vor 40 Jahren – ‚neuer Ring‘ wird eingeweiht – Senna gewinnt das Eröffnungsrennen

Demo-Runden mit einem Auto Union Rennwagen aus der Vorkriegszeit und einem AGS-Formel 1-Rennwagen der ‚Neuzeit‘ | Foto: Klaus Ridder

Die Rennwagen wurden schneller und schneller, die Rennfahrer selbst verlangten noch mehr Sicherheit und so erfolgte Anfang der 70er Jahre eine Verbesserung der legendären Nordschleife des Nürburgrings, man baute Sicherheitszonen und Leitplanken (anstelle der schon traditionellen Buchenhecken).

Der „Lauda-Unfall” 1976 war dann aber das endgültige Aus für den klassischen alten Ring: Niki Lauda kam aus bisher unbekannten Gründen im Bereich des Streckenabschnitts ‚Bergwerk‘ von der Strecke ab, der Wagen fing Feuer. Niki Lauda wurde durch den nachfolgenden Rennfahrer Merzario aus den Flammen gerettet; wie durch ein Wunder kam er mit dem Leben davon. Die Brandverletzungen waren bis zu seinem Tod 2019 noch in seinem Gesicht zu erkennen.

Parkausweis 2
Parkschein für das Eröffnungsrennen

Neubau mit wenig Geld

Ein Neubau musste her! Allerdings kostete ein solcher Neubau viel Geld. Die Bundesrepublik Deutschland war am Nürburgring mit fast 100 % beteiligt, jedoch an der Fortsetzung der Beteiligung nicht mehr interessiert. Weder deutsche Motorräder noch deutsche Formel-1-Rennwagen kamen für Siege bei Weltmeisterschaftsläufen infrage, noch gab es herausragende deutsche Fahrerpersönlichkeiten. Hinzu kam, dass der für die Abwicklung der Nürburgring-Beteiligung zuständige Ministerialbeamte im Bonner Bundesverkehrsministerium, Peter Reinhardt, später Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bahn AG, keine Begeisterung am Motorsport hatte. “Sollen doch diejenigen die Rennstrecke bauen, die daran Interesse haben, z.B. die Autoclubs, die Industrie oder die Motorsportfans selbst“, … so Reinhardt.

Aus Bonn war keine große Unterstützung zu erwarten, zumal der Bund auch wenig Geld hatte.

Es gab damals übrigens zwei Alternativen zum Bau; eine etwas längere Strecke von 7 km und eine 4,2 km lange Rennbahn.

Mein Ratschlag an Reinhardt, er war 1979 mein Chef, doch die längere Strecke zu bauen, fand keine Gegenliebe. Gebaut wurde aus Kostengründen die kürzere Version.

Während der Bauphase war ich wiederholt vor Ort; mein Eindruck: Die Zuschauer sind zu weit weg von der Strecke, hier kann keine „Rennatmosphäre“ aufkommen. Es kam, wie es kommen musste – der neue Ring wurde von den Fans nie akzeptiert, war aber damals die sicherste Rennstrecke der Welt.

1984 Einweihung des neuen Rings

Die Einweihung des „neuen Rings“, offiziell „Grand-Ring-Kurs“ genannt, war am 12. Mai 1984. Thomas Gottschalk moderierte und der damalige Verkehrsminister Dr. Werner Dollinger hielt die Eröffnungsansprache. Nena, damals großer Popstar, sollte beim Open-Air-Festival den Song von den 99 Luftballons singen. 100.000 Zuschauer waren angekündigt. Am “Brünnchen” mussten wir unser Auto abstellen und wurden mit Bussen zum „neuen Ring“ gefahren. Meine Tochter Mara (damals 8 Jahre) war mit mir, sie wollte unbedingt „ihre“ Nena erleben. Es war bitterkalt, wir hielten uns entweder auf der „Römertribüne“ auf oder am Imbissstand, wo wir uns immer wieder mit heißer Brühe aufwärmten.

3 Senna Rennwagen
Das Eröffnungsrennen fand mit gleichwertigen Mercedes Renntourenwagen statt. Der Sieger- Mercedes von Ayrton Senna war viele Jahre im Nürburgring-Museum zu sehen.

Das Programm ließ die Kälte vergessen; es war super: Folklore aus der Eifel, Rennwagen und Motorräder aus vielen Epochen und ein einmaliges Eröffnungsrennen. Für ehemalige Weltmeister und andere bekannte Rennfahrer hatte man gleichwertige 190er-Mercedes V16 (sog. „Baby-Mercedes“) hergerichtet. Fahrerpersönlichkeiten wie Lauda, Brabham, Herrmann, Schütz, … waren am Start. Gewonnen wurde das Eröffnungsrennen von einem für mich damals unbekannten Rennfahrer namens Ayrton Senna aus Brasilien vor Niki Lauda, dem mehrmaligen Weltmeister.

Übrigens, meine Tochter Mara wurde ebenfalls ein Nürburgring-Fan – einmal im Jahr war sie begeistert vom „Rock am Ring“ – sie benutzte dasselbe Zelt wie ihr Vater vor fast 40 Jahren! Später war sie sogar für die Organisation von „Rock am Ring“ mitverantwortlich und ihr Sohn Vincent durfte mit seinem Bobbycar mit 2 Jahren nachts auf der Start- und Zielgeraden fahren.

4 Eröffnungsfeier
Tochter Mara wollte beim Eröffnungsrennen die Popsängerin Nena erleben (Lied von den 99 Luftballons). Sie war warm angezogen

Die besondere Atmosphäre

Über den ‚alten‘ Ring gäbe es noch viel zu erzählen, einmalig dürfte wohl die Zelt- und Wohnwagenromantik sein. Zwar bietet der Zeltplatz am neuen Ring mehr Komfort, aber leider keine „Ringatmosphäre“. Übrig geblieben ist aus den früheren Jahren noch das 24h-Rennen mit jeweils über 200.000 Zuschauern – und die kommen nicht nur wegen des Rennens.

Übrigens, meine Tochter Mara wurde ebenfalls ein Nürburgring-Fan – einmal im Jahr war sie begeistert vom „Rock am Ring“ – sie benutzte dasselbe Zelt wie ihr Vater vor fast 40 Jahren! Später war sie sogar für die Organisation von „Rock am Ring“ mitverantwortlich und ihr Sohn Vincent durfte mit seinem Bobbycar mit 2 Jahren nachts auf der Start- und Zielgeraden fahren.

6 Nürburg
Eine Grüppe Nürburger Einwohner bedankt sich. (Archiv U. Schmitz)

Die besondere Atmosphäre

Über den ‚alten‘ Ring gäbe es noch viel zu erzählen, einmalig dürfte wohl die Zelt- und Wohnwagenromantik sein. Zwar bietet der Zeltplatz am neuen Ring mehr Komfort, aber leider keine „Ringatmosphäre“. Übrig geblieben ist aus den früheren Jahren noch das 24h-Rennen

Man nehme ein Zelt, liebe nette Freunde, Kinder, Verpflegung einschließlich eines „Pittermännchen“ (kleines Bierfass aus Köln) und fahre am Mittwoch zum Ring. Wer zuerst kommt, hat die besten Plätze und kann direkt am Zaun campen! Auf Sperrzonen achten; 1961 wurden einmal bei einem 1.000-km-Rennen vier Nürburgring-Besucher nachts im Zelt getötet, weil am “Schwalbenschwanz” ein Privatfahrer die “Strecke verließ” und mit seinem Pkw auf das Zelt stürzte.

Wir haben so manche Nacht am Ring verbracht – vor allem in der Zeit, da unsere Kinder noch klein waren. Es machte ihnen immer viel Spaß, Bierflaschen einzusammeln und sich mit dem Pfand das Taschengeld aufzubessern. Auch mein Studienkollege Detlev Krukenkamp. Er hatte in den 70er Jahren einen komfortablen Wohnwagen, kam regelmäßig aus München zum Ring und campierte am „Karussell“. Ein Stückchen Lebensqualität ist es, wenn man abends den Grill anwirft, ein Lagerfeuer anmacht (Holz mitbringen), ein paar Würstchen oder Koteletts grillt, dazu ein Bierchen mit Zeltnachbarn leert und über alte Ereignisse am Ring spricht:

„Weißt Du noch …

wie Manfred Winkelhock sich am Flugplatz viermal überschlagen hat und unverletzt aus seinem Auto kletterte …

wie beim 1.000-km-Rennen 1962 es so nebelig war, dass wir in der Südkehre die Autos erst sehen konnten, wenn sie etwa 50 m vor uns waren …

… wie Fangio 1957 das Rennen seines Lebens fuhr und Mike Hawthom und Peter Collins regelrecht niederkämpfte …

… wie die 18- und 20-jährigen Rodriquez-Brüder 1962 beim 1.000-km-Rennen mehr neben der Strecke lagen, als auf ihr fuhren und trotzdem noch Fünfte wurden …

Mit jeweils über 200.000 Zuschauern – und die kommen nicht nur wegen des Rennens.

Heute trinke ich mein Bier in der Bar des Dorint-Hotels, schaue auch mal auf den Ring – aber das gewisse Etwas fehlt. Zugegeben das neue Umweltbewusstsein lässt das wilde Campen mehrere Male im Jahr wohl nicht mehr zu – aber schön waren die Zeiten doch.

7 Röhrl
Rallyeweltmeister Walter Röhrl beim Race of Champions 1989. Er wurde Zweiter

Race of Champions

Noch ein Ereignis am neuen Ring, das ich erwähnen möchte.

Es war ein klarer, kalter Dezembertag 1989. Man hatte sich eine neue Veranstaltung einfallen lassen: „Race of Champions“. Die besten Rallye-Fahrer der Welt fuhren auf den besten Rallye-Autos im K.-o.-System gegeneinander. Die Rallyestrecke in der südlichen Arena des neuen Rings war so angelegt, dass die Zuschauer von ihren Plätzen das gesamte Spektakel überblicken konnten. Die Streckenführung war so ausgeklügelt, dass jeweils zwei Rallye-Asse zur gleichen Zeit starteten, teilweise parallel oder auch nacheinander, beide den gleichen Streckenabschnitt zu durchfahren hatten und das Ziel gemeinsam erreichten. Die Rallyestrecke bestand aus Schotter und Asphalt, mehreren Sprunghügeln, einer Wasserdurchfahrt und einer Überführung.

Obwohl es bitterkalt war, standen wohl 40 000 Zuschauer auf den Tribünen. Ich traf Jörg Wasserhess, der mit meiner Tochter Imke die Grundschule in Königswinter-Sandscheid besucht hatte (er ist heute Sheriff in Königswinter). Sein Kommentar: “… das ist Motorsport vom Allerfeinsten.” Alle drückten natürlich die Daumen für Walter Röhrl, dreifacher Rallye-Weltmeister aus Regensburg. Obwohl Röhrl sich vom aktiven Rallyesport zurückgezogen hatte, wurde er noch Zweiter. Spektakulär auch ein Überschlag auf die Überführung von Carlos Sainz, dem späteren Rallye-Weltmeister. Bei der Auffahrt zu einer schmalen Brücke hatte er so viel „Dampf“ drauf, dass er auf der Leitplanke landete. Sein Toyota stieg senkrecht nach oben. Nach einem Salto kam er auf der Brückenbegrenzung zum Stillstand; er hing praktisch zwischen Himmel und Erde. Streckenposten zogen in luftiger Höhe das Rallye-Ass aus dem Wagen; er war unverletzt.

Resümee

Ja, ja, der Ring! Es gäbe noch so vieles zu berichten. Aber auch Erinnerungen an schöne Zeiten lassen Freude aufkommen.

Klaus Ridder | © Fotos