Themenjahr 2020 „Total surreal“ im Arp Museum mit Salvador Dalí, Hans Arp, Beethoven, Jonas Burger, Sophie Taeuber-Arp, Antonius Höckelmann

Der Traum der Venus, Salvador Dalí, 1939, © Fundació Gala-Salvador Dalí, Figueres/VG Bild-Kunst, Bonn 2019.

Remagen/Bahnhof Rolandseck. Salvador Dalí kommt ins Arp Museum. Erstmals präsentiert das Remagener Haus anhand von hochkarätigen Werken aus internationalen Museen und Sammlungen den weltweit bekanntesten Surrealisten. Dies in einer Gegenüberstellung mit Hans Arp, dem Vorreiter der Abstraktion in der modernen Kunst. „Die Geburt der Erinnerung“ ist diese hochkarätige Schau überschrieben, die vom 16. Februar bis 16. August gezeigt wird.

„Die Geburt der Erinnerung“

„Die Geburt der Erinnerung“ ist der Opener für ein reich gespicktes Ausstellungsjahr im Arp Museum und das vorweggenommene Highlight. Dafür sorgt allein schon dass Dalí-Beethoven-Porträt, das erstmals außerhalb des Dalí Museums Figueres (Katalonien in Spanien) öffentlich gezeigt wird. Von dort stammt auch das ebenfalls präsentierte „Hummertelefon“. Insgesamt werden in dieser Ausstellung, deren Vorbereitungszeit insgesamt drei Jahre dauerte, 25 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen präsentiert. „Wir wollen das Haus zum Klingen bringen“, sagte Museumschef Oliver Kornhoff bei der Vorstellung des Jahresprogramms. Natürlich spiele Beethoven, dessen 250. Geburtstag 2020 weltweit gefeiert wird, da eine zentrale Rolle. Begleitend zur besagten Ausstellung „Die Geburt der Erinnerung“ zeigen die beiden rheinland-pfälzischen Kulturinstitutionen Villa Musica und Arp Museum in drei Konzerten das radikale Künstlertum des Musikgenies aus Bonn und des exzentrischen Malers aus Katalonien. „Für Dalí war Beethoven schon als Kind eine Vision in den Wolken, wie er in seinen ersten Memoiren geschrieben hat. Er hat diese Vision zu Papier gebracht und ist immer wieder auf Beethoven zurückgekommen. Hier treffen also zwei Jahrhundertkünstler aufeinander“, so Kornhoff.

Gestalterische Prinzipien der Metamorphose

Dritter im Bunde ist Hans Arp, mit dem der jüngere Dalí 1929 in Paris zusammentrifft. Hier Dalí, der mit akademischem Pinselstrich seine surrealen Visionen ins Bild setzt, und dort der zu dem Zeitpunkt bereits etablierte Lyriker, Maler und Bildhauer Hans Arp. Prägend ist für beide André Bretons surrealistisches Manifest, das eine Kunst propagiert, die aus dem Unterbewusstsein gespeist wird und die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit aufhebt. Ein Jahrzehnt lang nehmen beide Künstler gemeinsam an zahlreichen Ausstellungen und Aktionen teil. Sowohl Arp als auch Dalí arbeiten mit den gestalterischen Prinzipien der Metamorphose und der Transformation. Beide fügen Mensch, Natur und Dingwelt zu fantastischen Wesen. Gegenstände werden aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgenommen und in neue Kontexte gesetzt.

Als früher Multimediakünstler übersetzt Dalí die räumlichen Illusionen seiner Bilder in das Medium des Films. So dreht er zusammen mit Luis Buñuel 1929 das surreale Meisterwerk „Der andalusische Hund“. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl des filmischen Schaffens. Der Selbstdarsteller Dalí scheut auch nie die Nähe zur Populärkultur und ist unter anderem als Werbeillustrator tätig. In Verbindung mit seinem markanten Schnurrbart und eleganter Kleidung stilisiert er sich früh zur „Marke Dalí“.

„Sinn frisst“

Zeitgleich mit dieser Schau zeigt das Arp Museum unter dem Titel: „Sinn frisst“ den Maler und Plastiker Jonas Burgert. In der Suche nach einer übergeordneten Realität im Bild selbst knüpft die Ausstellung von Jonas Burgert an die von Dalí und Arp im Themenjahr 2020 „Total surreal“ führen die faszinierenden Arbeiten Burgerts den Dialog der beiden Avantgarde-Künstler Dalí und Arp in unsere Gegenwart fort. Jonas Burgert (* 1969, lebt und arbeitet in Berlin) zählt zu den Hauptfiguren der aktuellen internationalen Kunstszene. Seine Werke sind überwältigend in Format und Inhalt, voller Gegensätze und Rätsel, zeitlos und symbolhaft. Eigens für die große Einzelschau im Arp Museum Bahnhof Rolandseck schafft er neue monumentale Gemälde und raumgreifende Skulpturen. Hinzu kommen kleinformatige Arbeiten – vorwiegend Porträts. Burgerts einzigartige Malereien sind gegenständlich, detailreich ausgearbeitet und an Perfektion kaum zu übertreffen. Sie bestechen mit einer breiten Palette von Farben, die von dunkelgedeckt bis hellleuchtend reichen und in freier Gestik aufgetragen oder exakt gesetzt sind. Seine oft bühnenhaften Szenarien und Interieurs bewegen sich zwischen Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem. Aktuelle gesellschaftliche Bezüge verbinden sich mit klassischen Motiven der Kunstgeschichte. Archaische, mythologische und dem Zeitgeist entsprungene menschliche Figuren treffen aufeinander. Sie bevölkern die Leinwände und werden häufig von Tieren begleitet.

„Traum und Vision“

Die Kunstkammer Rau schließt sich an mit der Schau „Traum und Vision“ (Laufzeit: 21. Juni bis 10. Januar 2021). Sie ist Teil der surrealen Welten, die das ganze Arp Museum 2020 einnehmen. Da die Kunst der Alten Meister für Salvador Dalí stets Inspirationsquelle war, nimmt die Kunstkammer Rau den visionären roten Faden im Mittelalter auf. Sie verfolgt das Thema bis in die Moderne. Die reichen Schätze der Sammlung Rau für UNICEF werden ergänzt durch Leihgaben großer internationaler Museen und privater Sammlungen. Rund 60 Gemälde, Skulpturen und Handschriften verkünden Träume, Erscheinungen, Offenbarungen, Endzeiten, zeigen Engel in Zwiesprache mit den Heiligen, Sibyllen und Propheten.

Sammlung Arp 2020 – 2021

In der Sammlungspräsentation (13. September bis 6. Juni 2021) kommt es zu einer Begegnung vielschichtiger Werke der beiden Hauspatrone Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, die heute als Wegbereiter der beiden wesentlichen Tendenzen der Moderne gelten. Den besonderen Glücksfall, dass das Haus in wohl weltweit einzigartiger Weise die beiden Pioniere der geometrischen wie auch der organischen Abstraktion unter einem Dach vereint, wird zum Anlass genommen, die Besucherinnen und Besucher zu einer spannenden Entdeckungsreise einzuladen. Denn über die gemeinschaftlichen Arbeiten hinaus spiegeln auch zahlreiche weitere Werke eine erstaunlich nahe Auseinandersetzung mit denselben Motiven oder übergeordneten Prinzipien, wie z.B. dem Leerraum (negative Fläche), wider. Ausgewählte Dialoge zeigen, dass die in vielerlei Hinsicht konträre Bildsprache für das Künstlerpaar keinerlei Einschränkungen sondern vielmehr den jeweiligen individuellen Schaffensprozess bereichert.

„Alles in allem“

„Antonius Höckelmann Alles in allem“ wird, wie zuvor die Ausstellung „Sammlung Arp“ ebenfalls am 13. September eröffnet. Sie endet am 24. Januar 2021. Die Schau rückt mit diesem Künstler das Schaffen eines Bildhauers und Malers in den Fokus, der die rheinische Kunstszene entscheidend mitgeprägt hat. Von prominenten Künstlerkollegen wie Markus Lüpertz und Georg Baselitz wurde er sehr geschätzt. Die in der Ausstellung präsentierten Werke Höckelmanns sind unter anderem Teil der großzügigen Schenkung der Sammlung Mronz aus Köln. Sie bereichert das Arp Museum Bahnhof Rolandseck künftig um ein umfangreiches Konvolut an Werken dieses bisher unterschätzten deutschen Künstlers. Antonius Höckelmann (geboren 1937 Oelde – gestorben 2000 Köln) arbeitete Anfang der 1970er Jahre während eines Studienaufenthaltes im Künstlerbahnhof Rolandseck und dort werden nun seine expressiven, farbgewaltigen Arbeiten gezeigt. In seinen Gemälden und Zeichnungen sind frei gestaltete und figürliche Formen zu einem undurchdringlichen Ganzen verwoben. Die amorphen, fantasievollen Plastiken und Reliefs wuchern in den Raum und beeindrucken durch ihre Intensität.
Luxus und Glamour?

Das Ausstellungsjahr im Arp Museum schließt mit der Abschlussausstellung („Luxus und Glamour“? (4. Oktober bis 14. März 2021) der Stipendiatinnen und Stipendiaten des Künstlerhauses Schloss Balmoral und des Landes Rheinland-Pfalz. Die wechselseitige Bereicherung von Bildender Kunst, Mode und Schmuck hat eine jahrhundertealte Tradition. Bereits in der Moderne fanden zahlreiche Allianzen zwischen Mode und Kunst statt, die den Weg für eine zunehmende strukturelle Annäherung und diskursive Auseinandersetzung ebneten. Im Laufe des 20. Jahrhundert wurden nicht nur Fragen nach gestalterischen und gedanklichen Überschneidungen diskutiert, sondern auch das inhaltliche, oft visionäre und antizipatorische Potenzial in der Trias Bildende Kunst – Mode – Schmuck. Im Zuge der Demokratisierung und Popularisierung von Mode und Schmuck sind aktuell nicht nur die Grenzen zwischen Kommerz und künstlerischer Praxis fließender geworden, sondern auch die zwischen den sozialen Systemen, in die diese eingebettet sind. Ausgehend vom Jahresthema „Luxus und Glamour? Künstlerische Perspektiven in Mode und Schmuck“, dass für die Balmoral-Stipendien 2019/20 ausgeschrieben war, beleuchtet die Ausstellung die ästhetischen, materiellen, performativen, sozialen und kulturellen Implikationen von Mode und Schmuck. Im Fokus steht die Auseinandersetzung mit deren identitätsstiftendem Faktor sowie Mode und Schmuck als Ausdruck gesellschaftlicher Macht- und Geschlechterverhältnisse. Das formale und konzeptuelle Ausloten medialer Möglichkeiten, das Experimentieren mit Materialien und Techniken sowie die künstlerische Befragung relevanter Fragestellungen im Spannungsfeld von Luxus, Glamour, und Nachhaltigkeit spielen dabei eine zentrale Rolle. Peter Köster