Carsten Schumacher ist seit Mitte letzten Jahres Geschäftsführer der Capricorn Nürburgring GmbH. Mit ihm sprach Klaus Ridder, Motorjournalist (VdM), Kenner des Nürburgrings seit 1956 und Pressesprecher der Initiative ‚Freunde des Nürburgrings’.

Carsten Schuhmacher © Capricorn

Antwort:

Als ich angesprochen worden bin, ob ich die Position als Geschäftsführer des Nürburgring-Betreibers annehmen würde, war mir von Anfang an klar, dass das eine echte Herausforderung sein würde. Denn es geht darum, den Nürburgring nach dem Kauf aus der Insolvenz zu restrukturieren und weiter zu entwickeln. Äußerst reizvoll war für mich dabei der Umstand, dass ich Motorsport-affin bin und den Nürburgring und seine Rennstrecken von vielen Veranstaltungen und auch Fahrertrainings in der Zeit vor und nach den Umbauten kannte. Bevor ich allerdings die Entscheidung getroffen habe, habe ich mir ein umfassendes Bild vor Ort verschafft und Einblick in Unterlagen genommen. Denn das gehört zu meinen Grundprinzipen: Ich übernehme die Restrukturierung eines Unternehmens nur dann, wenn sie auch Aussicht auf Erfolg hat. Sehr schnell war mir klar, dass der Nürburgring ein riesiges Potenzial birgt. Es geht nicht nur darum, die Rennstrecken zu vermieten. Die große Herausforderung besteht darin, alle, dass heißt auch die bisher wenig genutzten Flächen wirtschaftlich möglichst ganzjährig zu nutzen. Unser erklärtes Ziel ist es, das Kerngeschäft weiter zu entwickeln und den Nürburgring nicht nur während der acht Monate dauernden Rennsaison zu betreiben, sondern auch in den Wintermonaten, in denen Motorsport witterungsbedingt nicht möglich ist.

Auch nach 13 Monaten im Amt bin ich davon überzeugt, dass man mit geeigneten Maßnahmen das Geschäftsmodell Nürburgring erfolgreich ausbauen und weiterentwickeln kann. Dafür stehe ich. Ich bin hoch motiviert und freue mich, gemeinsam mit dem Nürburgring-Mitarbeitern und den Gesellschaftern diese Aufgabe umzusetzen.

Frage 2:

Es sollen mehrere Millionen Euro investiert werden, so der Kaufvertrag. An was haben Sie gedacht und welche Zeitvorstellungen gibt es?

Antwort:

Es gilt, für den Nürburgring, ein tragfähiges und kostendeckendes Geschäftsmodell zu entwickeln und umzusetzen. Dafür muss man Geld in die Hand nehmen und Investitionen tätigen. Das sieht auch der Mehrheitsgesellschafter der Käuferin CNBG, die NR Holding AG, so und ist unabhängig vom Kaufvertrag bereit, die notwendigen Mittel in die Hand zu nehmen.

Aus meiner Sicht sind folgende Investitionen erforderlich:

Der eigentliche Anziehungspunkt des Nürburgrings ist die weltbekannte Nordschleife. Die Strecke erfordert jährliche Investitionen um sie einsatzfähig zu halten und schrittweise zu erneuern. Sie muss technisch weiter entwickelt werden, damit sie den Anforderungen einer modernen Rennstrecke im 21. Jahrhundert entspricht. Gegenwärtig erneuern wir bereits einen Kilometer von Grund auf. Dabei soll die Nordschleife in ihrer bisherigen Struktur und mit ihrer einzigartigen Charakteristik erhalten bleiben. In diesem Zusammenhang sind auch die Konsequenzen – wie das vom DMSB beschlossene Tempolimit an bestimmten Streckenabschnitten – bedeutsam, die sich aus dem schweren Unfall beim ersten VLN-Saisonrennen ergeben haben. Wir sind der Meinung, dass diese Konsequenzen primär Reaktionen sein müssen, die die Technik der Fahrzeuge, also Aerodynamik, Topspeed und Reifen, betreffen.

Mit der technischen Weiterentwicklung der Strecke auch die Einführung eines neuen Ticketing-Systems verbunden. Wir wollen den Zugang zur Nordschleife besser organisieren. Aktuell besteht die Situation, dass am Wochenende ein extrem starker Touristenverkehr herrscht und unter der Woche ein deutlich geringerer Verkehr. Hier wollen wir eine gleichmäßigere Auslastung erreichen.

Zudem wollen wir die Voraussetzungen schaffen, damit das Geschehen auf dieser weltberühmten Rennstrecke auch entsprechend dokumentiert werden kann, was aufgrund der Streckenlänge der Nordschleife bisher nur schwer möglich ist. Das sieht man beim 24-Stunden-Rennen, bei dem mit enormem Aufwand durch den Einsatz von Hubschraubern das Renngeschehen dokumentiert wird. Es wäre viel besser, wenn das Geschehen – nicht nur bei Rennen – durch Streckenkameras erfasst würde. Das würde nicht nur die Sicherheit erhöhen, sondern auch faszinierende Fernsehbilder liefern, mit denen die Rennen für Zuschauer noch attraktiver werden und letztlich auch neue Sponsoren anlocken.

Das Ganze ist jedoch mit hohen Investitionen verbunden, die refinanziert werden müssen.

Frage 3:

In der Presse war zu lesen, dass mehrere Einrichtungen des Nürburgrings geschlossen werden sollen. Gibt es schon konkrete Vorstellungen?

Antwort:

Fest steht: Der ring°racer wird abgebaut, weil er am Nürburgring betriebswirtschaftlich nicht profitabel betrieben werden kann. Allerdings können wir den ring°racer nur außerhalb der Saison demontieren. Er soll nun Ende des Jahres abgebaut und verkauft werden.

Gibt es schon Käufer?

Es gibt einen Markt, es gibt auch Interessenten, aber einen Käufer gibt es noch nicht.

Was das Eifeldorf betrifft, so haben wir festgestellt, dass wir einzelne Einrichtungen bei Großveranstaltungen Event-bezogen profitabel betreiben können. Das bedeutet, dass bei ausgewählten Großveranstaltungen beispielsweise das Eifelstadl oder das Brauhaus geöffnet werden.

Ein anderer wichtiger Bereich ist das ring°werk. In einem ersten Schritt haben wir die Preise reduziert. Desweiteren werden wir einige Attraktionen, die nicht mehr zeitgemäß sind, entfernen. Die dadurch frei werdenden Flächen wollen wir unter anderem nutzen, um in diesem Ambiente Firmen-Veranstaltungen durchzuführen, für die es eine große Nachfrage gibt.

Das ring°werk spielt auch eine Rolle in unseren Überlegungen, das wachsende Interesse an historischen Fahrzeugen zu nutzen. Wir haben im Laufe des Jahres bereits eine Reihe von Veranstaltungen rund um das Oldtimer-Geschäft, nicht nur den Oldtimer-Grand-Prix. Wir können uns vorstellen, Ausfahrten bzw. Sternfahrten zu organisieren und dabei neben der herrlichen Eifel-Region vor allem die Nordschleife, das historische Fahrerlager und auch das ring°werk zu integrieren. Das bedeutet: Wir denken darüber nach, wie wir die Region gemeinsam mit unseren Touristikpartnern aktiv in unsere Planungen einbeziehen können. Denn von attraktiven Veranstaltungen am Nürburgring, die viele Besucher anziehen, profitieren wirtschaftlich alle: Der Nürburgring, die Menschen und die Unternehmen in der Region. Wir wollen insofern einen Schulterschluss mit der Region.

Frage 4:

Die lokale Presse hat in den letzten Jahren viel Negatives über den Nürburgring berichtet. Haben Sie schon Vorstellungen, wie Sie das verbessern wollen/können?

Antwort:

Es hat ja seinen Grund gehabt, weshalb nicht nur die regionale Presse meistens mit einem negativen Hintergrund über den Nürburgring berichtet hat. Doch richten wir den Blick nach vorne. Seit dem Kauf des Nürburgrings wollen wir es besser machen. Unser Ziel ist es, das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln und Veranstaltungen optimal zu organisieren. Denn nur zufriedene Kunden, also Zuschauer und Touristenfahrer, der Industriepool der Automobilhersteller und Veranstalter etc., werden wiederkommen, werden positiv berichten und möglicherweise neue Kunden mitbringen.

Der Nürburgring hat in der ganzen Welt einen hervorragenden Ruf, die Faszination, die vom Nürburgring ausgeht, ist ungebrochen. Uns muss es gelingen, dass unsere Kunden und Gäste weiterhin zum Nürburgring kommen wollen, um sich hier tolle Veranstaltungen anzuschauen. Eine dieser herausragenden Veranstaltungen, die neu im Nürburgring-Programm ist, ist die weltweit führende Sportwagen-Weltmeisterschaft FIA World Endurance Championship mit dem Rennen der Le-Mans-Prototypen um die Langstrecken-Weltmeisterschaft am 30. August.

Wie gesagt, der Nürburgring ist in der Motorsport-Branche weltbekannt. Doch wir haben mehr zu bieten als die Strecke und die Rennveranstaltungen. Der ring°boulevard, die ring°arena, das ring°werk sind exzellente Locations für Events unterschiedlichster Art, für Messen, Kongresse, Firmenveranstaltungen, private Feiern, Konzerte und Sportevents. Diese Angebote wollen wir bekannter machen und im Markt etablieren. Dann wird sich die Berichterstattung in den Medien zwangsläufig verbessern.

Frage 5:

Etwa 2.500 Menschen leben in der Region vom Nürburgring (Hotels, Pensionen, Taxiunternehmen, Bäcker, Metzger, Veranstalter von Fahrerlehrgängen, Gastwirtschaften, …). Wie werden Sie künftig mit den Betrieben in der Region zusammenarbeiten?

Antwort:

Wenn es dem Nürburgring gut geht, geht es auch der Region gut – so sehen es wohl die meisten Menschen. Wenn es uns gelingt, mit unseren Partnern erfolgreiche Veranstaltungen durchzuführen sowie viele Kunden und Gäste zum Nürburgring und in die Eifel zu locken, dann wird auch die Region entsprechend partizipieren. Das ist unser erklärtes Ziel.

Frage 6:

Das historische Museum wurde abgerissen, die wertvollen Exponate wurden teilweise ausgelagert. Das ring°werk wird nicht angenommen. Haben Sie schon Vorstellungen, wie ein künftiges Museum aussehen kann?

Antwort:

Über die Option, dort Firmen-Veranstaltungen zu organisieren, hatte ich ja schon gesprochen. Wir wollen das ring°werk durch einen Mix aus Attraktionen, Ausstellungen und Veranstaltungen bespielen.

 

Zusatzfrage: Das Prototyp-Museum in Hamburg veranstaltet 1-2 Sonderausstellungen im Jahr – so ‚Fahrzeuge der DDR und der BRD in den 50er Jahren‘. Exponate werden angeliehen und ausgestellt für 2-3 Monate mit einer Eröffnungsveranstaltung. Das zieht auch Leute zusätzlich an. Wäre das auch etwas für das „ring°werk“?

Wir haben im „ring°werk“ teilweise auch schon Sonderausstellungen gehabt, beispielsweise zum Jubiläum der DTM. Ich finde das interessant, aber man muss natürlich immer überlegen, wie viele neue Leute man damit ins „ring°werk“ lockt. Zumindest ein Teil der Flächen muss regelmäßig neu gestaltet werden, damit die Besucher möglichst regelmäßig wiederkommen.

Wir werden prüfen, ob bestehenden Meilenwerkkonzepte in das ring°werk integriert werden können. Flächen haben wir jedenfalls genug.

Frage 7:

Wird es 2017 ein F1-Rennen auf der Grand Prix-Rennstrecke geben?

Antwort:

Wir würden uns freuen, wenn die Königsklasse des Motorsports in 2017 wieder auf dem Nürburgring gastiert. Denn sie bedeutet für den Nürburgring zweifellos ein positives Image und weltweite Bilder. Vor allem ist sie ein Wirtschaftsfaktor für die Region. Aber es muss sich grundlegend etwas ändern: Die Formel 1 muss für den Nürburgring-Betreiber als privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen finanzierbar sein. In diesem Jahr wäre sie für uns ein Verlustgeschäft geworden, auch wenn wir sogar bereit waren, einen vertretbaren wirtschaftlichen Verlust hinzunehmen.

Es macht für keinen Strecken-Betreiber in Deutschland Sinn, eine Formel 1-Veranstaltung zu organisieren, die von vornherein Verluste einfährt. 

Aus meiner Sicht ist die Formel 1 im Umbruch. Es werden zunehmend Stimmen laut, die fordern, dass die Formel 1 angesichts der sinkenden Zuschauerzahlen und Einschaltquoten, wieder attraktiver gestaltet werden muss. In diesem Zusammenhang stehen auch die hohen Antrittsgelder in der Kritik, die offenbar von einigen europäischen Rennstreckenbetreibern nicht mehr bezahlt werden können. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Wiege des Motorsports in Europa, insbesondere auch in Deutschland liegt. Daher haben wir verabredet, dass wir gemeinsam überlegen, wie ein Formel 1-Rennen in der größten Autonation Europas wieder stattfinden kann. Patentrezepte gibt es dafür nicht und es bleibt auch abzuwarten, ob es vor dem Hintergrund der bestehenden Probleme ein Umdenken bei den Verantwortlichen geben wird.

Frage 8:

Dr. Robertino Wild wollte einen zusätzlichen Industriepark bauen. Soll das weiter betrieben werden und gibt es da schon konkrete Vorstellungen?

Antwort:

Der Nürburgring hat, wie ich schon ausgeführt habe, ganz große Potenziale, die es optimal zu nutzen gilt. Das ist unsere Aufgabe. Die Frage nach einem zusätzlichen Industriepark stellt sich zumindest momentan nicht.

Frage 9:

Von November bis Anfang April ist „tote Hose“ in der Region Nürburgring. Haben Sie Ideen, wie Sie diese „arbeitslose Zeit“ überbrücken können?

Antwort:

Wir haben ja schon eine ganze Reihe von Veranstaltungen im ersten und vierten Quartal, nur nicht in dem Umfang, der eigentlich notwendig wäre. Wir können, das sagte ich schon, das Messe- und Kongress-Geschäft ausbauen, da gibt es einen relevanten Markt. Allerdings müssen wir uns immer bewusst sein, dass der nächste Flughafen eben in Köln, Düsseldorf respektive Frankfurt ist. Insofern ist der Markt eingeschränkt. Es gibt eine attraktive Fläche, die wir verstärkt anbieten müssen, auch für Sport- und Musik-Events. Unsere Vertriebsstruktur haben wir entsprechend neu aufgebaut. Wir haben bereits eine Vielzahl an interessanten und erfolgversprechenden Gesprächen geführt.

Frage 10:

Die Nordschleife hat einen einmaligen Ruf in der Welt des Motorsports, ist allerdings nicht so sicher wie vergleichsweise der Grand-Prix-Kurs. Es hat beim ersten Saisonrennen einen Unfall mit einem toten Zuschauer gegeben. Haben Sie vor, da etwas zu ändern?

Antwort:

Kurzfristig wurden zwei Zonen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt, damit die Saison 2015 stattfinden kann. Dass ein Tempolimit ein Novum auf einer Rennstrecke ist, darüber müssen wir nicht diskutieren. Daher wollen wir das Tempolimit auch wieder abschaffen. Das Ziel muss sein, dass diese Strecke, die über 80 Jahren alt ist, ihren einzigartigen Charakter behält. Die Fahrzeuge müssen an diesen Kurs angepasst werden, damit gefahrenlose Veranstaltungen stattfinden können. Wir haben bereits eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, um den Zuschauerschutz zu erhöhen. Und wir prüfen, was wir noch tun können, um zu verhindern, dass Menschen zu Schaden kommen.

Frage 11:

Welchen direkten Einfluss wird der russische Investor Viktor Kharitonin nehmen? Lässt Kharitonin sich am Ring sehen?

Antwort:

Viktor Kharitonin war bereits mehrmals am Nürburgring. Er beschäftigt sich regelmäßig mit dem Ring und bringt Ideen ein. Das neue Geschäftsmodell will Viktor Kharitonin, der übrigens ein ausgeprägtes Interesse am Sport hat und eine Sammlung an Rennfahrzeugen besitzt, aktiv mitgestalten. Er weiß, dass dafür Investitionen notwendig sind, und er weiß auch, dass wir eine Zeit brauchen werden, um diese Maßnahmen umzusetzen.

Frage 13:

Die Region leidet darunter, dass in diesem Jahr das Rockfestival ausgefallen ist. Gibt es für 2016 schon Planungen?

Antwort:

Es war letztlich nicht unsere Entscheidung, dass sich die DEAG aus dem geplanten Festival am Nürburgring DER RING – Grüne Hölle Rock kurzfristig verabschiedet und nach Gelsenkirchen umzieht. Fest steht: Wir waren mit der Vermarktung des Festivals und dem Ticketverkauf durch unseren Partner in keinster Weise zufrieden. Gegenwärtig prüfen wir, wie wir auf diese unerfreuliche Entwicklung reagieren werden. Mit unserem langjährigen Partner, der Marek Lieberberg Konzertagentur, haben wir inzwischen Gespräche über mögliche Musikevents aufgenommen

Klaus Ridder © Klaus Ridder

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