Ein Volk, ein Präsident, ein Karlspreis für die Ukraine

Am 14. Mai wurde der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Krönungssaal des Aachener Rathauses für Mut, Tapferkeit und Hoffnungen seines Volkes ausgezeichnet. Ein Bekenntnis für Europa.
Besondere Sicherheitsmaßnahmen waren nötig, um diesen besonderen Karlspreis an die Ukrainer und ihren Präsidenten zu verleihen. Ein Land befindet sich im Krieg. Die Antwort kommt aus Europa, mehr denn je vereinigt. Bei der Verleihung gab es Sicherheitskräfte wie nie zuvor in Aachen, Scharfschützen, Hubschrauber, zivile wie uniformierte Einsatzkräfte haben keine Gefahren zugelassen – in einer kleinen Großstadt mit tiefen Wurzeln für den europäischen Gedanken. Wenn die Helikopter tief fliegen und Schwerbewaffnete patrouillieren, bekamen auch die geladenen Gäste ein wages Gefühl dafür, wie es in einem Kriegsgebiet zugehen könnte.

Die Würfel sind gefallen

Minutenlang war der Beifall der Gäste im Rathaus, die geduldig auf die Ankunft des Bundeskanzlers Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj warten mussten. Zahlreiche Gäste aus Wirtschaft, Kirche, Gesellschaft und Politik haben diesen Moment in Aachen mit stehenden Ovationen gewürdigt. Bundeskanzler Scholz, der zuvor aus Berlin mit dem Preisträger angereist war, fand klare Worte beim Du. „Wir stehen in Europa hinter der Ukraine und ihren Menschen.“ Als Diener des Volkes habe er Standhaftigkeit, Mut und Entschlossenheit bewiesen, um die europäischen Werte zu verteidigen.

Ein Zusammenrücken aller Partnerländer scheint auf EU- und NATO-Ebene näher zu rücken. Die Würfel sind gefallen, da mit dem Aggressor Putin alle Optionen der Diplomatie derzeit gefallen seien, sagte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. „Die Ukraine verteidigt die EU an ihren Grenzen. Bei Feuer muss man dem Nachbarn helfen“, sagte er. Polen bekennt sich zur NATO und der EU. Eine wichtige Achse, zu der auch Frankreich stehe. Propaganda aus Russland, die Nazi-Vergleiche als Kriegsgrund herstelle, erteilte er eine klare Absage. So geht Versöhnung.Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen als Gastgeberin der Stadt Aachen konnte zahlreiche Gäste begrüßen, darunter EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Armin Laschet und nicht zuletzt Friedrich Merz. Christdemokraten und Sozialdemokraten wie Saskia Esken, Katarina Barley und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker trafen sich zum „historischen Ereignis“. Chernihiv werde Partnerstadt Aachens, verkündete die Oberbürgermeisterin.

Karlspreis Aachen 2023
Der „Olaf“ hält sein Wort als Kanzler. „Wir stehen zur Ukraine solange es dauert.“ © Stadt Aachen / Andreas Steindl

Das Unmögliche wahr machen

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, versprach Hilfe auf allen Ebenen: „ Vier Millionen Menschen, die wegen Putins Bomben ihre Heimat verlassen mussten, haben Zuflucht in der EU gefunden“, sagte sie. Vor allem die Kinder müssten eine Zukunft in Frieden haben. Was wäre, wenn unsere Aufgabe als Europäerinnen und Europäer hieße: Zusammenstehen und das Unmögliche möglich machen. „Der Moment für das Aufstehen und die Demokratie ist jetzt gekommen.“
Frieden ohne Waffen ist keine Option

Doch ein Frieden ohne Waffen sei nicht zu haben, betonte Wolodymyr Selenskyj und bedankte sich in Aachen für die Anteilnahme und finanzielle Unterstützung seines Volkes aus Deutschland und „bei Olaf“. Ein Präsident, der inmitten eines brutalen Krieges für sein Volk kämpft und in Aachen stolz war, auch auf Ukrainisch im Krönungssaal sprechen zu können. „Wir wollen in die europäische Kultur zurückkehren.“ Unterwegs in der sicheren Welt, ringt er um finanzielle Unterstützung, Waffen und Werte. Wie mag es wohl sein, nach einer Tour durch Europa Soldaten*innen die zivile Bevölkerung in der Heimat vor Ängsten und Gewalt zu bewahren. „Alle Ukrainer sind Helden“, lautet seine Antwort bei anhaltendem Beifall in Aachen. Und ganz deutlich sagte der Präsident: „Frieden geht nur über siegen“, gegen die Tyrannei Putins.Alle Kanäle für eine diplomatische Verständigung seien gescheitert: „Wir brauchen die Unterstützung Europas, denn dort sehen wir unsere Zukunft.“ Freiheit und demokratischer Willen werde jetzt entschieden, für (s)ein Volk, das in die Zukunft blicke. Vor allem für die nächste Generation, die keinen sinnlosen Krieg mehr erleben müsse. Der EU-Beitritt und die NATO-Mitgliedschaft stehen auf der Agenda.

Karlspreis Aachen 2023
Winken für die Freiheit. Gefühlte drei Minuten auf der Bühne am Katschhof hinter dem Aachener Rathaus wirkten stark trotz mutmaßlicher Gefahr. © Stadt Aachen / Andreas Steindl

Krieg ist grausamer Alltag

Die Verleihung des Preises ist ein wichtiges Ereignis, nicht nur für unseren Präsidenten Selenskyj, sondern auch für das gesamte ukrainische Volk. Nicht nur für diejenigen, die jetzt an der Front für den Frieden in der Ukraine kämpfen, sondern auch für diejenigen, die wegen des Krieges in andere Länder geflohen sind. Es ist für sie – als Anerkennung dafür, dass Europa und die Welt vor Russlands Krieg nicht “die Augen verschließen”, wie sie es im Fall der Annexion der Krim getan haben, sondern endlich erkannt haben – dass es sich um einen echten Krieg handelt, der weder Frauen noch Kinder verschont. Kürzlich kehrte ich aus der Ukraine zurück, und eine Frau erzählte mir, dass sie wie durch ein Wunder aus Gostomel entkommen war, ihre Nachbarn wurden vor ihrem Haus im Garten begraben, sagte Svitlana Mazur im Gespräch, eine Journalistin, die auch im Kriegsgebiet war.

Vor Ort leistet etwa das Blau-Gelbe Kreuz als Verein in Aachen Hilfe, ist gleichzeitig Anlaufstelle für viele Fragen. Dr. Kateryna Kravchenko arbeitet in Aachen, hofft für ihre Landsleute auf die Heimkehr in eine sichere Heimat. „Es war ein Gänsehautmoment, unseren Präsidenten nah und in Freiheit erleben zu können.“ Wir wollen und werden Mitglied der europäischen Familie werden, lautete der Tenor am Tage der Karlspreisverleihung.

„Wir in Europa stehen wie der Bundeskanzler auch langfristig zu den Menschen in der Ukraine“, betonte Dr. Jürgen Linden als Vorsitzender des Karlspreisdirektoriums im Gespräch. Die Zeit der schönen Reden sei vorbei. Europa müsse nun Flagge zeigen, robust und materiell. Diese Botschaft sei von Aachen bis in die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, China … weitergetragen worden. Als Unternehmer und Wissenschaftler sagte Prof. Dr. Günther Schuh: „ Aachen ist keine kleine Großstadt, sondern ein Schwergewicht, wenn wir über den europäischen Gedanken reden.“

(Frank Fäller)