Berlin. Der Gropius Bau zeigt bis zum 14. Januar die Künstlerin und Filmwissenschaftlerin Pallavi Paul. Als Artist in Residence 2023 wird sie im ersten Obergeschoss des Museums als Auftakt zu Pauls großer Einzelausstellung „How Love Moves“ (2024) präsentiert.
Prozess des Wandels
„Wir befinden uns in einem kontinuierlichen Prozess des Wandels, der Verschiebung und der Veränderung – aber wo verorten wir darin die Frage nach der Wahrheit?“ sagt Pallavi Paul. Die Arbeit der Künstlerin bewegt sich an der Schnittstelle von Kino, Literatur und politischen Konfliktlinien. In ihrem multidisziplinären Schaffen, das Film, Installation, Performance, Zeichnung und Text umfasst, nutzt sie die Kamera, um zu hinterfragen, wie spirituelle, technologische, politische und historische Konstruktionen von Wahrheit im öffentlichen Leben produziert und aufrechterhalten werden.
Dokumentarfilm
Sie interessiert sich insbesondere für die Spannung zwischen dem Dokument und seiner ästhetischen Ausdrucksform – dem Dokumentarfilm – als disruptive Methode, um Vorstellungen von Zeit, Raum und Geografie in Frage zu stellen. Pallavi Pauls filmische Arbeiten entstehen an der Grenze von Fiktion und Dokumentation und produzieren visuelle Poesie über verschiedene Referenzsysteme hinweg. Sie zitieren oft Funde aus Nachrichten, YouTube, sozialen Medien, historischen Quellen und mehrsprachigen Texten. Diese setzt die Künstlerin neu zusammen und kombiniert sie mit eigenem Material. Ihre Filme machen das Publikum mit den Anfängen des Kinos als Medium der Magie vertraut, und lassen gleichzeitig immer wieder mutige, unheimliche und lebhafte Protagonistinnen und Protagonisten in Erscheinung treten.
Domäne der Magie
„Als Filmemacherin und Filmwissenschaftlerin eröffnet Pallavi Paul höchst fantasievolle Zugänge zum Cineastischen als eine Domäne der Magie und des kollektiven Unbewussten – während sie zugleich auf komplexe politische Brüche im heutigen Indien hinweist“, sagt die Kuratorin Natasha Ginwala.
Pauls filmisches Interesse an den Verbindungen von Liebe, Atem und Körper wird in „How Love Moves: Prelude“ rund um die Dreikanal-Videoinstallation „Cynthia Ke Sapne / The Dreams of Cynthia“ (2017) in den Fokus gerückt. Die Präsentation ist eingebettet in eine räumliche Szenographie aus einer Serie von Zeichnungen auf Papier (Out of Date, 2018–fortlaufend) und Textil- und Videoarbeiten (Dum, 2022, und „Changing Places in the Fire“, 2022) sowie einem neu entwickelten Buchobjekt (Hypnagogia, 2023). Sie verwandelt den historischen Schliemannsaal in einen Raum des Zwielichts, genährt durch die Leuchtkraft des bewegten Bildes.
Soft Display auf dem Boden
Der Filmausschnitt „Changing Places in the Fire“ ist Teil einer fortlaufenden Videoserie, die miteinander verknüpfte Szenarien aus Geschichte, Literatur, Philosophie, Medizin und Meditationspraktik zusammenbringt. Das Werk, das von Li-Young Lees gleichnamigem Gedicht aus dem Jahr 2017 inspiriert ist, wird auf einem am Boden platzierten Soft Display gezeigt. Dieses lädt Besucherinnen und Besucher ein, sich in fließende Filmszenen aus Wasser, Luft und Feuer zu begeben. Bodyscans und Zeitungsartikel, die auf den Atem und seine Verflechtung mit der Welt hindeuten, unterbrechen diese Szenen.
Pallavi Paul lebt in Neu-Delhi und Berlin. Sie ist bildende Künstlerin, Filmwissenschaftlerin und Artist in Residence 2023 des Gropius Bau. Sie promovierte in Filmwissenschaften an der School of Arts and Aesthetics, Jawaharlal Nehru University, Neu-Delhi. 2022 war sie Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Ihre Arbeiten wurden unter anderem auf dem „Berlinale Forum Expanded“, Berlin (2022) sowie in der Tate Modern, London (2013) gezeigt. pk