Große Schätze und starke Werte – TEFAF 2022 Maastricht

Erstaunliches fand der Aachener Illustrator Detlef Kellermann bei einem Rundgang über die Messe. Foto: Detlef Kellermann

Was ist wertvoll: Sind ist es alte Meister oder Zeitgenossen?  Sammler, Kunstliebhaber, Kuratoren, Direktoren wichtiger Sammlungen weltweit haben sich bei der TEFAF 2022 kürzlich in Maastricht ein Stelldichein gegeben.  Etwas kleiner, aber feiner fand die Messe statt. Es geht um Kunst, Geld,  Vertrauen und Kontakte vor Ort.

Nach einem Überfall am 28. Juni auf einen Schmuckstand auf der Messe haben sich die TEFAF-Aussteller gegenseitig unterstützt und zusammengehalten. Der Vorsitzende Hidde van Seggelen äußerte sich mit anerkennenden Worten über den engen Zusammenhalt der Gemeinschaft der Aussteller untereinander, von denen einige bereits seit vielen Jahren auf der Messe vertreten sind: „Die Stärke der TEFAF liegt in unserer Gemeinschaft der Aussteller, die alle der TEFAF-Stiftung angehören.“

Die Exponate von rund 240 Ausstellern aus 20 Ländern waren wie immer handverlesen. Alles echt. 90 Museen waren auf der Messe vertreten, und die Aussteller meldeten Verkäufe und reges Interesse von einigen der größten Kunstinstitutionen der Welt, darunter zahlreiche aus den USA. Über Preise spricht man nicht gerne, Erlöse werden diskret mitgeteilt. Kaufen und verkaufen ist ein Messegesetz. Die Schatzkammer wurde geöffnet, das steht fest. Bis zu siebenstellige Summen wurden umgesetzt, bezahlt in Leitwährungen wie Euro, US-Dollar oder britischem Pfund.

Wie wunderbar war es, so viel Kunst auf einer Ebene  zu erleben: Die „Bücherecke“ mit herausragenden Werken der Galerie Dr. Jörn Günther Rare Books lag nunmehr Parterre mit allen anderen Exponaten, von der Antike über mittelalterliche Schätze bis zu Contemporary art. Ein Cross-over, das vielen Ausstellern gefiel. „So kommen wir mit allen ins Gespräch“, sagte Dr. Jörn Günther, der meisterliche Buchdrucke zeigte. Mehrere Millionen Euro wert. „Diese Schriften aus dem Mittelalter waren buchstäblich geschlossene Bücher auf Pergament. Handschriftlich kalligrafiert, farbig und mit Lapislazuli und Blattgold verziert konnten sie so Jahrhunderte überdauern.“  Erstaunlich, dass sich zeitgenössische Künstler besonders für Werke der  klösterlichen „Universitäten“ interessierten. Die TEFAF konzentriert sich nach wie vor auf ein breites Spektrum, mit großem Erfolg.

Zeitgenössisch zeigte sich die Galerie Schönewald Fine Arts aus Düsseldorf, die mit der Teilnahme unterm Strich „zufrieden war“. Minimal art aus den USA  und Werke von Gerhard Richter, Baselitz und Polke haben die erfahrenen Galeristen aus Düsseldorf im Portfolio. „Es ist schön nach zehn Jahren wieder dabei zu sein“, sagte Ulla Gansfort.

Ingeborg Henze-Ketterer (Galerie Henze & Ketterer & Triebold) vertrat den deutschen Expressionismus, ein Gemälde von Erich Heckel wurde für rund 4,5 Millionen Euro angeboten. Der Clou: das Werk ist von beiden Seiten bemalt. Im Elternhaus ist sie mit Kunst und Künstlern aufgewachsen.  „Wir verstehen uns als Hüter der deutschen Szene rund um Ernst Ludwig Kirchner, deren Nachlassverwalter unsere Familie ist.“ Schätze des Expressionismus: Marc Triebold kennt das Geschäft: „Das Bild der Messe war für mich dieses Jahr ein ganz wunderbares, großes  Figurengemälde Emil Noldes von meinem Kollegen Manuel Ludorff, gut verkauft. Er konnte dieses glücklicherweise in eine gute Sammlung platzieren, worüber wir uns sehr gefreut haben.“ Große Schätze haben ihren Preis, die Kenner treffen sich und evaluieren, auch ohne Neid.

Die Geschichte hinter der Geschichte macht den Wert aus. Ein Selbstportrait als Cleopatra zeigt eine verzweifelte Malerin Artemisia Gentileschi um 1620 mit Selbstmordabsichten. © Jean-François Heim 2022

Kongo und Diamanten

Eindrucksvoll sind die Skulpturen aus Afrika, die Bernard de Grunne aus Brüssel zeigte. Kongo und Südafrika sind die Schwerpunkte. Ein Blick genügt, um den Spuren der Menschheit ins Auge zu blicken und ihren Spuren zu folgen. Die Werte liegen immer im Auge des Betrachters. Ist das Beutekunst oder werden auch Schätze erhalten? Hervorragende Zeugnisse früher Kulturen, die hoffentlich ob der aktuellen Umstände im Westen der Welt nicht in Vergessenheit geraten werden.

Von diesem Problem losgelöst ist Christian Hemmerle von der gleichnamigen Galerie aus München, dessen Mutter aus Aachen stammt. Edler Schmuck ist sein Metier. Es funkelt in diesem besonderen Messestand, der sich mit Holzwerk umgibt. „Unser Ziel als Juweliere ist es, die Klassiker von morgen jetzt zu fertigen. Mit natürlichen Materialien, die alle aus unserer Erde kommen.“ Das muss man sich leisten können. Ist nur Neid auf die Reichen und Schönen ein Auslöser für Attacken? Anna Hu ist ein Shooting-Star! Fantastische Schmuckstücke finden immer ihre Käufer, Gewalt ist sicher keine Lösung.

Erstmalig lud TEFAF Talks weltweit renommierte Wissenschaftler und Kommentatoren dazu ein, sich an einem dynamischen Rahmenprogramm zu beteiligen, um Gesprächsrunden zu begleiten und neue wie erfahrene Sammler und Kunstliebhaber an den Einblicken in die Branche teilhaben zu lassen.  Hidde van Seggelen fügte mit Blick auf die Messe hinzu: „Diese Messe war wegen ihrer kürzeren Dauer und des geänderten Messezeitpunkts im Jahr eine echte Herausforderung.  Wir haben uns sehr gefreut, dass das Besucheraufkommen qualitativ wie auch quantitativ stark war.“

So auch der TEFAF Museum Restoration Fund (pro Jahr werden maximal  50.000 € für Projekte vergeben), der in Kooperation mit dem Museum Boijmans van Beuningen die Restaurierung eines Van Gogh-Gemäldes fördert und dem staunenden Publikum Sandra Kisters so erklärte. „Wir untersuchen das Gemälde auf Farben, die der Maler in einer zweiten Ausfertigung aufgetragen haben könnte, um mehr Licht oder Leuchten in das Landschaftsmotiv zu bringen.“ Spannend, weil es schon damals hätte bedeuten können: einen Schritt vorwärts gehen!

Die Erstausstellerin, die in New York lebende Schmuckkünstlerin Anna Hu verkaufte ihre Enchanted Lily Brooch aus Rubellit für einen siebenstelligen Betrag an einen chinesischen Tech-Unternehmer. Foto: Bernhard Wamper

Detlef Kellermann:  „Mein erstes Mal“

Erste Schritte unternahm bei seinem Rundgang über die TEFAF Detlef Kellermann, Aachener Künstler und Illustrator, so: „ Den großen Belobigungen der letzten Jahre standen immer meinem Vorurteil, dort auf wenig spannende zeitgenössische Kunst zu treffen, im Wege. Neben erhabenen Momenten war es auch ein Tag relativierender Eindrücke.  Das gesamte Ambiente, die ausgestellten Objekte und auch das Publikum sind eine gesicherte Wohlstandsdemonstration. Hier stellt die Kunst, die zugegebener Weise von höchster Könnerschaft vergangener Künstler,- und Designer-Epochen Zeugnis ablegt, nur die eine Frage. Die nach dem Preis. Ergänzend finden wir Galerien mit klassischer Moderne, selbstverständlich Arbeiten von Kirchner bis Picasso, Basquiat, Baselitz und Richter. Und somit auch mit dem Prädikat „Zeitgenössisch“ versehen.  Bis meine Aufmerksamkeit allmählich vollkommen  den dort arbeitenden Menschen, den Besuchern und Sammlern dieser Verkaufsmesse galt. Fangen wir bei dem Personal, den Hostessen und den oft bildschönen Galeristinnen oder deren Angestellten an. Eine Freude mit welcher aufmerksamen Freundlichkeit Häppchen, Getränke, ein Lächeln und Information verschenkt wurden.“  (Frank Fäller)

Die TEFAF Maastricht 2023 findet von Samstag, 11. März, bis Sonntag, 19. März, im MECC statt.

Mehr Informationen

Britta Fischer, TEFAF-PR-Managerin für den deutschsprachigen Raum, teilte weitere Details aus diesem Jahr mit, die auch das Kerngeschäft mit großen Meistern  betreffen.

Thomas Salis meldete einen Verkauf an die Europäische Union: L’esprit de Locarno von Max Ernst wird zukünftig im Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel zu sehen sein. Stuart Lochhead verkaufte eine seltene französische Skulptur, Maria mit dem Kind, für einen siebenstelligen Betrag an ein amerikanisches Museum.  Dank der Großzügigkeit der Vereniging Rembrandt konnte das Museum Rotterdam von Haboldt & Co  ein Werk von Cornelis Saftleven, das einen Cattle Market with the Ruins of Castle Honingen in Kralingen zeigt, für 450.000 € erwerben. Hidde van Seggelen veräußerte, neben zwei Verkäufen an das Museum Voorlinden, noch ein weiteres Gemälde, DA CAPO 2022 von Suchan Kinoshita, an das Museum Boijmanns Van Beuningen in Rotterdam.  Lullo Pampoulides  bestätigte zwei Verkäufe an Museen im hohen sechsstelligen Bereich – ein Terrakotta-Modell des Saint Jerome von Agostino Corsini sowie ein bedeutendes Gemälde, Moses striking the water from the rock von Jacopo da Ponte, genannt Bassano, und Francesco da Ponte.

In diesem Jahr wurde zudem eine beachtliche Anzahl an Werken von Künstlerinnen gezeigt, und deren Beliebtheit zeigte sich deutlich an den Verkäufen – das gilt für historische wie zeitgenössische Werke gleichermaßen.

Kunst aus Afrika: der vergessene Kontinent. Der Kranz um das Haupt ist vergleichbar einer Krone. Foto: Frank Fäller

Rob Smeets verkaufte ein Werk von Giovanna Garzoni, The Virgin of the Chair after Rafael, ursprünglich in Auftrag gegeben von Ferdinand II. de’ Medici, an einen auf Künstlerinnen spezialisierten Privatsammler. Ein weiteres Werk, The Wedding at Cana von Lavinia Fontana, eine vorbereitende Zeichnung für ein Gemälde, das sich in der Sammlung des J. Paul-Getty-Museums befindet, wird voraussichtlich von einer bedeutenden amerikanischen Institution erworben werden. Beck & Eggeling konnte seinen Eröffnungserfolg fortsetzen und verkaufte das Werk Windscape von der japanisch-schweizerischen Künstlerin Leiko Ikemura für 50.000 €. Weitere verkaufte Werke von Künstlerinnen waren Charting the Invisible von Georgia Russell präsentiert von der Galerie Karsten Greve  und Head of a Boy von Michaelina Wautier, das von Bijl-van Urk Masterpaintings verkauft wurde. Der in London ansässige Kunsthändler Michael Goedhuis veräußerte das moderne, ökologische Kunstwerk Antropic System II der jungen Künstlerin Emilie Pugh für 34.000 €.

Ebenfalls stark nachgefragt auf der Messe waren die Werke lebender Künstler. Die Galerie Obadia verkaufte mehrere Werke, darunter eine holzgeschnitzte Skulptur des chinesischen Künstlers Wang Keping für einen Betrag zwischen 60.000 und 80.000 €. Yares Art  verkaufte ein Werk des amerikanischen abstrakten Malers Larry Poons und die Galleria Continua die gusseiserne Skulptur Iron Root von Ai Weiwei für 280.000 €. Aus dem Messebereich Design berichtet Sèvres den Verkauf des Objekts Cabinet Doshi & Levien Nr. 6/8 von Nipa Doshi. Das Designer-Duo war eingeladen worden, die Tradition der angewandten Kunst der Porzellanmöbel des 18. Jahrhunderts neu zu interpretieren und hat an dem Werk 18 Monate gearbeitet. Die Messe fühlte sich geehrt und privilegiert, zahlreiche zeitgenössische Künstler wie zum Beispiel den ukrainischen Künstler Aljoscha (präsentiert von Beck & Eggeling) begrüßen zu dürfen.

Der New Yorker Kunsthändler Nicholas Hall verzeichnete einen bedeutenden Verkauf bei einem Werk des venezianischen Malers Vittore Carpaccio, welches ein amerikanischer Sammler für einen Betrag zwischen 10 Mio. US$ und 15 Mio. US$ erworben hat. Der Altmeister-Spezialist Colnaghi konnte sich ebenfalls über lebhafte Messetage freuen, bei denen unter anderem The Triumph of Galatea von Luca Giordano für einen hohen sechsstelligen Betrag verkauft werden konnte.

Antonacci Lapiccirella Fine Art meldete mehrere Verkäufe, darunter das seltene und schöne Gemälde The Old Shepherd des flämischen Künstlers Michael Sweerts, das für einen sechsstelligen Betrag an einen Privatsammler veräußert wurde, sowie das erlesene Pastellportrait Portrait of Mme. Lucie Gérard von Giovanni Boldini an einen amerikanischen Sammler.

Mayoral verkaufte Pintura marró i ocre von Antoni Tàpies für 425.000 €, und Caylus  konnte seinen Erfolg vom Eröffnungswochenende mit dem Verkauf eines Stilllebenpaars Flower vases with malvalocas mit Malvalocas von Antonio Ponce für 220.000 € fortsetzen. Der auf niederländische und flämische Meister spezialisierte Kunsthändler P. de Boer verkaufte A Marabou Stork von Jean-Léon Gérôme für 47.500 € an einen privaten Sammler.  Alessandra Di Castro, die kürzlich in den TEFAF-Vorstand gewählt wurde, verkaufte ein Paar silberne Kerzenleuchter sowie ein Paar bemalte und vergoldete Holzlüster an private Sammler. Die Galerie Cahn, ein Stammaussteller der TEFAF, verkaufte ein wunderschönes Exemplar eines rotfigurigen Bechers aus der Zeit um 480 v. Chr., der dem Maler Triptolemos und dem Töpfer Python zugeschrieben wird. Er ging für rund 120.000 € an einen deutschen Privatsammler.  Daniel Katz verzeichnete mehrere Verkäufe, darunter The Prodigal Son von Georges Minne für 65.000 € sowie eine Corbel in Form eines Löwen von Guglielmo für einen sechsstelligen Betrag. Die Galerie Nicolas Bourriaud, ein TEFAF-Showcase-Aussteller, meldete ebenfalls gute Verkäufe, darunter L’Orpheline Alsacienne, eine seltene Terrakotta-Arbeit von Rodin. Der Messebereich Bücher und Manuskripte verzeichnete über die Messetage hinweg hohe Umsätze.  Stéphane Clavreuil verkaufte ein bedeutendes Reisebuch, Les Voyages de la Nouvelle France Occidentale von Samuel de Champlain, zu einem Verkaufspreis von 550.000 €. Daniel Crouch Rare Books berichtet begeistert vom Verkauf einer wertvollen Brasilienkarte, einem einflussreichen Werk von Georg Marggraf aus dem Goldenen Zeitalter der Niederlande, an einen brasilianischen Sammler. Das Werk wird damit in sein Herkunftsland zurückkehren. Die gestochene Karte erzielte einen Preis von fast 500.000 £.  Die Stände für Arbeiten auf Papier befanden sich aufgrund des neuen Layouts zum ersten Mal im Hauptbereich der Messe.  Der österreichische Händler Wienerroither & Kohlbacher verkaufte Girl leaning on her Elbow von Egon Schiele für einen hohen sechsstelligen Betrag. Die Galerie Utermann verkaufte zwei Werke von Lyonel Feininger für 125.000 € bzw. 32.000 €. Die Aussteller des Messebereichs Haute Joaillerie zogen mit ihren funkelnden Auslagen und kreativen Installationen Bewunderer in großer Zahl an. Die Erstausstellerin, die in New York lebende Schmuckkünstlerin Anna Hu, verkaufte ihre Enchanted Lily Brooch aus Rubellit für einen siebenstelligen Betrag an einen chinesischen Tech-Unternehmer.
Unter den Ständen mit zeitgenössischen und modernen Werken verkaufte Ludorff  das herausragende Gemälde Huldigung (Homage) des deutsch-dänischen Expressionisten Emil Nolde für 1,4 Mio. €. Die Galerie Thomas verkaufte u.a. die Bronze Wolkentier von Hans (Jean) Arp für 220.000 USD an eine Amerikanerin, die diese an einem Museum stiften wird. Und der Erstaussteller White Cube zeigte sich erfreut über den Verkauf von Werken von Tracey Emin, Antony Gormley und Georg Baselitz, die jeweils zwischen 500.000 und 750.000 £ erzielten.
Zu den ungewöhnlicheren Objekten gehörte eine prächtige Rüstung French Cuirassier Armour aus dem 17. Jahrhundert, die aller Wahrscheinlichkeit nach für François de Vendôme, den Enkel von Heinrich IV. von Frankreich, angefertigt wurde.  Sie wurde von Peter Finer für einen hohen sechsstelligen Betrag verkauft. Die Weiss Gallery  erregte Aufmerksamkeit mit dem Werk Life size dummy board featuring a boy with a bird, aus der flämischen Schule, das für rund 150.000 € verkauft wurde. Derartige Stücke wurden als Kamindekoration angefertigt und sind sehr selten erhalten.  Runjeet Singh, Spezialist für antike asiatische Waffen und Rüstungen, verkaufte einen äußerst seltenen Lederarmschutz aus Tibet aus der Zeit zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert an einen Privatsammler. Und Sydney L. Moss veräußerte eine Dämonenskulptur mit verstecktem Schwert für einen fünfstelligen Betrag.