RWTH-Historiker schreibt eins der „wichtigsten politischen Bücher des vergangenen Jahres“

Dr. Moritz Fischer

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„Eine zeithistorische Studie von beklemmender Aktualität“

RWTH-Historiker Dr. Moritz Fischer hat mit seiner Dissertation über die Republikaner ein besonderes Werk verfasst. Die Süddeutsche zählt es zu den wichtigsten politischen Büchern des vergangenen Jahres.

Der Aachener Historiker Dr. Moritz Fischer hat mit seiner DissertationDie Republikaner. Die Geschichte einer rechtsextremen Partei 1983–1994.“ (erschienen im Wallstein-Verlag, Göttingen 2024, 616 Seiten) eines der 20 wichtigsten Bücher in der Kategorie Politik im vergangenen Jahr veröffentlicht. Dies urteilt die Süddeutsche Zeitung zum Jahresabschluss und führt den wissenschaftlichen Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschichte der Neuzeit (19.-21. Jh.) mit ihren Wissens- und Technikkulturen am Historischen Institut der RWTH Aachen damit in einer Liste mit Angela Merkel und ihrer Biographie „Freiheit“ sowie Alexej Nawalnys Werk „Patriot. Meine Geschichte“.

In ihrem Jahresrückblick urteilt die SZ über Fischers Dissertation : „Eine zeithistorische Studie von beklemmender Aktualität.“ Weiter heißt es: „Für viele ist die Partei ‚Die Republikaner‘ von Franz Schönhuber ein im Nebel versunkenes Relikt aus vergangener Zeit. Doch der Historiker Moritz Fischer zeigt eindrücklich, dass Schönhuber schon vor Jahrzehnten vorexerziert hat, was auch die Rechtsextremisten von heute tun: das Sagbare austesten, Grenzen verschieben, Extremismus gesellschaftsfähig machen.“

Bereits im Oktober hatte Kritiker Werner Bührer unter der Überschrift „Motor der Enttabuisierung“ eine begeisterte Rezension geschrieben. Bührer erkennt eine „exzellente Analyse“. „Die Republikaner unter Franz Schönhuber haben schon vieles vorgemacht, was heute die AfD erzählt. Moritz Fischers Studie ist von beklemmender Aktualität“, schreibt er weiter.

Am spannendsten waren sicherlich die vielen kleineren und größeren Funde in den zahlreichen Archiven, in denen ich für mein Buch recherchiert hatte. Das führt immer wieder zu überraschenden Einblicken in eine Geschichte, von der viele glauben, bereits alles darüber gehört oder gelesen zu haben. Insofern freut es mich natürlich, in die Liste mitaufgenommen worden zu sein und hoffe, dass viele Menschen durch die Lektüre ebenso neue Erkenntnisse gewinnen wie ich bei meinen Recherchen“, berichtet Fischer von seiner Arbeit.

Linie Schwarz

Dr. Moritz Fischer im Interview:
Es gibt keine einfachen Antworten auf Parteien wie die Republikaner oder die AfD

Dr. Moritz Fischer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschichte der Neuzeit (19.-21. Jh.) mit ihren Wissens- und Technikkulturen der RWTH Aachen hat mit seiner Dissertation „Die Republikaner. Die Geschichte einer rechtsextremen Partei 1983–1994“ (erschienen im Wallstein-Verlag, Göttingen 2024, 616 Seiten) ein vielbeachtetes Werk geschrieben. Das Werk wurde nun von der Süddeutschen Zeitung unter den 20 wichtigsten Büchern in der Kategorie Politik gelistet. Im Interview erklärt Fischer, wie er sich der Thematik angenommen hat und welche Schlüsse gezogen werden können.

Was war Ihr Beweggrund, sich mit den Republikanern in Ihrer Dissertation auseinanderzusetzen?

Fischer: Im Grunde war es – wie so oft in der Wissenschaft – das persönliche Interesse an einem Thema, das dann im Laufe der Zeit immer mehr wissenschaftliche und politische Relevanz erhalten hat. Ich habe mich verstärkt ab 2018 mit der Partei beschäftigt und dann ab 2020 daraus mein Dissertationsprojekt entwickelt. Zum damaligen Zeitpunkt war die AfD natürlich schon ein Thema, aber noch kein so virulentes wie heute. Mir ging es in dem Buch aber nicht nur darum, eine Vorgeschichte der heutigen AfD zu schreiben, sondern die Geschichte der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Die Historikerzunft hat sich nämlich erst sehr spät mit der Geschichte des Rechtsextremismus beschäftigt.

Welche zentralen Aussagen ergeben sich aus Ihrer Recherche?

Fischer: Wichtig sind vor allem drei Punkte: Die Republikaner entstanden im Jahr 1983 nicht aus dem Nichts, wie man häufig lesen konnte, sondern hatten eine lange Vorgeschichte. Diese lange andauernden Veränderungsprozesse gilt es auch bei der heutigen Betrachtung rechtsextremer Parteien im Hinterkopf zu behalten. Zweitens ging die Radikalisierung der Republikaner auf eine gezielte Strategie etablierter rechtsextremer Akteure zurück, die die Partei instrumentalisieren wollten und nach neuen Politikfeldern suchten, um ein großes Wählerpublikum zu erreichen. Die Republikaner entdeckten die damals sogenannte Ausländerpolitik für sich, was sie zu der „Anti-Asyl-Partei“ der frühen 1990er Jahre machte und 1992 unter anderem in den Landtag von Baden-Württemberg einziehen ließen. Zuletzt ist es wichtig zu betonen, dass unser heutiger Umgang mit rechtsextremen Parteien – sei es gesellschaftlich, politisch, exekutiv oder juristisch – zu einem großen Teil auf der damaligen Auseinandersetzung mit den Republikanern basiert.

Was können wir für die Gegenwart (und Zukunft) aus Ihrem Buch ableiten?

Fischer: Historikerinnen und Historiker gelten zurecht als rückwärtsgewandte Propheten, deren Aussagen über die Zukunft man immer kritisch betrachten sollte. Was man vielleicht am ehesten aus meinem Buch ableiten kann, ist die schlichte Erkenntnis, dass es keine einfachen Antworten auf Parteien wie die Republikaner oder die AfD gibt – auch, wenn viele Menschen glauben, ein Patentrezept in den Händen zu halten. Insbesondere führen simple Analogien zwischen Republikanern und AfD in die Irre; nur allzu viele Menschen lassen sich von solchen dazu verleiten, aus den alten Antworten auf die Republikaner neue auf die AfD zu generieren. Politik, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft müssen sich klar darüber werden, dass sich unsere Demokratie seitdem fundamental gewandelt hat und sich dementsprechend auch unsere Reaktionen wandeln müssen.

Wie haben Sie die Arbeit an der Dissertation erlebt und was bedeutet es Ihnen, auf dieser Liste geführt zu werden?

Fischer: Am spannendsten waren sicherlich die vielen kleineren und größeren Funde in den zahlreichen Archiven, in denen ich für mein Buch recherchiert hatte. Das führt immer wieder zu überraschenden Einblicken in eine Geschichte, von der viele glauben, bereits alles darüber gehört oder gelesen zu haben. Insofern freut es mich natürlich, in die Liste mitaufgenommen worden zu sein und hoffe, dass viele Menschen durch die Lektüre ebenso neue Erkenntnisse gewinnen wie ich bei meinen Recherchen.