„Mehr Frauen an die Macht“

Iris Berben als Clown: die Ordensritterin im Glanze der Scheinwerfer wünschte sich Lachen, aber nicht über die Gleichberechtigung für Frauen. © Marcel Köpper

Das wünschte sich Iris Berben, die famose Schauspielerin, als sie mit dem Orden wider den tierischen Ernst 2022 ausgezeichnet worden ist. Schon ein Jahr zuvor wurde sie als Ritterin gekürt. Corona machte den Machern des Aachener Karnevalvereins (AKV) einen Strich durch die Rechnung, die dieses Jahr aber aufging. Sie zog alle Register, um für ihre „IG Clowns, Schaupieler*innen und Wandernarren“ im Narrenkäfig zu werben.

Ein Aufzeichnungs-Marathon des WDR ging der Verleihung voraus. Über drei Tage lang war der Saal im Aachener Eurogress besetzt, es wechselten nur die Teilnehmer*innen für das Programm, das in der ARD in schließlich in gekürzter Fassung am 14. Februar ausgestrahlt wurde. Sicherheit zuerst, aber ein bisschen Publikum sollte und durfte es dennoch sein. Rund 80 Komparsen (wie alle Leute vor Ort durchgetestet) schmückten den Saal für die TV-Sendung, damit auch mal gejubelt werden konnte. Unter erschwerten Rahmenbedingungen hat die Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst am Montagabend im Ersten eine Quote von 8,6 Prozent erzielt. 2,46 Millionen Zuschauer sahen im Schnitt zu, etwas weniger als in den Vorjahren. Gegenüber der starken Konkurrenz – ein Muttertagskrimi zum Valentinstag brachte dem ZDF den Spitzenplatz, auch „Wer wird Millionär“ (RTL) landete noch vor dem AKV – war es dennoch ein ordentliches Ergebnis. „Sowohl das tagesaktuelle politische Geschehen als auch der Ausfall des organisierten Karnevals in diesem Jahr können ursächlich sein für die etwas schwächere Quote als in den Vorjahren“, sagte AKV-Präsident Dr. Werner Pfeil.

Kabarettist Wilfried Schmickler als närrischer Kaiser Karl der Große las dem Volk, den  Zuschauern an den Bildschirmen, mit mächtiger Stimme die Leviten. © Marcel Köpper
Kabarettist Wilfried Schmickler als närrischer Kaiser Karl der Große las dem Volk, den Zuschauern an den Bildschirmen, mit mächtiger Stimme die Leviten. © Marcel Köpper

Nach 12 Jahren verlassen er und Elferrat David Lulley die Spitze der Jecken in der bundesweiten Wahrnehmung der Kaiserstadt. Mit einem lachenden Auge betonte Pfeil: „Ewige Präsidentschaft muss nicht sein, jetzt sollen andere das Ruder übernehmen. Wir wollten den Karneval bunt und lebenswert mit Humor medial auf die Bühne bringen.“ David Lulley, ein ständiger Ideengeber, stellt die neuen Medien in den Vordergrund: „Videoclips, witzige und vielfältige Programmteile einbauen, um neue Wege zu gehen“, sagte er backstage. „Ich bin nicht gelaufen, sondern gerannt.“ Zum Beispiel um morgens früh Wasser aus der Quelle des schwefelhaltigen Elisenbrunnens abzuzapfen, rechtzeitig für einen Schluck „Gesundheit“, den er der Ritterin servierte. Kurz zögerte sie, es riecht halt streng – dann aber runter damit.

Ritter Armin Laschet über Ritterin Iris Berben

Die Laudatio hielt Armin Laschet (CDU), Ordensritter und  Aachener Urgestein auf Wegen nach Berlin, um dort weiter Politik in zweiter Reihe zu machen, wie SPD-Landesvorsitzender und  Spitzenkandidat für die anstehende Landtagswahl  zwischen Rhein, Ruhr und Lippe, Thomas Kutschaty,  launisch als Redner hervorhob. „Keiner aus dem CDU-Olymp ist da – Merz lass nach“, zwinkerte er.  Laschet lobte die Frau mit Haltung: „für Menschlichkeit, Zivilcourage, Toleranz und Anti-Semitismus.“ Heiter bis komisch, oder ernst und nachdenklich spiele Iris Berben sich in die Herzen der Menschen – und stelle sich den Wind. „Alaaf,  abgeleitet aus à la vie, das passt zu Dir.“

Fehlt noch ein Beitrag der FDP. NRW-Familienminister Joachim Stamp brachte liberale Positionen auf die Bühne. Mehr Freiheit für Einzelhandel und Gastronomie  wünschte er sich vor den Kameras – und schmetterte eine eigene Version der Bläck Fööss in die gnadenlosen Mikrophone. Aus „Drink doch ene met“ wurde „Impf doch ene met“, schunkeln garantiert. Wie einst Ritter Christian Lindner als Sänger, der wie viele Ritter*innen von SPD, CDU und Grünen durch Abwesenheit glänzte. Doch Stamp machte Laune bei der TV-Aufzeichnung viel Laune.

Kurzes Heimspiel in Aachen für Laudator und Ordensritter Armin Laschet. © Marcel Köpper

„Ohne Kunst verliert unser Land die Seele“

Höhepunkt der Ordensverleihung war Iris Berben, so sollte es für eine Preisträgerin auch sein. „Dabei habe ich überlegt, ob ich in der erlauchten Männerrunde des AKV überhaupt mit machen will“, verriet sie im Gespräch. Nachdem sie völlige Narrenfreiheit für ihre Rede erhalten habe, zögerte sie nicht mehr. Und hat wahrlich für einen markigen Auftritt im rot-weißen Clowns-Kostüm gesorgt. Das kann eine Schauspielerin, die das karnevalistische Gen von ihrem Vater aus Düsseldorf geerbt hat. Iris Berben setzte keine Ordensmütze auf, freute sich „aber über den Ritterschlag, mit dem ich nun als Ritterin selbst Drachen und Monster in Mantel- und Degenfilmen bekämpfen kann“.  Sie hielt ein flammendes Plädoyer für alle Kunstschaffenden und beteiligte Gewerke, egal ob vor oder hinter der Bühne. „Wir sind der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Ohne die Kunst verliert unser Land die Seele … und ein Stück Wirtschaftsmacht. Ich wünsche mir auch beim AKV mehr Frauen, eine UNO- oder amerikanische Präsidentin oder eine Multimilliardärin, die die Welt verändern kann. Rettet die Clowns, sie halten unserer Gesellschaft den Spiegel vor.“  Die Reichsflagge wolle sie niemals gegen eine Friedenstaube tauschen, die Demokratie müsse sich vor schleichendem Rechtsradikalismus schützen.

AKV-Präsident Dr. Werner Pfeil und Elferrat David Lulley hören nach 12 Jahren beim AKV auf. © Marcel Köpper

Kabarettist Wilfried Schmickler als wortgewaltiger Kaiser Karl auf der Bühne, legte noch einen drauf. „Wer Ängste und Verunsicherung schürt, verkauft dreiste Lügen als Wahrheit. Dummheit höhlt die Birne“, rief er unsolidarischen Impfgegnern und braunen Spinnern entgegen. „Sind wir edel, hilfreich und gut – wie die Ordensritterin“, zwinkerte er vom närrischen Thron. Gelacht und gesungen wurde auch noch. Der Zusammenschnitt im Fernsehen zeigte Ausschnitte beliebter Comedians wie Guido Cantz und Martin Schopp, die Öcher Bühnenasse Vier Amigos, Jürgen B. Hausmann, Polizist und Sänger Oliver Schmitt (Remake „Und immer wieder geht die Sonne auf“) mit dem AKV-Ballett, T´N´Boom, Prinz Guido I. und Märchenprinz Phil I., die Hooreter Frönnde als Zentis-Preisträger sowie das Tanzpaar der Prinzengarde der Stadt Aachen, das den begehrten Lambertz-Ehrenpreis erhielt.
(Frank Fäller)