Drei Dinge, die Hoffnung machen

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Der US-amerikanische Professor Jared Sonnicksen über die Auswirkungen der Präsidentenwahl, die Sorge, Trump könne das politische System aushebeln und Folgen für die transatlantischen Beziehungen.

Jared Sonnicksen ist Professor für Politische Wissenschaft an der RWTH Aachen mit dem Schwerpunkt Politische Systeme. Der gebürtige US-Amerikaner stammt aus dem Bundesstaat Indiana. Im Gespräch analysiert er die Folgen der US-Präsidentenwahl und schaut dabei insbesondere auf die Auswirkungen für Europa.

Frage: Schauen Sie als Wissenschaftler nüchtern-analytisch auf den Wahlausgang in den USA oder eher emotional?

Professor Jared Sonnicksen: Ich kann das trennen. Wie wohl die meisten Politikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler freue ich mich nicht über den Sieg Trumps. Das Wahlergebnis ist ernüchternd, macht perplex – gerade wenn man auf die erste Präsidentschaft Trumps zurückschaut –, ist aber letztlich wenig überraschend.

Frage: Warum nicht?

Sonnicksen: Auch wenn die Umfragen sehr knapp waren, haben in vielen Interviews kurz vor der Wahl gerade lange Unentschlossene eine Tendenz zu Trump erkennen lassen. Die Aussagen ähnelten sich dabei sehr: Auch wenn die Trump’sche Rhetorik Vielen nicht gefällt, erhoffen sie sich von ihm doch eine Stärkung der wirtschaftlichen Lage. Das war ein prägendes Muster – auch seitens der Minderheiten in den USA.

Frage: Also wählen die Menschen Trump, weil sie auf eine Verbesserung der individuellen Situation hoffen?

Sonnicksen: Ja. Die Wirtschaftsdaten in Trumps erster Amtszeit waren auch besser als sie es heute sind – dass die Pandemie oder der Überfall Russlands in der Ukraine eine große Rolle gespielt haben bei der Verschlechterung der Wirtschaftsdaten, wird dann eher nicht gesehen. Wähler sind auch keine Wirtschaftswissenschaftler.

Frage: Aber es ist doch absurd, dass Minderheiten wie Latinos oder Afroamerikaner Trump unterstützen – der immer wieder auch durch rassistische Ausfälle auf sich aufmerksam macht.

Sonnicksen: Klar, es gibt die radikal-aggressiven Aussagen Trumps. Diese haben aber die Minderheiten nicht unbedingt beeindruckt – zumindest nicht wahlentscheidend.

Frage: Und die sogenannten Minderheiten sind inzwischen die Mehrheit…

Sonnicksen: Genauso ist es. Es gibt in den USA den demografischen Wandel hin zu einer Minderheiten-Mehrheitsgesellschaft. Nicht mehr die „weiße“ Bevölkerung stellt die Mehrheit, sondern die unterschiedlichen Minderheiten. Viele – mich eingeschlossen – haben das als sicheren Vorteil für die Demokraten gewertet. Da hat sich eine Grenze verschoben. Für einen erheblichen Teil der Minderheiten sind auch die Konservativen wählbar geworden. Das kann darin begründet sein, dass viele Minderheiten bereits in zweiter oder dritter Generation in den USA leben und – wie für Trump – auch für sie illegale Einwanderung ein großes Thema ist. Neben den wirtschaftlichen Gründen könnte dies die zweite große Ursache für Trumps Erfolg gewesen sein.

Frage: Der Erfolg Trumps ist das eine, aber auch im Kongress zeichnet sich eine republikanische Mehrheit ab. Es wird befürchtet, dass Trump sogar das politische System aushebeln wird. Ist die Sorge gerechtfertigt?

Sonnicksen: Natürlich macht eine Mehrheit im Kongress das Regieren einfacher. Aber es gibt drei Dinge, die dagegen sprechen: Erstens: Die Republikaner sind intern gespalten, sie stehen nicht geschlossen hinter Trump. Auch ist in den USA die Fraktionsdisziplin traditionell nicht so hoch wie in Europa. Der Präsident hat auch nicht die Möglichkeit, die eigenen Partei zu disziplinieren, kann also zum Beispiel auch keine Vertrauensfrage stellen.

Zweitens: Die Gerichte sind unabhängig. Der oberste Gerichtshof ist sehr politisiert, aber das ist ja nur die Spitze der Gerichtsbarkeit. Drittens: Der starke Föderalismus setzt dem Präsidenten Grenzen. Auch ein künftiger Präsident Trump und die republikanische Kongressmehrheit blieben auf die Zusammenarbeit mit den einzelnen Bundesstaaten angewiesen. Aber es bleibt natürlich die Frage, was Donald Trump mit einer disziplinierten republikanischen Partei für problematische rechtsstaatliche Vorhaben durchsetzen kann. Im Wahlkampf hat er beispielsweise angekündigt, gegen politische Feinde vorgehen zu wollen. Das ist besorgniserregend.

Frage: Trumps Politik ist nicht nur populistisch, sie ist extrem. Was macht extreme Positionen für Wähler so attraktiv und was bedeutet das für Deutschland und Europa?

Sonnicksen: Politische Bildung bleibt immer relevant. Wir sind gut beraten, uns genau darüber viele Gedanken zu machen. Gerade läuft ja hier in Aachen der Gipfel „FoR – Freedom of Research“ von Käte-Hamburger-Kolleg, Karlspreis Stiftung und RWTH. Da geht es um unsere Freiheit, die jedes Einzelnen, die der Wissenschaft und ganz grundsätzlich um die Frage: Was bedeutet uns unsere Freiheit und was sind wir bereit, dafür zu tun? Diese Präsidentschaftswahl unterstreicht noch einmal, wie aktuell diese Themen sind. Was sehr hilfreich sein kann, ist, Möglichkeiten der politischen und gesellschaftlichen Teilhabe zu bieten. Gerade in Zeiten, in denen viele Bürgerinnen und Bürger von der etablierten Politik enttäuscht sind. Es muss gelingen, dass Komplexität akzeptiert wird. Einfache Lösungen, erst recht, wenn sie auf Sündenböcke zielen, helfen nicht weiter. Auch wenn sie in einer komplexen Welt sehr attraktiv sind. Ich habe keine Patentlösung, aber es muss uns gelingen, dass sich die Menschen nicht mehr so überfordert mit allem und sich besser vertreten fühlen.

Frage: Lassen sich die internationalen Auswirkungen einer zweiten Präsidentschaft Trumps bereits abschätzen?

Sonnicksen: Die erste Präsidentschaft Trumps hat zu vielen Turbulenzen in den internationalen Beziehungen geführt, gerade in der transatlantischen Partnerschaft war er sehr unbequem. Gleichzeitig schien er zu einzelnen, gerade auch autokratischen, Regierungschefs ein vertrauteres und konstruktiveres Verhältnis pflegen zu können. In der Gesamtbilanz sind die USA nicht aus der NATO ausgestiegen, zumindest hier war die politische Rhetorik dramatischer als das tatsächliche Handeln. Für die kommende Amtszeit ist es schwer zu prognostizieren, ich denke, wir können mit einem ähnlichen Muster rechnen. Klar ist: Es wird Verschiebungen geben und in der Beziehung zwischen den USA und Europa ruckeln. Mit einem NATO-Ausstieg rechne ich nicht, dennoch wird es spannend zu beobachten, wie Europa jetzt reagiert, also ob die Staaten in Fragen der Sicherheits- und Außenpolitik ihre Zusammenarbeit verstärken.

Frage: Die Wahl Trumps wird auch Auswirkungen auf die bestehenden weltweiten Konflikte haben.

Sonnicksen: Im Nahen Osten unterstützen die USA Israel seit langer Zeit sehr stark, ich glaube nicht, dass sich das unter Trump ändern wird. Kniffliger ist es beim Ukraine-Konflikt oder dem Verhältnis zu China. Ich kann mir bei letzterem nicht vorstellen, dass es besser wird. Trump war in seiner Kritik an wirtschaftlichen Verhältnissen immer sehr klar und laut. Flächendeckende Erhöhungen der Handelszölle hat er ja bereits angekündigt. Wenn es dazu kommt, wird das Auswirkungen auf die globale Wirtschaft haben, aber möglicherweise die USA härter treffen als Europa.

Frage: Welche Stellung haben die USA und ihr Präsident innerhalb der Weltgemeinschaft?

Sonnicksen: Die Rolle der USA hat sich relativiert, die Kräfte haben sich militärisch, politisch und wirtschaftlich verschoben. Das muss man im Blick haben, um die Präsidenten-Wahl einzuordnen. Natürlich ist die USA nach wie vor ein starker Player, aber die Position ist schwächer geworden. Andere Staaten sind aufgestiegen, die bekanntesten sind die BRIC-Staaten mit Brasilien, Russland, Indien, China und seit 2010 Südafrika. Auch die Allianzen verschieben sich. Schon der Irak-Krieg unter George W. Bush war eine starke Belastung im transatlantischen Verhältnis, es ruckelte bereits damals. Und auch unter Obama haben die USA stärker nach Asien als nach Europa geschaut, es gab einige Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten.

Frage: Schauen Sie seit heute mit größerer Sorge auf das Weltgeschehen?

Sonnicksen: Wie viele Andere mache ich mir Sorgen um die Lage der Welt. Auch in den letzten vier Jahren hatte man das Gefühl, dass Vieles aus den Fugen gerät – und da war Joe Biden im Weißen Haus.