Was ist eine „schöne Aussicht“ für eine Künstliche Intelligenz?

Portrait der Künstlerinnen und Künstlergruppe Troika | © Foto: Studio Troika

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Die Schirn in Frankfurt präsentiert eine immersive, ortsspezifische Installation

Frankfurt/Main. Was ist eine „schöne Aussicht“ für eine Künstliche Intelligenz? Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert bis zum 21. April eine immersive, ortsspezifische Installation des Künstlerinnen und Künstlerkollektivs „Troika“.

Ihre Werke überschreiten disziplinäre Grenzen und untersuchen die Trennlinien zwischen Natur und Künstlichkeit, Realem und Romantischem, Lebendigem und Nichtlebendigem. Die Künstlerinnen und Künstlergruppe „Troika“ ergründet, wie neue Technologien die Beziehung des Menschen zur Welt beeinflussen. Seit 2003 arbeitet das Kollektiv, bestehend aus Eva Rucki, Conny Freyer und Sebastien Noel, mit Skulptur, Film, Installation und Malerei.

Technologischer Fortschritt

Für die Schirn Kunsthalle entwickelte „Troika“ eine ortsspezifische immersive Installation, die neue und bestehende Arbeiten kombiniert und um verschiedene Arten von Intelligenz kreist. Sie untersucht die Verortung des Menschen in einer Welt, in der neben der humanen auch tierische, pflanzliche und künstliche Intelligenz existieren. Das Kollektiv reflektiert über weltliche und außerweltliche Landschaften sowie über die Transformation der Natur im 21. Jahrhundert durch den technologischen Fortschritt.

Alternative Intelligenz

Wie filtert Technologie die Wahrnehmung von Natur? Welche Lebensformen werden sich in solchen vermittelten Landschaften etablieren? Die Ausstellung beschwört die Umweltvorstellung einer alternativen Intelligenz herauf, deren Träume von menschlichen Erinnerungen und Fantasien geprägt sind. Spektakuläre Naturszenen flimmern über Bildschirme: palmengesäumte Strände, türkisfarbene Schmelzwasserseen, sich kräuselnde Sanddünen unter sternenklarem Himmel. Wälder werden von Kameras in Baumkronen überwacht, Klimamodelle sagen langfristige Veränderungen in der Biosphäre voraus. In einer Gesellschaft, die übersättigt ist von digitalen Bildern, Beschreibungen und Simulationen, präsentieren Troikas Arbeiten eine Vision der Umweltsehnsucht, die über die menschliche Verkörperung hinausgeht.

Sinn für Verwandtschaft

Während die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz rasch voranschreiten, geraten die Vorstellungen von menschlicher Intelligenz und Handlungsfähigkeit ins Wanken. An die Stelle objektiver und leicht quantifizierbarer menschlicher Eigenschaften treten Andeutungen nichtmenschlicher Formen des Bewusstseins, der Koordination und der Intention. Was wäre, wenn Pflanzen zielgerichtet und altruistisch handelten oder ähnlich wie Tiere einen Sinn für Verwandtschaft zeigten? Was wäre, wenn sich die technologischen Fortschritte in Robotik und Computertechnik von den Geboten der Effizienz, Geschwindigkeit und Optimierung, auf die sie programmiert wurden, entfernten? Könnten aufkommende Intelligenzen die ausbeuterischen Tendenzen, die die gegenwärtige Umweltkrise vorantreiben, verstärken oder sich ihnen, im Gegenteil, widersetzen?

Moralische Herausforderungen

Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt: „Auf eindrückliche Weise und mit hoher atmosphärischer Wirkungskraft schärft die Kunst von Troika unseren Blick dafür, wie sich die Welt verändert durch den technologischen Filter, den wir über sie legen und durch den wir sie vermehrt betrachten. Die Künstlerinnen und Künstler berühren damit hochaktuelle Fragen und Prozesse, die unsere unmittelbare Gegenwart betreffen und uns vor physische, moralische und gesellschaftliche Herausforderungen stellen.“

Übermenschliche Welt

Bild 2 troika buenavista
Troika, „Buenavista“, 2025, Ausstellungssansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Foto: Roy Bon 2025

Dehlia Hannah, Kuratorin der Ausstellung: „Früher musste man in der Morgendämmerung aufstehen oder einen Berg besteigen und in die Welt eintauchen, um eine ‚schöne Aussicht‘ zu genießen. Heute werden solche Bilder in einem ständigen Strom von Verlockungen in unsere Telefone und Computer gespeist. Von der Werbung für den Tourismus bis hin zu Berichten über Umweltkatastrophen blättern wir durch die Extreme unseres Planeten. Haben sich die Fantasielandschaften jemals so nah angefühlt – oder so weit weg? Wenn Subjektivität in Beziehung zu unserer Umwelt geformt wird, wer werden wir dann sein? Das Künstlerinnen und Künstlerkollektiv „Troika“ geht diesen Fragen in einer neuen immersiven Installation nach, die es uns ermöglicht, die sich verschiebenden Grenzen in der Gegenwart wahrzunehmen und eine übermenschliche Welt mit allen Sinnen zu erfahren.“

Über die Ausstellung

Die Ausstellung vereint neue und bestehende Arbeiten von Troika zu einem immersiven Erlebnis. Sie ist durchzogen von dem sich verändernden Lichtspektrum der Arbeit Ultra Red, Evergreen, Ocean Blue (2024). Das halbrunde, nach Süden ausgerichtete Fenster des Ausstellungsraums ist in drei monochromatische Zonen aus Rot, Grün und Blau unterteilt – wie eine Makroversion der für digitale Bilder typischen Farbfilteranordnung. Im Raum zeigt die Schirn eine installative Landschaft, in deren Mittelpunkt zwei neu entwickelte Arbeiten stehen: Buenavista (2025), ein computeranimierter Film, der der Ausstellung ihren Titel gibt, sowie die mehrkanalige Soundinstallation I Am a River (2025). Die großformatige Videoarbeit zeigt eine sich fortlaufend verändernde Panoramalandschaft, im Vordergrund eine geheimnisvolle Gestalt mit langen braunen Haaren.

Diese ist eine wiederkehrende Protagonistin in Troikas Œuvre, eine alternative Intelligenz in Gestalt eines Kuka-Industrieroboters. Die Figur reckt sich in die Höhe und wirbelt wild umher, während eine Flut von Bildern über den Bildschirm flimmert und die Landschaft in eine sich schnell verändernde Collage aus Sand, Eis, Bäumen und geologischen Formationen verwandelt. Buenavista ist eine Parodie auf die manische Zerstreutheit des Scrollens und Klickens durch unzusammenhängende Elemente auf der Suche nach der „schönen Aussicht“ und hält der menschlichen Sehnsucht nach Natur einen Spiegel vor. Die kreisenden Bewegungen der pelzigen Roboterfigur, die eine choreografische Übereinstimmung mit der sie umgebenden Welt anstrebt, werden von der Klanginstallation „I am a River begleitet“. Drei Gemälde der Serie Irma Watched Over by Machines (2023) zeigen die Zerstörungen durch den Hurrikan Irma, der 2017 die Karibik heimsuchte. Sie wurden von Umweltüberwachungssystemen im RAW-Format (digitale Negative) aufgenommen.

Troika“ wurde 2003 gegründet

Troika“ ist eine Künstlerinnen und Künstlergruppe, die in London lebt und arbeitet. Sie wurde 2003 von Eva Rucki (*1976, Deutschland), Conny Freyer (*1976, Deutschland) und Sebastien Noel (*1977, Frankreich) gegründet. Die Werke von Troika wurden international in Einzelausstellungen ausgestellt, u. a. im MAK in Wien (2024), im Espacio Arte Abierto in Mexiko-Stadt (2021) und im Daelim Museum in Seoul (2014). Troikas medienübergreifende Arbeiten sind Teil der Sammlungen des Centre Pompidou in Paris, des M+ in Hongkong, des Victoria & Albert Museum in London, des Art Institute of Chicago, des MoMA in New York, der Jumex Collection in Mexiko-Stadt und des Eretz Israel Museum in Tel Aviv. Im Jahr 2010 realisierte Troika drei ortsspezifische Installationen für den Britischen Pavillon auf der Weltausstellung Expo in Shanghai.