Von Barbara Hepworth über Mona Hatoum bis hin zu Alicja Kwade und Duisburger Künstlerbund

Barbara Deblitz, Dedicated to the Unknown Mothers, 2009 © VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto_Dejan Saric.

Vielschichtiges Ausstellungs- und Rahmenprogramm 2023 im Lehmbruck

Duisburg. Fast ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod widmet das Lehmbruck Museum der britischen Künstlerin Barbara Hepworth (1903–1975) eine große Ausstellung. Die Präsentation wird vom 2. April bis zum 20. August gezeigt.

Meisterin der Abstraktion

Hepworths Werk steht beispielhaft für die Befreiung der Form durch die Abstraktion. Mit Erfindungsgeist und handwerklicher Meisterschaft arbeitet sie die „freie“ Form aus dem Stein oder Holz heraus. Als Vorkämpferin der modernen Bildhauerei veränderte sie mit den „Löchern“, den „piercings“, in ihren Skulpturen die abstrakte Kunst fundamental und wurde so zu einer der führenden britischen Künstlerinnen ihrer Generation und zur ersten Bildhauerin, die internationale Anerkennung fand.

Barbara Hepworth im Palais de Danse, St. Ives, 1961 © Courtesy Bowness, Foto: Rosemary Mathews

Stilbildend

Die Skulpturen von Barbara Hepworths wirken in ihrer Zeit stilbildend. In ihrer Formvollendung, Präzision und Harmonie inspirieren sie zum freien Denken. Heute stehen die Plastiken für die Aufbruchstimmung nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit ihrer Ruhe, inneren Balance und Ausgeglichenheit setzen sie die befriedende Kraft der Kunst frei. Hepworth war Teil eines großen Netzwerks an fortschrittlich denkenden Künstlerinnen und Künstlern, die der modernen Kunst wichtige Impulse gegeben haben. Zu ihnen gehörten Jean Arp, Constantin Brâncuși, Naum Gabo, Alberto Giacometti, Henry Moore und Antoine Pevsner, deren Skulpturen in der Zusammenschau mit den Werken Hepworths zu sehen sind. Die Ausstellung gibt so Einblicke in einen der entscheidenden Momente in der Entwicklung der modernen Bildhauerei. Die Schau umfasst rund 50 Exponate, darunter mehr als 20 Skulpturen von Barbara Hepworth und zeitgenössische Positionen von Künstlerinnen und Künstlern wie Nevin Aladağ, Claudia Comte, Tacita Dean und Julian Charrière.

Sculpture 21st:

„Sculpture 21st:“ lautet der Titel der Ausstellung, die vom 26. Mai bis zum 20. August gezeigt wird. Tausende von Glasmurmeln verwandeln den Boden der nördlichen Glashalle des Lehmbruck Museums in ein ebenso schillerndes wie fragiles Relief. Wie zufällig nehmen die Kugeln eine vertraute Konstellation ein: die einer Weltkarte. Das raumgreifende Werk „Map (clear)” von Mona Hatoum (*1952), mit dem die Reihe „Sculpture 21st“ fortgesetzt wird, spiegelt die extreme Verletzlichkeit unseres Lebensraumes wider. Die ambivalente Symbolik der Murmeln, die sowohl als Spielzeug wie auch als minderwertiges Tauschobjekt gesehen werden können, unterstreicht den politischen Charakter der Installation.

Mona Hatoum Valencia Institute of Modern Art. Foto: Juan García Rosell

Der menschliche Körper

Der menschliche Körper und seine Sinne stehen im Zentrum der Werke Mona Hatoums. Mit ihren Performance- und Videoarbeiten wurde sie Mitte der 1980er-Jahre international bekannt. Heute gehört sie zu den renommiertesten Künstlerinnen und Künstler der Gegenwart. Hatoum wurde 1952 als Tochter palästinensischer Eltern im Libanon geboren. Seit Ausbruch des libanesischen Bürgerkriegs 1975 lebt sie in Europa. Ihr Werk hängt eng mit ihren persönlichen Erfahrungen zusammen. Der Zustand des Unfriedens, politische Konflikte und Unterdrückung sind der Motor ihres Schaffens. Mona Hatoums Arbeiten wurden weltweit präsentiert, unter anderem in Einzelausstellungen im Valencia Institute of Modern Art, Spanien (2021), im Hiroshima City Museum of Contemporary Art, Japan (2017), im Centre Pompidou, Paris (2014) und der Tate Britain, London (2000).

Kulturelles Leben geprägt

Der Duisburger Künstlerbund ist die älteste Künstlervereinigung der Stadt. Das 100-jährige Jubiläum des traditionsreichen Künstlerbundes ist der Anlass zu einer Ausstellung, die vom 17. Juni bis 1. Oktober präsentiert wird. Sie eröffnet die Möglichkeit, selten präsentierte Werke aus der Sammlung des Lehmbruck Museums zu entdecken. Duisburger Malerinnen und Maler, Bildhauerinnen und Bildhauer, Fotografinnen und Fotografen hatten sich im Jahr 1923 unter dem Namen „Notgemeinschaft Duisburger Künstler” zusammengeschlossen, um den sozialen und wirtschaftlichen Krisen zu trotzen. Nicht nur mit ihren Werken, sondern auch mit ihren Aktivitäten haben sie seitdem das kulturelle Leben der Stadt enorm bereichert und einen unverzichtbaren Beitrag zum kreativen Milieu geleistet. Entstanden ist ein kreatives Umfeld, das unterschiedlichen Stilrichtungen und Kunstgattungen Platz zur Entfaltung bietet. Das Lehmbruck Museum hat das Engagement des Künstlerbundes von Beginn an gefördert, durch Ausstellungen und Präsentationen und vor allem durch Erwerbungen.

Von rund der Hälfte aller ehemaligen und aktuellen Mitglieder des Duisburger Künstlerbundes besitzt das Lehmbruck Museum mindestens ein Werk. In der Studioausstellung sind ausgewählte Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen und Fotos von 1930 bis in die Gegenwart zu sehen.

Mona Hatoum Valencia Institute of Modern Art. Foto: Juan García Rosell

Kohle wird zu Gold

Kaum jemand prägt derzeit die Entwicklung der zeitgenössischen Skulptur intensiver als die Bildhauerin Alicja Kwade. Die 1979 im polnischen Kattowitz geborene Künstlerin besitzt ein unvergleichliches Gespür für Material, Form und Harmonie, das ihrem Werk eine Ausnahmestellung verleiht. Kwades Werkkonstellationen stellen existenzielle Fragen und führen spielerisch zum Nachdenken über das Sein in der Welt. Das Verständnis von Realität stellt Kwade immer wieder gekonnt auf die Probe und überschreitet die Grenzen unserer Vorstellung von Wirklichkeit. Kohle wird zu Gold, Kiesel zu Edelsteinen und das Vergehen der Zeit wird körperlich spürbar.

Klare Bildsprache

Die Ausstellung im Lehmbruck Museum (Laufzeit: 24. September bis 25. Februar 2024) zeigt das vielfältige Werk Alicja Kwades von ihrem Frühwerk bis hin zu neueren Arbeiten. In ihren Installationen geht Kwade oft in den Grenzbereich dessen, was physikalisch möglich ist: durch scheinbar unendliche Spiegelungen, Dehnungen, Vervielfältigungen, Zerlegungen und Neuzusammensetzungen schafft sie überraschend neue Perspektiven fernab unserer Sehgewohnheiten. Ihr Werk ist dabei von naturwissenschaftlichen, philosophischen als auch gesellschaftlichen Fragestellungen inspiriert. Mit ihrer klaren Bildsprache und unter Verwendung gefundener Objekte aus Natur und Alltagswelt schöpft das Werk Kwades mit einer enormen Fantasie aus dem Reichtum der existierenden Möglichkeiten, Methoden und Materialien.

Alicja Kwades Werke sind in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen weltweit vertreten, unter anderem im Louisiana Museum of Modern Art in Humlebæk, dem Centre Pompidou in Paris und dem Mumok in Wien. 2017 nahm Kwade an der 57. Biennale di Venezia teil, zuletzt wurden umfangreiche Einzelausstellungen in der Berlinischen Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst in Berlin (2021) und in der KÖNIG Galerie in Tokio (2020) präsentiert.

Hepworth: Mother and Child, 1934. Pink Ancaster stone. Purchased by Wakefield Corporation in 1951. © Bowness. Foto: Jerry Hardman-Jones

Das Leben Lehmbrucks

Rückblickend betrachtet erscheint die Biografie einer Person häufig schlüssig und selbstverständlich. Doch hinter jedem Schritt im Leben steht eine Entscheidung. Erstmals lässt die interaktive Geschichte „Wer war Wilhelm?” die Spielerinnen und Spieler an einschneidenden Momenten im Leben Wilhelm Lehmbrucks (1881–1919) teilhaben. Basierend auf wahren Begebenheiten schreibt die renommierte Autorin Theresia Enzensberger Lehmbrucks Biografie neu: Ihre fesselnde Geschichte lässt die Spielerinnen und Spieler in die Zeit des Bildhauers eintauchen. Sie begleiten ihn durch Höhen und Tiefen seines bewegten Lebens, lernen Freundinnen und Freunde und Zeitgenossinnen und Zeitgenosssen kennen und bekommen Einblicke in den Schaffensprozess seiner Werke. pk