„Sogar der Fachmann staunt!“ – Sammlung Olbricht im Folkwang Museum

Stephan Zick Anatomisches Modell eines menschlichen Auges Nürnberg, um 1700 Olbricht Collection Foto: Kunstkammer Georg Laue, München/Londo

Essen. In einer Bildergeschichte von Wilhelm Busch heißt es: „Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich“. Die neue Ausstellung im Museum Folkwang Essen heiß indes: „Sogar der Fachmann staunt“. Sie wird bis zum 15. Januar zu bestaunen sein.

Reichverzierter Nautiluspokal

Präsentiert werden rund 200 Werke aus der Sammlung „Olbricht“, darunter die  begehbare Vitrinenarchitektur Helm/Helmet/Yelmo des kubanischen Künstlerduos Los Carpinteros sowie  weitere Kunstwerken aus Beständen des Essener Sammlers. Die Präsentation interpretiert das Sammlungs- und Ausstellungsprinzip der Wunderkammer auf zeitgenössische Weise. Über Epochen- und Gattungsgrenzen hinweg breitet „Sogar der Fachmann staunt!“ ein Panorama motivischer und künstlerischer Bezüge aus, vom reichverzierten Nautiluspokal oder Elfenbeinhumpen, über anatomische Lehrmodelle bis hin zu einer zeitgenössischen Bronze eines verrottenden Apfelgehäuses.

Zeitraum von mehr als 500 Jahre

Unter den Ausstellungsstücken, die einen Zeitraum von mehr als 500 Jahren umfassen, befinden sich zahlreiche Werke, die als Vanitas-Motive den Übergang vom Leben zum Tod thematisieren und Einblicke in den menschlichen Körper und einzelne Körperteile eröffnen. Andere Objekte fordern unsere Wahrnehmung heraus, indem sie auf den ersten Blick nicht sofort erkennen lassen, ob sie Naturdinge sind oder von Menschen geschaffen wurden. Gemälde, Grafiken und Plastiken von Künstlern wie Albrecht Dürer, Kehinde Wiley, Wolfe von Lenkiewicz, Kris Martin und Athena Vida ergänzen die Präsentation der Wunderkammer-Objekte und erweitern den inhaltlichen wie zeitlichen Horizont bis in die Gegenwart.

Titel stammt von Sigmar Polke

Der Ausstellungstitel stammt von einem gleichnamigen Werk Sigmar Polkes, welches ebenfalls zu sehen ist. Das Sammlungs- und Ausstellungsprinzip der Wunderkammer entsteht in der Zeit der Renaissance und im Barock, in der sich das menschliche Wissen durch Weltreisen und wissenschaftliche Forschungen vermehrt. Im Zuge der Digitalisierung und Globalisierung unserer gegenwärtigen Welt erlebt die Menschheit erneut einen immensen Zuwachs an Informationen und Bildern, die sich ganz unterschiedlichen Wissenstraditionen, künstlerischen Techniken und gesellschaftlichen Vorstellungen verdanken. Als ein Modell für einen offenen und spielerischen Umgang mit diesem „Weltwissen“ besitzt das Prinzip der Wunderkammer erneut große Aktualität. Anstatt den Besucherinnen und Besuchern eine einzelne dominante Erzählung (über Kunstgeschichte, technischen Fortschritt, moderne Naturwissenschaften usw.) vorzugeben, lädt die Präsentation dazu ein, selbst aktiv zu werden und ungeachtet etablierter Hierarchien und Narrative neue Verbindungen zu schaffen und eigene Geschichten entstehen zu lassen.

Werkgruppen von Georg Baselitz

Die von dem Künstlerduo Los Carpinteros 2014 geschaffene Installation Helm/Helmet/Yelmo, die bislang eine Leihgabe der Künstler war, wurde 2020 von dem Sammler Thomas Olbricht erworben und dem Museum Folkwang als Dauerleihgabe überlassen. Darüber hinaus hat das Museum Folkwang die Möglichkeit, in den kommenden Jahren auf spezifische Bestände der Sammlung Olbricht zurückzugreifen; dazu gehören die Konvolute aus der Wunderkammer Olbricht sowie Werkgruppen von Künstlerinnen und Künstlern wie Georg Baselitz und Sigmar Polke. pk