Das Kunsthistorische Museum Wien widmet Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606-1669) zum ersten Mal in seiner Geschichte eine große Sonderausstellung. Sie zeigt eine in Österreich noch nie dagewesene Vielfalt an Hauptwerken eines der bedeutendsten holländischen Barockkünstler und wählt dazu einen besonderen Zugang: Rembrandts Gemälde werden Werken seines brillanten Schülers Samuel van Hoogstraten (1627-1678) gegenübergestellt.
Rembrandts Werkstatt war Schauplatz eines angeregten Austausches über künstlerische Herausforderungen: Sowohl Rembrandt als auch Van Hoogstraten verstanden sich als forschende Künstler, die stets nach neuen Wegen suchten, die Natur sowie optische Phänomene täuschend echt darzustellen. Rembrandts illusionistische Fertigkeiten faszinierten auch Van Hoogstraten und sollten dessen Schaffen nachhaltig prägen.
Die ausgestellten Werke unterschiedlicher Genres zeugen vom Wettstreit der beiden Künstler, aber auch von den eigenen innovativen Bilderfindungen, mit denen Van Hoogstraten großen Erfolg am Wiener Hof feierte.
Zudem bietet Van Hoogstraten mit seiner 1678 publizierten Einführung in die Hohe Schule der Malkunst (Inleyding) eine einzigartige Quelle zu Rembrandts Werkstattpraxis, Ausbildungsmethoden sowie kunsttheoretische Auffassung.
Ein Fest für alle Sinne
Das Licht wird in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts zu dem maßgeblichen Protagonisten. Es spielt eine entscheidende Rolle zur illusionistischen Darstellung der sichtbaren und unsichtbaren Welt, die alle Sinne der BetrachterInnen anspricht.
Rembrandt und Van Hoogstraten sind auf dem Gebiet des Illusionismus herausragende Künstlerpersönlichkeiten. Die Auswahl der ca. 60 Werke umfassenden Schau bringt ihre innovativen Experimente mit Farbe und Lichtgebung sowie ihre Gabe, täuschend echte Wirklichkeiten zu schaffen, besonders gut zur Geltung. Gemälde aus allen Schaffensphasen der beiden Maler treten dabei in einen Dialog. Den BesucherInnen eröffnen sich so spannende Einblicke in Gemeinsamkeiten, eigene Entwicklungen in ihrem Œuvre, aber auch in ihr künstlerisches Wechselspiel.
Insbesondere das facettenreiche Werk des ambitionierten und auch am Wiener Hof von Kaiser Ferdinand III. erfolgreichen Samuel van Hoogstraten wird zum ersten Mal in diesem Zusammenhang vorgestellt.
Hochkarätige Werkauswahl
Die Werkauswahl ermöglicht erstmals die Rembrandt- und Hoogstraten-Bestände des Kunsthistorischen Museums gemeinsam zu präsentieren, darunter Rembrandts Großes Selbstbildnis und Kleines Selbstbildnis, Die Prophetin Hanna, Bildnis eines Mannes, Bildnis einer Frau und Titus van Rijn, der Sohn des Künstlers, lesend sowie Van Hoogstratens Alter Mann im Fenster und Innerer Burgplatz in Wien im fingierten Rahmen.
Sie werden von Leihgaben bedeutender österreichischer und internationaler Institutionen begleitet. Zu den Highlights zählen unter anderem Rembrandts Mädchen im Bilderrahmen aus dem Königlichen Schloss in Warschau, seine Junge Frau im Bett aus den National Galleries of Scotland, Edinburgh und seine Predigt Johannes des Täufers aus den Staatlichen Museen zu Berlin, sowie Van Hoogstratens Augenbetrüger-Stillleben aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, sein Selbstporträt aus Liechtenstein. The Princely Collections, Wien-Vaduz und seine Perspektivische Ansicht mit einem lesenden jungen Mann in einem Renaissancepalast aus dem Dordrechts Museum.
Weitere wichtige Leihgaben stammen unter anderem aus der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien, der Royal Collection London, dem Museé du Louvre Paris, dem Nationalmuseum Stockholm, dem Museo National ThyssenBornemisza Madrid, den Fine Arts Museums San Francisco, der Armand Hammer Collection in Los Angeles, der Leiden Collection in New York und von privaten Leihgebern.
Die Ausstellung lässt BesucherInnen die Meisterwerke von Rembrandt und Van Hoogstraten neu entdecken. Darüber hinaus erforscht sie die Faszination der Epoche für das Spiel mit der scheinbaren Wirklichkeit durch kunsttheoretische Schriften und zeitgenössische Geistesströmungen. Werke aus der Sammlung des Kunsthistorischen Museums wurden technologisch untersucht und verdeutlichen den innovativen Einsatz von Perspektive, Farbe, Licht und Schatten der beiden Künstler.
Als wissenschaftlicher Kooperationspartner der Wiener Ausstellung konnte das Museum Het Rembrandthuis in Amsterdam gewonnen werden. Dort wird von 01. Februar bis 04. Mai 2025 for Art History entsteht mithilfe eines internationalen Expertenteams der erste Catalogue raisonné zum Œuvre Van Hoogstratens, in den die Forschungsergebnisse beider Ausstellungen einfließen.
Rembrandt als Lehrmeister
Am Beginn der Schau treffen die BesucherInnen in zwei Selbstbildnissen auf die beiden Protagonisten zu einem Zeitpunkt als sie zu Beginn der 1640er Jahre in Rembrandts Werkstatt zusammenarbeiten. Diese beiden Gemälde machen die große stilistische Nähe des erst 18jährigen vielversprechenden Schülers Van Hoogstraten zu seinem Lehrer besonders greifbar.
Der Raum eröffnet die vielschichtige Thematik der Ausstellung rund um einen meisterhaften Farbeinsatz der beiden Maler. Mit ihrer virtuosen Farbgebung gelingt ihnen eine naturgetreue Darstellung von Licht und Schatten, die den Werken eine beeindruckende Dreidimensionalität und sogar die Illusion einer leichten Bewegung verleiht. Besonders eindrucksvoll zu beobachten ist das bei Rembrandts Die heilige Familie mit dem Vorhang der Museumslandschaft Hessen Kassel, Schloss Wilhelmshöhe, Gemäldegalerie Alter Meister und Antikensammlung.
Im Zentrum steht hier auch Van Hoogstratens Malereitraktat Inleyding. Es ist eine einzigartige schriftliche Quelle für das Verständnis von Rembrandts Kunst und ist ein unschätzbarer Beitrag des Schülers zum Nachruhm seines Lehrers. Van Hoogstraten bewundert in dieser Publikation insbesondere die unvergleichliche Kraft der Farben in Rembrandts Bildern, den verblüffenden Illusionismus seiner Werke und seine einzigartige Gabe, Affekte in faszinierender Vielfalt wiederzugeben. Exemplarisch erwähnt er das in der Ausstellung präsentierte Historienbild Predigt Johannes des Täufers von Rembrandt, in dem mehr als 100 ausdrucksstarke Figuren zu entdecken sind.
Augenbetrügerei
Der zweite Ausstellungsraum befasst sich mit dem faszinierenden Thema illusionistischer Effekte. Essentiell für die wirksame „Augenbetrügerei” sind die Rahmung, Positionierung, Farbgebung und Beleuchtung eines Werkes, die von Künstlern im Hinblick auf den Anbringungsort von Anfang an mitgedacht werden. Rembrandt beherrscht sie meisterhaft und spielt besonders in seinen Porträts mit den Grenzen menschlicher Wahrnehmungsfähigkeit zwischen Bild- und Betrachterraum. Er verleiht seinen Figuren durch das Integrieren von fingierten Bilderrahmen und architektonischer Durchblicke sowie den dramatischen Einsatz von Licht eine außergewöhnliche Präsenz und Tiefe. Erstmals ist es gelungen, alle Gemälde Rembrandts, in denen er diese illusionistischen Kunstgriffe einsetzt, in einer Ausstellung zu vereinen.
Sein ambitionierter Schüler Van Hoogstraten eifert ihm nach und versucht Rembrandt beim Erzielen dieser optischen Täuschungen noch zu überbieten. Die Werke mit Darstellungen von Menschen, die den gemalten Rahmen förmlich sprengen – dazu zählen Rembrandts Mädchen im Bilderrahmen oder auch Van Hoogstratens Alter Mann im Fenster – werden ergänzt durch illusionistisch gemalte Steckbretter. Diese Trompe-l’œil Gemälde, die dazu verführen, nach täuschend echt gemalten Alltagsgegenständen zu greifen, werden zu Van Hoogstratens Markenzeichen. Als er 1651 eine Audienz beim Habsburger Kaiser Ferdinand III. erhält, gelingt es ihm, den begeisterten Kunstsammler mit einem solchen Werk zu „betrügen”.
Eklektizismus und täuschende Architektur
Samuel van Hoogstraten entwickelt sich zu einem eklektischen Künstler, der sich rasch unterschiedlichste Malstile aneignet und auf die Vorlieben seiner Auftraggeber einzugehen voil Sollten, Gebilde ein Allegorien zen erhie der arpergeweh richen Bandbreite ausgeklügeltsten Bilderfindungen.
Der Innere Burgplatz in Wien, ein Trompe-l’œil par excellence, das ursprünglich sogar eine kleine gangbare Uhr enthielt und damit viele Sinne anspricht, verhilft ihm zu einer erfolgreichen Karriere am Wiener Kaiserhof. Ebenso in der Ausstellung zu sehen ist Van Hoogstratens Perspektivische Ansicht mit einem lesenden jungen Mann in einem Renaissance-Palast, die bereits von Saal I aus ihre Sogwirkung entfaltet.
Rembrandt, der sich auch als forschender Künstler versteht, gibt diese Rolle an Van Hoogstraten weiter. Dabei gilt das naturwissenschaftliche Interesse beider Maler insbesondere der Optik, Natur-Lichtspielen und dem Kammerlicht. Hintergrundwissen zu diesem faszinierenden Thema, zu Perspektive, Farbe und Illusion wird in den Kabinetten der Ausstellung vermittelt. Neben Eindrücken von Werkstattpraktiken, durch die Inleyding untermauert, werden Untersuchungen an Gemälden Rembrandts und Van Hoogstratens gegenübergestellt, die ihre Maltechniken beleuchten.
Universalkünstler
Der abschließende Ausstellungssaal fokussiert auf die Historienmalerei – biblische, mythologische und historische Szenen – die als höchststehende Gattung in der Hierarchie der Malerei gilt. Gezeigt werden Gemälde Rembrandts, die seinen meisterhaften Umgang mit Licht sowie sein Gespür für Inszenierung und Theatralik veranschaulichen, beispielhaft dafür ist seine Juno aus dem Armand Hammer Museum in Los Angeles. Erstmals öffentlich zu sehen ist Van Hoogstratens Auseinandersetzung mit der Antike in dem Gemälde Triumph der Wahrheit und Gerechtigkeit.
Selbstbewusst nehmen sowohl Rembrandt als auch Van Hoogstraten in Anspruch, Universalkünstler zu sein, deren Expertise die ganze sichtbare Welt umfasst. Und so treffen die beiden arrivierten Maler am Ende der Schau in zwei späten Selbstbildnissen wieder aufeinander.
Zeitloses Phänomen
Die Ausstellung wurde von Sabine Pénot, Kuratorin für Altniederländische und Holländische Malerei im Kunsthistorischen Museum kuratiert.
Serenella Zoppolat und Tilo Perkmann von Artvis gestalteten die Ausstellung.
Rembrandt | Hoogstraten
Der offizielle Begleitband „Rembrandt – Hoogstraten. Farbe und Illusion” (Belser Verlag) beleuchtet Rembrandts Schaffen aus der einzigartigen Perspektive seines talentierten Schülers Samuel van Hoogstraten (1627-1678). Basierend auf Hoogstratens 1678 veröffentlichter Abhandlung über die Malerei bietet die Publikation Einblicke in Rembrandts Werkstattpraxis und Ausbildungsmethoden.
Zentrale Themen der Ausstellung sind die Auseinandersetzung mit der kraftvollen Wirkung der Farbe und die großartigen illusionistischen Techniken, mit denen sowohl Rembrandt als auch Hoogstraten in ihren Gemälden »virtuelle Wirklichkeiten« schaffen konnten. Die Gemälde Rembrandts stehen in der Ausstellung mit denen seines Schülers im Dialog. Gemeinsamkeiten sowie eigene Entwicklungen im Œuvre der jeweiligen Künstler ergeben spannende Einblicke in das künstlerische Schaffen der beiden Meister. Das Werk von Samuel van Hoogstraten wird zum ersten Mal in diesem Zusammenhang vorgestellt.
Die Faszination der Epoche für den Illusionismus wird vor dem Hintergrund kunsttheoretischer
Schriften des 17. Jahrhunderts untersucht, zeitgenössischen Geistesströmungen gegenübergestellt und mit den Ergebnissen aktuell durchgeführter technologischer Analysen im Hinblick auf Rembrandts und Hoogstratens innovativen Einsatz von Perspektive, Farben, Licht und Schatten ergänzt. Der Begleitband versammelt Essays zahlreicher renommierter Kunsthistorikerinnen, darunter Volker Manuth, Jonathan Bikker, Celeste Brusati, David de Witt und weitere.
Die Ausstellung umfasst rund sechzig Werke – Gemalde, Zeichnungen und Druckgrafiken – aus der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums und von internationalen Leihgebern, unter anderem aus dem Metropolitan Museum of Art in New York, der Royal Collection London und dem Louvre in Paris.
Sabine Pénot (Hrsg.)
Rembrandt – Hoogstraten
Farbe und Illusion
Format 28 x 24 cm
304 Seiten
Hardcover
€ 59,- [D]
ISBN 978-3-7630-2921-1
Belser Verlag