Essen. Im kommenden Jahr begeht das Museum Folkwang sein 100-jähriges Jubiläum am Standort Essen. Das Jubiläumsprogramm steht ganz im Zeichen der Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Museums und seiner Rolle in der Stadt. Gefeiert wird mit Ausstellungen und Veranstaltungen, die die zentralen Sammlungsschwerpunkte, wie Impressionismus, Expressionismus, Fotografie und Plakat, und die Stadtgesellschaft ins Zentrum rücken.
Von Karl Ernst Osthaus 1902 in Hagen gegründet, dann 1922 als Museum Folkwang in Essen eröffnet, gehört das Haus zu den bedeutenden Kunstmuseen Deutschlands mit internationalem Renommee. Peter Gorschlüter, Direktor Museum Folkwang: „Wir freuen uns auf ein Jubiläumsjahr, in dem wir den Blick nicht nur auf die 100jährige Geschichte in Essen richten, sondern einen Bogen spannen: von den Ideen unseres Museumgründers Karl Ernst Osthaus in die Gegenwart, vom Museum in die Stadt, von Essen in die Welt.“ Thomas Kufen, Oberbürgermeister Stadt Essen: „Das Museum Folkwang ist bis heute das kulturelle Herz von Essen. Hier treffen Tradition und Moderne sowie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Kunst und Gesellschaft aufeinander. Im kommenden Jahr blicken wir gemeinsam auf 100 Jahre Tradition zurück und blicken gleichzeitig nach vorne in eine Zeit der
Innovation und Moderne.“ Ulrich Blank, Vorsitzender Folkwang-Museumsverein e.V.:„Folkwang ist eine ungeheuer starke, verbindende Marke. Kulturgeschichte hat sie geschrieben mit der Idee, Kunst zum geistigen Eigentum aller Menschen zu machen.“
Sammlung Osthaus tritt in Dialog mit Sammlung Matsukata
Den Auftakt zum Jubiläumsjahr bildet das Ausstellungshighlight „Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fließenden Welt.“ (6. Februar – 15. Mai 2022). Der bedeutende Bestand spätimpressionistischer Werke aus dem Museum Folkwang tritt in Dialog mit der Sammlung des „National Museum of Western Art“ in Tokio. Die Schau verdeutlicht anhand von rund 120 Werken, u. a. von Cézanne, Gauguin, Manet, Monet, Renoir, Rodin und Van Gogh, wie sich der Impressionismus von einer zunächst kritisch beäugten Kunstrichtung zu dem Stil entwickelte, der heute als Beginn der modernen Kunst gilt. Erzählt wird dies anhand von zwei faszinierenden Sammlerpersönlichkeiten und Museumsgründern des frühen 20. Jahrhunderts: Kojiro Matsukata und Karl Ernst Osthaus. Zum ersten Mal seit den 1950er Jahren wird die Sammlung Matsukata aus dem „National Museum of Western Art“ in Tokio wieder in einem größeren Umfang in Europa zu sehen sein. So treffen die berühmte Komposition „Im Boot“ von Claude Monet oder das Gemälde „Der Hafen von Saint-Tropez“ von Paul Signac, das einst zur Ursprungssammlung des Museum Folkwang gehörte, auf Pierre-Auguste Renoirs „Lise mit dem Sonnenschirm“ oder „Mädchen mit Fächer“ von Paul Gauguin. Neben Meisterwerken des Impressionismus werden auch zeitgenössische Installationen der japanischen Künstlerinnen Chiharu Shiota und Tabaimo zu sehen sein. Im Anschluss an die Essener Präsentation wird das „National Museum of Western Art“ unter dem Titel „People and Nature“ einen zweiten Teil der Ausstellung in Tokio zeigen.

Plakate von Einst und von Heute
Im Frühjahr eröffnet die Plakatausstellung „We Want You! Von den Anfängen des Plakats bis heute“ (6. April – 28. August) und nimmt die Präsentation, Anwendung und Wahrnehmung des Plakats von seinen Anfängen bis heute in den Fokus: Beginnend mit dem „Wilden Kleben“ etabliert sich Mitte des 19. Jahrhunderts die Werbung an den Litfasssäulen; ab den 1920er Jahren entstehen Kampagnen und bis zur Einführung des Fernsehens Mitte der 1950er Jahre bleibt das Plakat das Leitmedium der Werbung. Mit der Großfläche gewinnt es in den folgenden Jahren eine neue, starke Sichtbarkeit. Fortan bestimmen technische Neuerungen den Wandel hin zu neuen Formaten und permanenter Präsenz. Durch die Digitalisierung und Vernetzung, durch interaktive Elemente mit direkter Ansprache und zielgruppenorientierter Aussteuerung wird der öffentliche Auftritt des Plakats erweitert. Von den ersten Erscheinungsformen des Plakats bis in seine digitale Gegenwart und Zukunft wirft die Ausstellung anhand von wichtigen Exponaten der Plakatgeschichte, u. a. von Lucian Bernhard, Isolde Baumgart, Hans Hillmann, Alfons Maria Mucha, Henri de Toulouse-Lautrec und Charles Paul Wilp, einen kultur- und medienhistorischen Blick auf die Welt der Werbung.
Ausstellung im Essener Stadtraum
Im Sommer begibt sich das Museum mit dem Projekt „Folkwang und die Stadt“ (21. Mai – 7. August) in den urbanen Raum – ganz im Sinne der Folkwang-Idee von einer tiefen Verschränkung von Kunst, Stadt und Gesellschaft. Gemeinsam mit Initiativen, Vereinen, Communities und Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern widmet sich das Museum wichtigen Zukunftsthemen und der Rolle von Kunst und Kultur in aktuellen Transformationsprozessen: Die Themenschwerpunkte reichen von Integration, kultureller Vielfalt, über Stadtentwicklung und urbanes Leben, bis hin zu Nachhaltigkeit, Globalisierung und Digitalisierung. Die Ausstellung im Essener Stadtraum rund um den Berliner Platz präsentiert – begleitet von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm – ortsspezifische Kunstprojekte internationaler Künstlerinnen und Künstler, die eine neue Kooperation zwischen Kunst und Gesellschaft erlebbar machen und das Museum zur Stadt hin öffnen. Beteiligt sind u. a. Neil Beloufa, Anne Berlit, Alexandra Bircken, Phil Collins, Eva Kot’átková, Fari Shams und Simon Starling.

Wechselvolle Geschichte des Expressionismus
In der zweiten Jahreshälfte lässt die Ausstellung Expressionisten am Folkwang. Entdeckt – Verfemt – Gefeiert (20. August – 8. Januar 2023) eines der bedeutendsten Kapitel in der Geschichte des Museum Folkwang lebendig werden: Der Gründungsdirektor Karl Ernst Osthaus, aber auch sein Nachfolger Ernst Gosebruch pflegen enge Kontakte zu den wichtigsten Expressionistinnen und Expressionisten. Früh stellen sie Werke u. a. von Ernst Ludwig Kirchner, Franz Marc, Paula Modersohn-Becker oder Emil Nolde aus und erwerben zentrale Arbeiten von ihnen. Umgekehrt finden die Künstlerinnen und Künstler Inspiration und Vorbilder in der museumseigenen Sammlung. Anhand von Meisterwerken aus den Bereichen Malerei, Skulptur und Grafik widmet sich die Schau diesem intensiven und fruchtbaren Austausch. Zugleich erzählt sie anhand von über 120 Kunstwerken die wechselvolle Geschichte des Expressionismus im 20. Jahrhundert, dessen Werke noch bis in die 1920er Jahre hinein in der Kunstwelt umstritten waren, in den 1930er Jahren verfemt und beschlagnahmt wurden, nach Ende des Zweiten Weltkriegs jedoch rasch größte Anerkennung fanden.
24h-Sommerfest zur Ausstellungseröffnung
Zur Ausstellungseröffnung findet ein großes 24h-Sommerfest statt. Mit dem interdiziplinären Foschungsprojekt „Image Capital“ der Fotografiehistorikerin Estelle Blaschke und des Künstlers Armin Linke beleuchtet das Museum den Umgang mit Fotografien (9. September – 11. Dezember) Während die Geschichte der digitalen Bildpraktiken erst in der Entstehungsphase begriffen ist, sticht heute die unaufhörliche Anhäufung von Fotografien in Suchmaschinen, Social Media oder in den Speichern unserer Smartphones hervor. Die Ausstellung zeigt historische und zeitgenössische Fotografien, Dokumente, Found-Footage sowie virtuelle Animationen aus der Wissenschaft und kreist um verschiedene Infrastrukturen des Fotografischen.

Malgrund wird mit Farbe durchtränkt
Zum Ende des Jubiläumsjahres zeigt das Museum Folkwang erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder das farbgewaltige Werk Helen Frankenthalers (1928–2011) in Deutschland: „Helen Frankenthaler. Malerische Konstellationen“ (2. Dezember – 5. März 2023). Die US-amerikanische Künstlerin ist bekannt für ihre Rolle als Vorreiterin am Übergang vom Abstrakten Expressionismus zum „Colour Field Painting“ (Farbfeldmalerei). Ausgehend von Materialexperimenten auf Papier revolutioniert sie Anfang der 1950er Jahre mit der von ihr erfundenen „Soak Stain-Technik“, dem Durchtränken des Malgrundes mit Farbe, die abstrakte Kunst. „Paper is painting“ – Papier ist Malerei, so beschreibt Frankenthaler die Bedeutung des Mediums, das bei ihr den Gebrauch der Leinwand zeitweise vollkommen ersetzt. In Gegenüberstellung mit einer Auswahl an Gemälden zeigt das Museum Folkwang 75 großformatige Arbeiten auf Papier aus der Zeit zwischen 1949 und 2002. Sie verdeutlichen, wie Frankenthaler ihr Werk zu Lebzeiten jenseits aller vorherigen malerischen und gesellschaftlichen Konventionen konsequent weiterentwickelt. pk
Fotos © Jens Nober, Museum Folkwang