„Joseph Beuys und die Schamanen“

Joseph Beuys, Schamane, 1963 Ölfarbe (Braunkreuz), Fettrand auf Werkdruckpapier, Klebepunkte am l. und r. Rand Museum Schloss Moyland, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Museum Schloss Moyland feiert den Jahrhundertkünstler mit einer interdisziplinären Ausstellung

Bedburg-Hau. Im Rahmen des Beuys-Jahrs feiert, wie viele andere Kunsteinrichtungen in NRW auch, das Museum Schloss Moyland den 100. Geburtstag von Joseph Beuys. „Joseph Beuys und die Schamanen“, heißt die interdisziplinäre Ausstellung, die bis zum 29. August gezeigt wird. Die Präsentation versammelt Werke von Beuys zusammen mit ethnologischen Objekten schamanischer Lebenswelten aus dem eurasischen Raum.

Dabei kann das Museum auf einen eigenen stattlichen Beuys-Fundus zurückgreifen. Das Museum Schloss Moyland beherbergt nämlich weltweit den größten Bestand an Werken von Joseph Beuys und verfügt zudem über das umfangreichste Beuys-Archiv. Darüber hinaus ist das Haus Forschungszentrum zu Joseph Beuys und vergibt seit 2011 den interdisziplinären „Joseph Beuys Preis“.

Gesellschaftsverändernde Aufgaben der Kunst

„Joseph Beuys und der Schamanismus“: Das Thema begleitet den Jahrhundertkünstler seit der ersten Hälfte der 1950er Jahre auf unterschiedliche Weise durch die verschiedenen Phasen seines Lebens und Werks. Seinen Niederschlag findet es in frühen bildnerischen Werken, Aktionen und sprachlichen Äußerungen wie Interviews. Die Figur des Schamanen diente Beuys als Projektionsfläche für Themen, die für sein gesamtes Schaffen von grundlegender Bedeutung waren: Schon früh in seinem bildnerischen und aktionistischen Werk formuliert, gipfelten sie in seinen Ideen von den gesellschaftsverändernden Aufgaben der Kunst. „Der Schamane verkörpert den auf die Zukunft hin ausgerichteten Anspruch von Beuys, durch Transformation und Kreativität eine einseitige materialistische Ausrichtung der Gesellschaft zu überwinden, Materielles und Spirituelles zu einer Ganzheit zu verbinden“, heißt es dazu von Museumsseite.
Als Krisenmanagerzwischen den Welten

Joseph Beuys, Haus des Schamanen I, 1959, Collage: Ölfarbe (Braunkreuz, Mennige), Wasserfarbe und Bleistift auf geknittertem, unregelmäßigem Transparentpapier und kräftigem Papier, geklebt Museum Schloss Moyland,
© VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Das Phänomen des Schamanismus und seine Aktualität in der Ausstellung, die von Barbara Strieder, Kommissarische Künstlerische Direktorin der Stiftung Museum Schloss Moyland und Ulrike Bohnet M. A., Ethologin und Kulturvermittlerin in Stuttgart, kuratiert wird, vermittelt eine ethnologische Darstellung der schamanischen Weltsicht ein Grundverständnis vom historischen und zeitgenössischen Schamanismus im indigenen Kontext. Sie bringt Besucherinnen und Besucher die historischen und mythischen schamanischen Lebenswelten nahe, auf die Beuys sich auf vielfältige Weise bezogen hat. Bedeutende Objekte aus ethnologischen Sammlungen wie wirkmächtige Schamanentrommeln, -gewänder und -kopfbedeckungen, Geisterfiguren, ferner historische und aktuelle Fotografien und Filme machen mit verschiedenen Ausformungen dieser besonderen Weltsicht vertraut. Krankenheilung, Jagdzauber, Orakel und Übergangsrituale: Seit der frühen Menschheitsgeschichte agieren Schamanen in Schwellenbereichen zwischen Leben und Tod, reisen als Krisenmanager zwischen den Welten der Menschen und der Geister und verhandeln überlebenswichtige Belange ihrer Gemeinschaften. Als Hüter traditionellen Wissens vermitteln Schamanen bis heute archaische Rituale, mythologische Kenntnisse und einen spirituellen Zugang zur Welt.

Schamanismus in der zeitgenössischen Kunst

Schamanismus in der zeitgenössischen Kunst: Unterschiedliche künstlerische Positionen beleuchten die Aktualität des schamanischen Themenfeldes für den gegenwärtigen künstlerischen, auch auf Gesellschaft und Ökologie bezogenen Diskurs beispielhaft. „Ziel dabei ist“, so Barbara Strieder, „von der zukunftsorientierten, nun aber historischen Beschäftigung mit der Schamanenfigur durch Beuys einen Bogen in die Gegenwart zu spannen und gleichzeitig die aktuelle Relevanz des Beuys´schen Ansatzes zu reflektieren.“ Der interdisziplinären Ausrichtung der Ausstellung entsprechend, die auf wechselseitige, ‚Östliches‘ und ‚Westliches‘ verbindende Aneignungsstrategien, Interdependenzen und Diversität fokussiert, werden auch Positionen von Künstlern mit kulturellen Wurzeln in Sibirien und der Mongolei gezeigt, die an die spirituellen, künstlerischen und handwerklichen Traditionen und Ressourcen ihrer Ethnien, der Nanai beziehungsweise der Mongolen, anknüpfen. pk

Joseph Beuys, Grab des Dschingis, 1957, Ölfarbe, Tempera, Goldbronze, Wachs auf in Form geschnittenem Karton, mit Nägeln auf mit Wachs betropftes, braun gebeiztes Holzbrett montiert Museum Schloss Moyland,
©VG Bild-Kunst, Bonn 2021