Jahresprogramm im Museum Barberini – Im Zentrum steht das Kameraauge

Jacques Henri Lartigue Arlette Prevost, Anna la Pradvina genannt, Avenue du Bois de Boulogne, 1911 Silbergelatinepapier 21,1 x 29,2 cm Sammlung Dietmar Siegert © Ministère de la Culture. Foto: Christian Schmieder

Potsdam. „Eine neue Kunst. Photographie und Impressionismus“ lautet die Ausstellung, die vom 12. Februar bis 8. Mai im Museum Barberini gezeigt wird. Sie ist zugleich Auftakt für die drei großen Ausstellungsblöcke 2022 des Potsdamer Hauses. Nächster Programmpunkt ist die Präsentation „Form der Freiheit. Internationale Abstraktion nach 1945“. Dauer: 4. Juni bis 25. September. Den Abschluss bildet die Schau „Surrealismus und Magie. Verzauberte Moderne“. Sie geht am 22. Oktober an den Start und dauert bis zum 29. Januar.

Wechselspiel aus „Photographie und Impressionismus“

Das 2017 eröffnete Museum Barberini zeigt mit „Eine neue Kunst. Photographie und Impressionismus“ erstmals eine Ausstellung mit Photographien. Ausgangspunkt für dieses Thema ist die Sammlung impressionistischer und postimpressionistischer Gemälde des Museumsstifters Hasso Plattner, die seit September 2020 dauerhaft in Potsdam präsentiert wird und zahlreiche Anknüpfungspunkte bei Künstlerinnen und Künstlern wie Gustave Caillebotte, Claude Monet und Berthe Morisot bietet. In Kooperation mit dem Barberini zeigt das Wuppertaler Von der Heydt-Museum die Schau vom 2. Oktober 2022 bis 8. Januar 2023. Es gehört zu jenen Häusern, die schon früh impressionistische Kunst sammelten und damit nicht nur in Deutschland, sondern in Europa Zeichen setzten.

Erprobung von Komposition und Perspektive

Im 19. Jahrhundert wählten zahlreiche Photographen die gleichen Motive wie die Maler des Impressionismus: Den Wald von Fontainebleau, die Steilküste von Étretat oder die moderne Metropole Paris. Ebenso wie die Maler studierten auch die Fotokünstler die wechselnden Lichtsituationen, die Jahreszeiten und Wetterverhältnisse. Claude Monet wie Berthe Morisot, Camille Pissarro und Pierre-Auguste Renoir arbeiteten unter freiem Himmel, um die neue Beziehung von Mensch und Natur zu thematisieren. Die Impressionisten widmeten ihre Malerei dem Augenblick. Ihre Malerei war pure Gegenwart, die individuelle Reaktionen auf im Wechsel begriffene Licht- und Wetterphänomene thematisierte. Das machte sie zu Verbündeten der Photographen. Auch sie wählten die gleichen Motive wie die Impressionisten. Von Anfang an verfolgten sie durch Erprobung von Komposition und Perspektive, mithilfe unterschiedlicher Techniken und Materialien sowie mit Unschärfe, Dramatisierung und Montage einen künstlerischen Anspruch. Licht – Grundlage der Photographie – war wie das Sehen selbst gemeinsames Thema von Malerei und Photographie.

Augustin Hippolyte gen. Auguste Collard Pont de Grenelle, Paris, um 1875/76, Albuminpapier 34 x 42 cm Bibliothèque de l’École nationale des Ponts et Chaussées, © École nationale des Ponts et Chaussées.

Das Wechselspiel von Photographie und Impressionismus ist jedoch immer noch unzureichend erforscht. Die Ausstellung „Eine neue Kunst. Photographie und Impressionismus“ setzt hier an und beleuchtet mit über 150 Arbeiten, darunter, darunter Photographien von Stéphanie Breton, Auguste Hippolyte Collard, Eugène Cuvelier, Louis-Alphonse Davanne, Robert Demachy, Peter Henry Emerson, Gustave Le Gray, Henri Le Secq, Heinrich Kühn,
Charles Marville, Constant Puyo, Henry Peach Robinson, Alfred Stieglitz, Carl Teufel und Alphonse Taupin, die Entwicklung des neuen Mediums auf dem Weg zu einer autonomen Kunstform.

Abstrakter Expressionismus und informelle Malerei

Die Ausstellung Form der Freiheit. Internationale Abstraktion nach 1945“ untersucht das kreative Wechselspiel zwischen Abstraktem Expressionismus und informeller Malerei im transatlantischen Austausch und Dialog von Mitte der 1940er Jahre bis zum Ende des Kalten Kriegs. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Malerei völlig neue Wege. Mit dem Abstrakten Expressionismus in den USA und dem Informel in Westeuropa wandte sich eine junge Künstlergeneration von den Stilrichtungen der Zwischenkriegsjahre ab: Statt figurativer Darstellung oder geometrischer Abstraktion verfolgte sie einen ungestüm-expressiven Umgang mit Form, Farbe und Material. Als Ausdruck individueller Freiheit erhielt die spontane künstlerische Geste symbolische Aufladung. Großformatige, flächige Farbfeldmalereien schufen einen meditativen Raum zur Auseinandersetzung mit den Grundfragen menschlicher Existenz. In der Präsentation wir das kreative Wechselspiel zwischen Abstraktem Expressionismus und informeller Malerei im transatlantischen Austausch und Dialog von Mitte der 1940er Jahre bis zum Ende des Kalten Kriegs untersucht. Gezeigt werden mehr als 90 Arbeiten von etwa 50 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Sam Francis, Helen Frankenthaler, K. O. Götz, Lee Krasner, Georges Mathieu, Joan Mitchell, Ernst-Wilhelm Nay, Barnett Newman, Jackson Pollock, Judit Reigl, Mark Rothko und Clyfford Still.

Surrealismus: Hinwendung zur Welt des Traums

Mit seinem im Oktober 1924 erschienenen Manifest des Surrealismus begründete der französische Schriftsteller André Breton eine literarische und künstlerische Strömung, die bald zur führenden internationalen Avantgarde avancierte. Im Zentrum des Surrealismus stand die Hinwendung zur Welt des Traums, des Unbewussten und des Irrationalen. Die Künstlerinnen und Künstler tauchten in das Ideenreich der Magie ein. In ihren Werken griffen sie auf okkulte Symbole zurück und pflegten das Selbstbild eines Magiers, Sehers und Alchemisten. Die Ausstellung „Surrealismus und Magie. Verzauberte Moderne“ ist die erste umfassende Werkschau, die das Interesse der Surrealisten an Magie, Mythos und Esoterik in den Blick nimmt. Sie spannt den Bogen von der „metaphysischen Malerei“ Giorgio de Chiricos um 1915 über Max Ernsts ikonisches Gemälde „Die Einkleidung der Braut“ (1940) bis zu den okkulten Bildwelten im Spätwerk von Leonora Carrington und Remedios Varo. Die Schau umfasst rund 90 Arbeiten von mehr als 20 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Schlüsselwerke von Victor Brauner, Leonora Carrington, Giorgio de Chirico, Salvador Dalí, Paul Delvaux, Max Ernst, Leonor Fini, Roberto Matta, Roland Penrose, Kay Sage, Kurt Seligmann, Yves Tanguy, Dorothea Tanning und Remedios Varo. pk

Jackson Pollock: Composition No. 16, 1948 Museum Frieder Burda, Baden-Baden © Pollock-Krasner Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2021