„Impressionismus in Russland. Aufbruch zur Avantgarde“,

Konstantin Korowin „Auf der Terrasse beim Tee“, 1916 Öl auf Leinwand, 67 x 87 cm ABA Gallery, New York

Unter diesem Titel zeigt das Museum Barberini Potsdam bis 9. Januar 2022 eine großangelegte Ausstellung. Paris war 1900 der Anziehungspunkt für russische Künstler. Hier begegneten sie den Werken von Claude Monet und Auguste Renoir und ließen sich von den Themen und der Malweise der französischen Impressionisten anregen.

Französische Lichtmalerei In Russland

Die Ausstellung widmet sich der bislang kaum erforschten Rezeption französischer Lichtmalerei in Russland. Sie zeigt anhand von rund 80 Werken die Internationalität der Bildsprache um 1900 und integriert die russischen Künstler der damaligen Zeit – von Ilja Repin bis Kasimir Malewitsch – in das Projekt der künstlerischen Moderne. „Ein kurzer Blick auf ein impressionistisches Bild hat Kunstgeschichte geschrieben“, so Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini. „Als Wassily Kandinsky 1896 in einer Ausstellung in Moskau vor ein Gemälde aus der Serie der Getreideschober von Claude Monet trat, sah er zu seiner Irritation ein Bild leuchtender Farben – ohne einen Gegenstand erkennen zu können. Diese Störerfahrung bestätigte ihn darin, in seiner Malerei auf das Motiv zu verzichten. Sie inspirierte seine künstlerische Entwicklung zur ungegenständlichen Malerei.“

Kasimir Malewitsch „Konstruktion in Auflösung“ (Drei Bögen auf diagonalem Element in Weiß), 1917 Öl auf Leinwand, 98 x 70,5 cm Stedelijk Museum Amsterdam

Die Befreiung vom Akademischen Realismus

Seit den 1860er Jahren zog Paris als führende europäische Kunstmetropole Maler der Akademien von Moskau und St. Petersburg an. In der Auseinandersetzung mit der impressionistischen Malerei des modernen Lebens befreiten sie sich vom Regelwerk des akademischen Realismus in Russland. Die Begegnung mit der französischen Malerei inspirierte Künstler wie Ilja Repin, Konstantin Korowin und Valentin Serow zu Darstellungen, die neben dem Eindruck des Gegenwärtigen Momente einer sinnlichen, dem Leben zugewandten modernen Welt zeigten. Elektrisches Licht, die Auslagen der Schaufenster und die Architektur der modernen Boulevards boten ihnen Motive, denen sie mit großer malerischer Freiheit begegneten. Die malerischen Effekte im Wechsel der Tageszeiten fesselten sie. Die nächtlich beleuchteten Straßenzüge faszinierten insbesondere Korowin und Nicolas Tarkhoff, die das Thema in Russland populär machten.

Eine eigene Spielart des Impressionismus

Das vom Impressionismus inspirierte Malen unter freiem Himmel veränderte die russische Kunst und machte das Thema Landschaft populär. Repin, Wassili Polenow und ihre Schüler Korowin und Serow erkundeten die Natur um Moskau und reisten in die Weiten des Nordens. Das Malen en plein air und ein skizzenhafter Stil führten die Künstler an Motive einer Lebensfreude heran, die sich von den existentiellen Themen der russischen Kunst lossagte. Das sich wandelnde Sonnenlicht ließ alles leicht und zukunftsoptimistisch erscheinen. In Portraits und Familienbildern verknüpften die russischen Künstler dabei Unmittelbarkeit mit psychologischer Deutung zu einer eigenen Spielart des Impressionismus. Fragen der nationalen Identität spielten dabei ebenso eine Rolle wie das Verhältnis zur realistischen Tradition innerhalb der Malerei. Für diese Auseinandersetzung gab die auf den spontanen Ausdruck gerichtete Malerei des Impressionismus mit ihrem über Nationengrenzen wirkenden Anspruch auf Modernität neue Impulse.

Wie die französischen Postimpressionisten strebten viele russische Maler eine internationale Laufbahn an und sahen im Aufenthalt im Westen nicht nur den Studienzweck. Die Landschaftsmalerei wurde zum ersten Experimentierfeld für Künstler wie Michael Larionow, Natalja Gontscharowa und Kasimir Malewitsch. Sie sahen sich als Impressionisten, bevor sie nach 1910 mit dem expressiven Rayonismus und dem ungegenständlichen Suprematismus die russische Avantgardekunst begründeten. pk

Ilja Repin: „Auf dem Feldrain. Vera A. Repina geht mit ihren Kindern über den Feldrain“, 1879, Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau.