„Guido Reni. Der Göttliche“ im Städel Museum Frankfurt

Guido Reni (1575–1642) „Hippomenes und Atalante“, um 1615–18 Öl auf Leinwand, 206 x 297 cm Museo Nacional del Prado, Madrid. Foto: Prado, Madrid

Frankfurt am Main. In einer groß angelegten Ausstellung entdeckt
das Städel Museum ab dem 23. November den einstigen Malerstar des italienischen Barock wieder: Guido Reni (1575–1642). Die Schau, sie trägt den Titel: „Guido Reni. Der Göttliche“, wird bis zum 5. März präsentiert.

Zu seiner Zeit war Reni einer der erfolgreichsten und gefeiertsten Maler Europas, begehrt bei den bedeutendsten Auftraggebern, zu denen etwa der Borghese-Papst Paul V., der Herzog von Mantua oder die englische Königin zählten. Erstmals seit über 30 Jahren führt das Städel Museum in Zusammenarbeit mit dem Museo Nacional del Prado in Madrid rund 130 seiner faszinierenden Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken zusammen und eröffnet einen neuen Blick auf Guido Reni.

Religiös und abergläubisch

Der Maler war zutiefst religiös und zugleich abergläubisch, sagenhaft erfolgreich und hoffnungslos spielsüchtig, wie eine zeitgenössische Biografie mitteilt. Den ehrenvollen Beinamen Il divino (dt. „Der Göttliche“) erhielt Reni schon zu Lebzeiten – dieser bezieht sich auf seinen Ruhm als Künstlerstar, der sich im Wissen um sein Können gelegentlich auch divenhaft verhielt. „Guido Renis Stellenwert in der europäischen Barockmalerei ist überragend. Die Rezeptionsgeschichte hat lange den Blick auf andere faszinierende Aspekte seiner Kunst verstellt. Denen werden wir uns in der Ausstellung widmen und zeigen, warum er im 17. Jahrhundert der erfolgreichste und meistgerühmte Maler Italiens war“, so Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums. Er führt fort: „Mit seiner Kunst prägte er die europäische Bildwelt tiefgreifend und
übersetzte wie kein anderer die Schönheit des Göttlichen in Malerei, gleich ob es sich um den christlichen Himmel oder die antike Götterwelt handelte“. Kurator Bastian Eclercy ergänzt: „Reni war ein Visionär. Die herausragenden Qualitäten seiner Kunst wurden bereits von seinen Zeitgenossen hochgeschätzt. In direkter, erstmaliger Gegenüberstellung von Renis eigenhändigen Gemälden und Arbeiten auf Papier greifen wir auf die Forschungsarbeit der letzten Jahre zurück und stellen auch jüngste Entdeckungen vor. Dabei spielen seine künstlerische Position und Entwicklung genauso eine Rolle wie die Vielfalt seiner Bildthemen, insbesondere seine sakralen Sujets.“

Historische Dokumente

Neben Hauptwerken aus der Sammlung des Städel Museums wie dem bedeutenden Frühwerk „Himmelfahrt Mariens“ (um 1598/99) oder dem jüngst restaurierten Gemälde „Christus an der Geißelsäule“ (um 1604) präsentiert die Ausstellung herausragende Arbeiten aus über 60 internationalen Museen und privaten Sammlungen, u. a. aus dem Museo Nacional del Prado, Madrid, der Pinacoteca Nazionale in Bologna, den Uffizien in Florenz, dem J. Paul Getty Museum, dem LACMA in Los Angeles, dem Metropolitan Museum of Art in New York und dem Louvre in Paris. Zudem ist eine Reihe von neu entdeckten und noch nie ausgestellten Werken Renis in Frankfurt zu sehen. Ergänzt wird diese Auswahl punktuell durch Gegenüberstellungen mit Werken von Vorbildern und Zeitgenossen, mit denen sich der Maler auseinandergesetzt hat (darunter Raffael, Parmigianino oder Annibale Carracci), sowie durch rare historische Dokumente, wie sein Rechnungsbuch der Jahre 1609–1612.

Guido Reni (1575–1642) Studie für Apoll im Aurora-Fresko (Rom, Casino Pallavicini-Rospigliosi), 1612-14 Rote Kreide auf Papier, 26 x 23,4 cm Windsor, Windsor Castle, Royal Collection Trust. Foto: © His Majesty King Charles III 2022

Rundgang durch die Ausstellung

Die Ausstellung präsentiert Renis Schaffen anhand zehn chronologischer Kapitel, teils mit thematischen Schwerpunkten. Ebenso spielen Aspekte seiner Lebensgeschichte, in die eine 1678 erschienene Biografie des Bologneser Gelehrten Carlo Cesare Malvasia (1616–1693) umfassenden Einblick gibt, eine Rolle. Den Auftakt der Ausstellung bildet eine noch nie zuvor zusammengetragene Gruppe von Gemälden der „Himmelfahrt Mariens“, darunter die beiden Fassungen der „Himmelfahrt“ und „Krönung Mariens“ von ca. 1602/03 (Madrid) und ca. 1607 (London),sowie die großformatige spätere Variante „Immaculata Conceptio“ von 1627 (New York), Das Thema erstreckt sich über Renis gesamtes Œuvre und hat ihn immer wieder aufs Neue beschäftigt.

Komplexe Persönlichkeit

Neben dieser exemplarischen Einführung in Renis Werk stellt die erste Sektion auch die komplexe Persönlichkeit des Malers vor – etwa in Gestalt von Bildnissen. Die Ausstellung präsentiert Renis erste Altar- und Andachtsbilder sowie virtuose Kreidezeichnungen. Jene frühen Werke verdeutlichen, wie Guido Reni den Spätmanierismus Calvaerts, die Reformmalerei der Carracci und sein Studium der Meister der Hochrenaissance, vor allem von Raffael (1483–1520) und Parmigianino (1503–1540), zu einer ganz eigenständigen Formensprache vereint. Ab 1601 lebt und arbeitet der Maler in Rom; diese Jahre erweitern seinen Erfahrungshorizont und prägen seinen Stil maßgeblich. Dort nimmt er mehrere bedeutende Aufträge von Kardinal Paolo Emilio Sfondrati an und trifft sowohl auf Caravaggio (1571–1610) als auch auf den Cavalier d’Arpino (1568–1640), dem er sich anschließt und der ihn laut Malvasia als ‚Anti-Caravaggio‘ zu etablieren sucht. Dennoch wird Reni bald zu einem ‚Caravaggisten‘ der ersten Stunde und interpretiert dessen Kunst zwischen ca. 1604 und 1606 auf eine sehr individuelle Weise.

Führender Maler Roms

wIn Rom steigt Reni innerhalb weniger Jahre zum führenden Maler der Stadt auf. Zwischen 1607 und 1614 gewinnt er Papst Paul V. Borghese und den Kardinalnepoten Scipione Borghese als Auftraggeber, die ihn für einige Jahre als ‚Hofkünstler‘ beschäftigen. Für die Familie der Borghese führt er große Freskenprojekte aus: im Vatikanischen Palast, in San Gregorio Magno, im Quirinalspalast und in Santa Maria Maggiore sowie das Aurora-Fresko im Casino des Pallavicini Rospigliosi, das zum Hauptwerk des ‚barocken
Klassizismus‘ wird. Die Ausstellung zeigt dies anhand einer Auswahl von Zeichnungen für diese Projekte, darunter seine Kompositionsstudien in Feder sowie Detailstudien in Kreide, die Renis Entwurfspraxis und Zeichenkunst eindrucksvoll vor Augen führen. 1614 kehrt Reni nach Bologna zurück und muss sich dort als maßgeblicher Maler erneut etablieren. Seine Erfahrungen aus Rom entwickelt er hier zu einem kraftvoll-monumentalen und höchst eigenständigen Stil mit plastischen Einzelfiguren oder kleinen
Figurengruppen vor meist dunklem Hintergrund weiter.

Guido Reni (1575–1642) Joseph und Potiphars Frau, um 1630 Öl auf Leinwand, 126,4 × 169,5 cm Los Angeles, The J. Paul Getty Museum.
Foto: The J. Paul Getty Museum.

Rückgriff auf antike Skulptur

Schon zu Lebzeiten hochgeachtet sind Renis ‚Ausdrucksköpfe‘ (arie di teste) in schwarzer und roter Kreide mit ihrem „himmelnden Blick“, die den Zustand geistiger Entrückung in himmlische Sphären verbildlichen. Dieser innig nach oben gewandte Blick wird mit dem Stil des Malers gleichgesetzt und oft nachgeahmt. Virtuose Kreidezeichnungen und einige Gemälde in der Ausstellung demonstrieren den Entwicklungsprozess dieser Pathosformel,
für den Reni auf die antike Skulptur zurückgreift. Auch beschäftigt sich der Künstler mit den Kopfstudien Raffaels sowie mit extremen Emotionen und Alterszügen.

Tätig als Druckgrafiker

Ab den späten 1620er-Jahren hellt sich Renis Farbpalette zunehmend auf. Seine
seconda maniera ist Resultat einer Weiterentwicklung, die mit einem teilweise freieren Farbauftrag, einer abgemilderten Licht-Schatten-Führung sowie einem ‚silbrigen‘ Kolorit einhergeht. Das reichlich verwendete Bleiweiß gibt seinen Gemälden eine bis dahin unbekannte Strahlkraft und findet sich in seinen Visionsdarstellungen mit seitlich hereinbrechendem Licht wie bei der Vision des heiligen Andrea Corsini (um 1629/30; (Florenz). In all seinen Schaffensphasen ist Reni auch als Druckgrafiker tätig. Seine knapp 40 eigenhändigen Radierungen entstehen unabhängig von den Gemälden. Von einem Großteil besitzt das Städel Museum Abzüge und zeigt diese zum ersten Mal. Ebenso ist eine Kopie nach Parmigianinos Grablegung Christi (1524–1526) als eine Hommage an den von ihm verehrten Meister zu sehen, dessen Technik er sich durch das Kopieren aneignete. In unterschiedlichen Graden unvollendet, gewähren sie einen faszinierenden Einblick in die Arbeitsweise des Malers. Die Farbe ist mit großer Dynamik und Freiheit aufgetragen, das Kolorit erscheint stark zurückgenommen und tendiert fast zur Monochromie, wie bei der „Büßenden Magdalena“ (um 1635; (Baltimore). Bestimmte Partien einiger Werke, zum Beispiel „Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers“ (um 1638–1642; verbleiben im Skizzenhaften. pk