Essener Jahrhundert-Museum feiert mit zwei großen Ausstellungen: „Impressionismus und Expressionismus“ – Einst „schönstes Museum der Welt“

Claude Monet: „Im Boot)“ Öl auf Leinwand, 1887, 145,5 x 133,5 cm The National Museum of Western Art, Tokyo. Matsukata Collection

Essen. Es galt eins als „schönstes Museum der Welt“. Die Rede ist vom Museum Folkwang in Essen, das im kommenden Jahr sein 100-jähriges Bestehen begeht. Dieses besondere Ereignis will das Haus mit zwei großen Schauen zum (Spät-Impressionismus und Expressionismus) feiern. Den Auftakt bildet die Ausstellung „Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fließenden Welt“ aus den Sammlungen von Kojiro Matsukata und Karl Ernst Osthaus (6. Februar bis 15. Mai 2022).

Blick in die Historie des Museums

Bevor auf diese Ausstellung näher eingegangen wird, lohnt ein Blick in die Historie des Museums: Alles begann in der westfälischen Industriestadt Hagen. Das dort zunächst als Privatinstitution vom Industriellenerbe und Kunsthistoriker Karl Ernst Osthaus (1874-1921) gegründete Haus entwickelte sich schnell zu einem wegweisenden Museum für zeitgenössische Kunst und Kultur. Als erste öffentliche Sammlung in Deutschland zeigte und erwarb es Werke von Wegbereitern der Moderne wie Paul Cézanne, Vincent van Gogh oder Paul Gauguin. Ausgehend von Pierre-Auguste Renoirs impressionistischem Meisterwerk „Lise mit dem Sonnenschirm“ (1867) legte Osthaus 1901 den Grundstein für die Kunstsammlung des Museum Folkwang, das 1902 seine Pforten eröffnete. Der junge Museumsgründer hatte den belgischen Architekten Henry van de Velde, (Mitbegründer der Kunstgewerbeschule in Weimar, aus dem später das weltberühmte Bauhaus hervorging) engagiert der mit der Museumseinrichtung das erste öffentliche Gebäude Deutschlands im „Neuen Stil” schuf.

Franz Marc „Liegender Stier“, 1913,Tempera auf Papier, 40 x 46 cm Museum Folkwang, Essen Foto: Jens Nober

„Brücke“-Ausstellung

Karl Ernst Osthaus setzte sich intensiv mit den neuesten Strömungen in Kunst, Kunstgewerbe und Architektur auseinander. Er war bereit, sich noch nicht etablierten, doch überzeugenden Ansätzen zu öffnen, wie eine Ausstellung mit Arbeiten der „Brücke” im Sommer 1907 belegt, die eine der ersten Museumsausstellungen der jungen Künstlergemeinschaft war. Zwei Jahrzehnte lang holte Karl Ernst Osthaus durch seine Museumsarbeit das aktuelle nationale und internationale Kunstschaffen in die Industrieregion und wirkte von da aus wiederum über die regionalen Grenzen hinaus. Die Präsentation der Avantgarde machte das Hagener Folkwang zu einem starken Magneten, der viele Kunstbegeisterte anzog. In dem einzigartigen Ambiente der organischen Innenarchitektur beeindruckte eine Fülle von Werken der zeitgenössischen Kunst, u. a. von Paul Signac, Auguste Renoir, Vincent van Gogh, Paul Gauguin und Auguste Rodin. Das Folkwang erlangte bald den Ruhm als weltweit erstes Museum für zeitgenössische Kunst. Mit vielen Künstlerinnen und Künstlern, wie Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde oder Alexander Archipenko pflegte Osthaus einen intensiven Kontakt, stellte ihr Werk in monografischen Ausstellungen vor und kaufte für seine Sammlung zahlreiche Arbeiten an. Nach dem Tod des Museumsgründers im Jahre 1921 wurden Großteile der Osthaus’schen Sammlungen vom neu gegründeten Folkwang-Museumsverein für die Stadt Essen erworben und 1922 mit dem seit 1906 eigenständigen Städtischen Kunstmuseum in Essen vereinigt. So wurde der Grundstock für das heutige Museum Folkwang gelegt, das 2022 100 Jahre alt wird. Übrigens, in Hagen ist das städtische Museum für Moderne Kunst untrennbar verbunden mit dem Namen seines Gründers Kunstmäzens. Das Haus trägt den Titel: Osthaus Museum.

Einige Hauptwerke aus Japan

Nun zur Ausstellung: Die bedeutende Sammlung spätimpressionistischer Werke aus dem Museum Folkwang tritt in Essen in einen Dialog mit der Sammlung Kojiro Matsukatas aus den Beständen des National Museum of Western Art in Tokio. Zum ersten Mal seit den 1950er-Jahren werden Hauptwerke aus der Sammlung des japanischen Museums in Europa zu sehen sein. So treffen die berühmte Komposition „Im Boot“ von Claude Monet oder „Der Hafen von Saint-Tropez“ von Paul Signac, das einst zur Ursprungssammlung des Museum Folkwang gehörte, auf Pierre-Auguste Renoirs „Lise mit dem Sonnenschirm“ oder „Mädchen mit Fächer“ von Paul Gauguin. Die Schau verdeutlicht anhand von rund 120 Werken, wie sich der Impressionismus von einer zunächst kritisch beäugten Kunstrichtung zu dem Stil entwickelte, der heute als Beginn der modernen Kunst gilt. Im Anschluss an die Essener Präsentation wird das National Museum of Western Art unter dem Titel „People and Nature“ einen zweiten Teil der Ausstellung in Tokio zeigen.

Revolutionäre Kunstrichtung

Das Folkwang-Jubiläumsjahr beschert als zweites bedeutendes Highlight die große Sonderschau „Expressionisten am Folkwang. Entdeckt – Verfemt – Gefeiert“ (20. August 2022 bis 8. Januar 2023). Die Ausstellung zeichnet erstmals das besondere Verhältnis zwischen dem Essener Museum und den Expressionisten nach. Rund 120 Werke aus den Bereichen Malerei, Skulptur und Grafik – Meisterwerke aus der museumseigenen Sammlung und internationale Leihgaben – erzählen die Geschichte der revolutionären Kunstrichtung von den Anfängen in Deutschland über die Beschlagnahmung von Kunstwerken im Nationalsozialismus bis zu den gefeierten Ausstellungen nach 1945. Die Jubiläumsschau versammelt u.a. Werke von Max Beckmann, Alexej von Jawlensky, Oskar Kokoschka, Franz Marc und Paula Modersohn-Becker. Peter Köster

Fast bescheiden wirkt der Schriftzug Museum Folkwang. Foto: Peter Köster