Die Geschichte der Fotografie als Informationstechnologie: Folkwang Museum Essen zeigt Ausstellung „Image Capital“

„Priva, Tomatengewächshaus, De Lier“, Niederlande, 2021 Inkjet Print © Armin Linke

Essen. Das Museum Folkwang zeigt vom 9. September bis 12. Dezember die Fotografie-Ausstellung „Image Capital“. Die Fotoschau ist das Ergebnis gemeinsamer Recherchen der Fotohistorikern Estelle Blaschke und des Fotografen Armin Linke und erzählt in sechs Kapiteln die Geschichte der Fotografie als Informationstechnologie.

Erfindung vor gut 200 Jahren

Seit ihrer Erfindung vor gut 200 Jahren hat sich die Fotografie in allen Bereichen der Gesellschaft ausgebreitet und Wissenschaft, Kunst, Politik, Nachrichten und soziale Medien sowie alle Arten von Handel und Industrie verändert. Sie ist Grundlage einer visuellen Beziehung zur Welt. Ihre Nutzbarmachung fiel in eine Zeit, in der Produktions- und Verwaltungsabläufe expandierten und optimiert werden mussten. Informationen sollten fließen und zugänglich sein. Als perfekt aufzeichnendes, endlos reproduzierbares und kosteneffizientes Medium, trug die Fotografie zur Entwicklung globaler Industrien und staatlicher Institutionen bei.

Die digitale Arbeitsweise heute (z.B. in Architektur und Design, im Ingenieurwesen oder in der industriellen Landwirtschaft) regt an, die blinden Flecken oder vergessenen Kapitel in der Geschichte der Fotografie noch einmal neu zu betrachten: Wann und unter welchen Umständen werden Bilder operativ und in Produktionsabläufen eingebunden? Welches ökonomische Potential liegt in der Auswertung von Bildermassen? Welche Rolle spielen Archive und Datenbanken, nicht nur bei der Bewahrung fotografischer Daten, sondern auch bei der Generierung neuer Informationen und neuer Erkenntnisse? Welche Vorstellungen, Ideologien und Rhetoriken bestimmen die visuelle Praxis in kapitalistischen Gesellschaften?

Das 15.000ste Dienstbild, 1950 Silbergelatineabzug Museum Folkwang, Girardet-Archiv.

Sechs thematische Kapitel

„Image Capital“ versucht auf diese Fragen eine Antwort zu finden und erzählt in sechs thematischen Kapiteln eine andere Geschichte der Fotografie. „Memory“: über die Fähigkeit, mit Bildern Informationen zu sammeln und zu speichern. „Protection“: Strategien zur langfristigen Aufbewahrung von Bildkapital. „Access“: wie Bilder verdatet und zugänglich gemacht werden. „Imaging“: über die Fotografie als Visualisierungssystem und virtuellen Raum. „Mining“: über die Auswertung von Bildern und Anwendungen automatischer Bilderkennung. „Currency“: über den monetären Wert der Bilder und Rhetoriken des Kapitals.

Ausgehend von den gemeinsamen Recherchen, Texten von Estelle Blaschke und den fotografischen Arbeiten von Armin Linke, umfasst die Ausstellung eine breite Auswahl an Fotografien, Interviews, Videos, Archivbildern, Publikationen und anderen Originalobjekten. In ihrer Vielfalt sind alle Materialien ohne Hierarchien oder Prioritäten angeordnet und bieten eine ebenso eindringliche wie vielschichtige Erzählung an, deren lose Enden von den Besucherinnen und Besuchern weitergeknüpft und in neue Verbindungen gebracht werden können. pk

Aimé Girard „Forschungen zum industriellen Anbau der Kartoffel“, 1889
Heliogravur Pivatsammlung