Die Häuser am Fischmarkt 1 und 3 und das Ringen um die Erhaltung eines der letzten Zeugnisse frühneuzeitlichen Bauens in der Kölner Innenstadt
Köln, Pulheim-Brauweiler. Mit Häusern ist es manchmal wie mit Menschen – man sieht ihnen ihr Alter nicht unbedingt an. Um das “Geburtsjahr“ zweifelsfrei zu klären, bedarf es des genauen Hinsehens und einer intensiven Erforschung. So auch bei den beiden Objekten Fischmarkt 1 und 3 in Köln.
Rückblick
Bereits im Mai 2023 wurde bei einem ersten Ortstermin mit der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Köln und MitarbeiterInnen der Abteilungen Restaurierung, Bauforschung und Bau- und Kunstdenkmalpflege des LVR-Amts für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) allen beteiligten Fachleuten rasch klar, dass es sich bei den Häusern Fischmarkt 1 und 3 um absolute Ausnahmeerscheinungen in der Kölner Denkmallandschaft handeln könnte: Sie hatten offenbar nicht nur den Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges, sondern auch wenige Jahre zuvor die tiefgreifende Altstadtsanierung des Martinsviertels im Nationalsozialismus zumindest in Teilen weitgehend unverändert überstanden.
Dendrochronologische Untersuchung
Eindeutig konnte man am für den geplanten Umbau der Häuser freigelegten Fachwerk erkennen, dass neben Wand-, Dach- und Deckenbalken des 20. Jahrhunderts vor allem in den Außenwänden der Häuser zahlreiche Holzverbindungen erhalten geblieben waren, die zumindest aus vorindustrieller Fertigung zu kommen schienen, also älter als das 19. Jahrhundert sein mussten. Diese Vermutung wurde durch eine im Anschluss durchgeführte dendrochronologische Datierung des Gefüges und durch einen von der Abteilung Bauforschung des LVR-ADR erstellten Gefüge- und Bauzeitenplan bestätigt: Ein Großteil der Außenwände der Häuser Fischmarkt 1 und 3 stammte demnach gesichert aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, im Inneren hingegen war nur noch eine Wand aus dieser Entstehungszeit der Gebäude erhalten. Die Umbaumaßnahmen im Zuge der Altstadtsanierung ab 1935 hatten Geschosshöhen und Fensteröffnungen grundlegend verändert und darüber hinaus leider auch durch eine Aufmauerung aus Bims auf der Innenseite den Abtransport von Feuchtigkeit aus den Holzbalken der Wände erschwert. Dieses Problem wurde verstärkt durch einen – entweder ebenfalls in den 1930er Jahren oder beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg – von außen aufgetragenen Zementputz. Außen- und Innenabdichtung bedingten ein für das Holz zerstörerisches feucht-warmes Mikroklima, in dem Pilze und holzschädigende Insekten jahrzehntelang ideale Lebensbedingungen vorfanden. Die Hölzer der Außenwände waren so stark geschädigt, dass sie an einigen Stellen wie dünnes Papier bei Berührung zerfielen.
Umgang mit der Substanz
Trotz des verheerenden Schadensbildes musste aus denkmalfachlicher Perspektive des LVR-ADR auch noch zu diesem Zeitpunkt die größtmögliche Erhaltung des noch intakten Denkmalbestands weiterhin Zielstellung sein. Daher wurden während des aufgrund der Baufälligkeit der oberen Geschosse notwendigen Rückbaus der Fachwerkelemente alle ausgebauten Hölzer nummeriert, kartiert, eingelagert und jedes einzelne fachgutachterlich in Bezug auf seinen Zustand und die mögliche Wiederverwendbarkeit als Bauholz in einem Wiederaufbau bewertet. Hilfestellung boten hierbei das zuvor per Drohnenflug erstellte Aufmaß des Fach- und Dachwerks (LVR-ADR) und der anhand der Erkenntnisse aus Gefügeuntersuchung und dendrochronologischer Analyse erstellte Bau-Altersplan. Spätestens in einem solchen Plan ist dann verzeichnet, wie alt das Objekt wirklich ist bzw. seine einzelnen Teile.
Leider ergab sich bei der holzgutachterlichen Bewertung wie bereits zu Anfang der Maßnahme befürchtet, dass die frühneuzeitlichen Hölzer mehrheitlich zu stark geschädigt für eine konstruktive Wiederverwendung waren. Die Nadelholzkonstruktion aus den 1930er Jahren war zwar strukturell mehrheitlich intakt, dafür aber im Verbund so wenig fachmännisch verbaut worden, dass auch hier ein Wiedereinbau an gleicher Stelle und in gleicher Konstruktionsweise nicht als möglich erachtet wurde. Mit großem Bedauern mussten all diejenigen, die in den vergangenen Monaten Zeit und Leidenschaft in die Erhaltung der beiden Stapelhäuschen gesteckt hatten, nun den Verlust der oberen Geschosse in den Akten vermerken.
Verlust
An dieser Schilderung zeigt sich aber auch das Selbstverständnis und die Arbeitsweise von Bauforschung und Denkmalpflege: gründliche Auseinandersetzung mit dem Bestand, Analyse mit allen zur Verfügung stehenden technischen Mitteln und daraufhin Entscheidung über den Umgang mit dem Objekt. Stets steht das “Original” im Vordergrund, das authentische Baudenkmal gleichsam als Speicher von Zeit und von Kulturgeschichte. Denkmalschutz ist Schutz für das Denkmal, für dessen materielle und ideelle Eigenschaften und für dessen historische Aussagen, die bewahrt bleiben sollen. Der Schutz kommt immer dann unwiderruflich an sein Ende, wenn das originale Objekt materiell nicht zu halten ist.
Dies ist in Bezug auf die oberen Geschosse der Häuser Fischmarkt 1 und 3 leider der Fall. Zugleich stellt sich im Anschluss nun die Frage nach dem adäquaten Neubau der innerhalb der vergangenen Jahrzehnte ikonisch gewordenen Stapelhäuschen. Hier geht es auch um die Frage nach dem Stadtbild, nicht nur um die Häuser selbst. Denn nicht nur als Einzeldenkmal, sondern auch als weltweit bekannter Teil der Stadtsilhouette bildeten sie – zusammen mit dem Dreikonchenchor von Groß St. Martin und den denkmalgeschützten Nachbargebäuden des Fischmarktes – einen wichtigen Teil des städtebaulichen Charakters des Martinsviertels, ja der gesamten Kölner Altstadt.
Weitere Begleitung seitens der Denkmalpflege
Dass für einen Bau dieses Ranges mit viel Fingerspitzengefühl geplant und sowohl auf das noch erhaltene historische Erdgeschoss und den Keller sowie auf die Nachbarbebauung sensibel eingegangen werden muss, versteht sich aus unserer Perspektive von selbst, ist aber auch denkmalrechtlich über den Umgebungsschutz im Denkmalschutzgesetz NRW grundlegend abgesichert. In diesem Zusammenhang wird das LVR-ADR auch die neuen Aufbauten weiter beratend begleiten. Bei einer solchen Begleitung kann es allerdings nicht darum gehen, das bedauerlicherweise verlorene bzw. nicht zu erhaltene Original zu wiederholen. Angesichts der geschilderten Zeitschichten und Zeitspuren der Häuser Fischmarkt 1 und 3 wäre eine solche schlichte “Rekonstruktion” immer nur ein Hilfskonstrukt – das Original war einzigartig in seinem Werdegang und kann in dieser Form nicht reproduziert werden. Eine rein ästhetische Wiederholung ist für die Bauherren zweifellos eine Option, aber die Forderung danach ist nicht Aufgabe der Denkmalpflege.