„Weltpremiere grandioser Paarungen“ Berliner Nationalgalerie zeigt Impressionismus und Expressionismus im Dialog

Ausstellungs-Plakat oben: Impressionismus – Expressionismus. Kunstwende; Montage © KIK-IRPA © VG Bild-Kunst, Bonn 2015. Foto: bpk / Jörg P. Anders Schwarz-weiß-Foto oben: Die Nationalgalerie auf der Museumsinsel, Blick von Südosten, 1881 © bpk / Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Hermann Rückwardt

Zum ersten Mal spürt eine Ausstellung Gemeinsamkeiten und Unterschieden beider Kunstrichtungen nach. Erleben lässt sich das zum Beispiel bei Max Pechsteins herausfordernd deftigem „Sitzendes Mädchen“ (1919), das kess neben Auguste Renoirs zarter, anmutiger „Badender mit blondem, offenem Haar“ (um 1903) hängt. Beide Bilder wirken in ihrer subjektiven Unmittelbarkeit. Auch Ernst Ludwig Kirchners „Grüne Damen“ (1912) befördern im Vergleich mit Renoirs „Im Sommer“ eine spannende „Schule des Sehens“ der Betrachter.

Rund 100 der gut 160 ausgestellten Werke kommen aus Berlin. Die Nationalgalerie erwarb bereits ab 1896 unter Direktor Hugo von Tschudi impressionistische Gemälde und ist mit ihrer großen Sammlung expressionis- tischer Meister seit 1919 auch diesem Stil eng verbunden. Die Liebe der meisten Besucher mag französischen Impressionisten wie Renoir, Monet, Degas und Pissarro und den deutschen Malern Pechstein, Slevogt, Liebermann und Corinth gehören. Doch auch Heckel, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Emil Nolde und Franz Marc formulierten in ihrer heftigen Gegenreaktion auf die Impres- sionisten und im betont freien Umgang mit Farbe und Form eine eigenständige, emotionale Sicht auf die Welt, obwohl Max Liebermann sie als „Existenzen jenseits der Zivilisation“ bezeichnete.

Die Räume sind thematisch in zwölf Kapitel wie „Vergnügen“, „Künstler“, „Stadt, Vorstadt, Passanten“ oder „Im Grünen“ gegliedert. An Sujets und beiden Stilen gemeinsamen Hauptmotiven ist kein Mangel: Stillleben, Tiere, Leben auf dem Lande, Badende, Jahreszeiten, nichts ist ausgelassen. Kuratorin Angelika Wesenberg hatte die Idee zu dieser bemerkenswerten Schau und spricht von der Poetisierung der Stadtlandschaften. Die große Stadt Berlin mit ihrem prallen Leben kommt bei „ImEx“ ebenso zu Wort wie die große Stadt Paris mit flirrender Leichtigkeit – Impressionisten lebensfroh französisch, Expressionisten schwerblütig deutsch, ein beeindruckend dichtes Zwiegespräch.
Im letzten Raum werden dem heiteren Motiv der „Badenden“ des ersten Raums Werke aus dem Jahr 1913 mit düsteren Vorahnungen gegenübergestellt. Noldes „Schlachtfeld von 1913“ und schwarze Krähen im „Sonnenaufgang“ von Otto Dix machen die unterschwellige Bedrodrohung eines nahenden Flächenbrands spürbar. Kirchners großformatiger „Potsdamer Platz“ (1914) zeigt eine mitternächtliche Straßenszene mit zwei eleganten Halbweltdamen und wirkt in seiner aggressiven, nervösen Spannung kaum weniger bedrohlich.
R.

Bis 20. September zeigt die Ausstellung den Aufbruch in die Moderne.
Alte Nationalgalerie, Museumsinsel Bodestraße 1-3, 10178 Berlin www.imexinberlin.de

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