Linien, Flächen, glänzende Körper und ein besonderes Piano

„Skinny grand piano“ heißt dieses Werk von Benjamin Houlihan. Bei genauem Hinsehen erkennt man eine Absicht es Künstlers — das Objekt scheint nach der Bearbeitung sein eigenes „Nachbild“ geworden zu sein. © Frank Fäller

Benjamin Houlihan, 1975 in Olpe geboren, zeigt neue Arbeiten und stellt sie seiner Werkgruppe der „Lichteinfälle“ gegenüber. Kubische Plastiken in diagonaler Bewegung verstellen den Weg, ragen aus der Wand und Boden dem Besucher im Kunsthaus NRW entgegen – ein Kontrastprogramm. Mit jeder Bewegung verändern sich ihre geometrisch streng gehaltene Form und ihr Erscheinungsbild – glänzende Lackflächen über Holzrahmen, mit ineinanderfließenden farblichen Übergängen.

Licht als Körper

Auf den ersten Blick können die Arbeiten an die Plastiken des Minimal erinnern, doch geben ihre Formen gegenständliche Anhaltspunkte und Rätsel auf. Diese Arbeiten basieren aus Betrachtungen konkreter Alltäglichkeit: „Stellen wir uns an einem Sonnentag den Lichteinfall durch Fenster vor, diese Strahlen hat der Künstler in Formen gefangen – als materialisiertes Licht könnte man diese bezeichnen“, erläuterte Kunsthaus-Leiter Dr. Marcel Schumacher bei der Eröffnung.


Ausstellung „Shift“: Künstler Benjamin Houlihan und Kunsthaus-Leiter Marcel Schumacher (rechts) vor einer der farbigen Plastiken.  © Frank Fäller

Im zweiten Raum konfrontiert er den Besucher mit einer ganz konkreten Inszenierung: ein Piano im barocken Ambiente des Raumes. Doch wirkt es, als würde ein Windstoß ausreichen, um das Instrument zusammenbrechen zu lassen, sein Material ist auf ein Minimum reduziert. Der Bildhauer hat so viel von dem ehemals schweren Instrument weggenommen, dass nur noch seine Form übrig ist. „Skinny grand piano“ heißt das Werk, was man mit dünnem oder magerem Konzertflügel nur unzureichend übersetzen könnte. Fast anrührend schön wirkt das filigrane Piano, buchstäblich ein feiner Anblick. Seine Formen gewinnen auf diese Weise sogar an Bedeutung. Aller Klangelemente beraubt, ist dies trotzdem kein bedauernswerter Konzertflügel.

Linien, Flächen, Körper

Im „Offenen Depot“ erhält der Besucher erstmals einen tieferen Einblick in die Bestände der Fördersammlung des Landes. In dem Schaulager hängen Bilder dicht an dicht, Skulpturen sind auf Transportpaletten oder in Regalen gelagert, allerlei Werkstoffe sind von den Künstlern verarbeitet und gestaltet worden. In der ersten Präsentation des „Offenen Depots“ sind Werke nach formalen Grundelementen gruppiert: nach Linien, Flächen, Körpern. Dies kann wie bei Ulrich Erben ein weißes Rechteck auf einer weißen Leinwand sein, kann aber auch der Zweiklang des Tretens einer Linie in den sibirischen Schnee bei Juergen Staack sein. „Snow walk“ ist am kältesten Punkt der Erde bei minus 53 Grad Celsius aufgenommen worden, klirrend knirscht es im Raum …


Holz, Plastik, Stahl, Aluminium, Multiplex, Beton und viele Materialien mehr haben Künstler zu verschiedenen Werken verarbeitet. Im Schaulager „Offenes Depot“ gewährt die Sammlung aus 4000 Stücken Einblicke in die Förderankäufe des Landes. © Frank Fäller

Auch in der Fotografie der Düsseldorfer Schule finden sich Bilder, die auf einer strengen Komposition von Flächen basieren – wie etwa in der Fotografie „Breitscheider Kreuz“ von Andreas Gursky. Im „Offenen Depot“ gibt es vier Gruppen als Formensammlung zu erkunden: Entropie der Plastik – vom Körper zur Linie. Konstellationen von Punkten, Linien und Flächen in der Grafik. Versuch einer Chromatik abstrakter Malerei. Flachland – abstrakte Malerei in der Fotografie. So bekommt man eine Ahnung von der Vielfalt der Sammlung.

Info: Bis zum 15. Mai sind „Shift“ und das „Offene Depot“ während der allgemeinen Öffnungszeiten zugänglich. Danach geht diese Skulpturensammlung wieder ins Depot zurück. Ab dem 23. Mai kann das „Offene Depot“ weiterhin jedoch mit Voranmeldung und Begleitung besucht werden. (ff)
www.kunsthaus.nrw.de

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