Über den Wert der Zeit · Neupräsentation der Sammlung zeitgenössischer Kunst

Museum Ludwig
10. August 2023 bis 31. August 2025

Alle zwei Jahre zeigt das Museum Ludwig Gegenwartskunst aus seiner Sammlung in einer neuen Präsentation.

Dieses Mal wird der Blick auf verschiedene Verständnisse von Zeit gelenkt und darauf, in welcher Form KünstlerInnen das Thema in ihren Arbeiten aufgreifen. Viele KünstlerInnen machen mit ihren Arbeiten darauf aufmerksam, dass Kunst in der Gegenwart erfahren wird. Zugleich werden Erinnerung, Gedächtnis und Geschichtsschreibung befragt. Die Klammer der Präsentation bildet die Vorstellung vom „Wert der Zeit“ – einem gesellschaftlich bestimmten Wert, dem die abstrakte, messbare Zeit zugrunde liegt.

Ausgangspunkt ist Walter Benjamins eindringliches Bild des „Engels der Geschichte“, mit dem er 1940 das Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft darstellte. Benjamin entwarf damit das Denkbild für eine kritische Geschichtsschreibung, die von den ökonomischen Bedingungen ausgeht. Es findet sich in verschiedenen Facetten in den ausgestellten Werken wieder. In ihnen kommt Zeitlichkeit zum Tragen, Vergangenes wird im Verhältnis zum Gegenwärtigen reflektiert oder Zukünftiges antizipiert.

Museum Ludwig; Mark Dion; Surveys Buerau; 2011; ML/SK 5251
Mark Dion
GFLK Surveys Bureau, [Erhebungsbüro der GFLK], 2011
Installation; Holz, Tapete, sieben Uhren und andere Materialien, 290 x 390 x 120 cm
Courtesy Mark Dion und Galerie Nagel Draxler, Berlin /Köln/München
Reproduktion: Rheinisches Bildarchiv, KölnMark Dion
GFLK Surveys Bureau, [Erhebungsbüro der GFLK], 2011
Installation; Holz, Tapete, sieben Uhren und andere Materialien, 290 x 390 x 120 cm
Courtesy Mark Dion und Galerie Nagel Draxler, Berlin /Köln/München
Reproduktion: Rheinisches Bildarchiv, Köln
Gegen den Glauben an eine kontinuierlich fortschreitende Entwicklung setzt zum Beispiel Guan Xiao (*1983 in Chongqing, China) in ihrer Installation The Documentary: Geocentric Puncture von 2014 die Zeitwahrnehmung des Internets, in der Vergangenheit gegenwärtig erscheint. In diesem Sinne ist auch der Titel „Geozentrische Wunde“ zu verstehen. Ein veraltetes Weltbild, nach dem die Sonne um die Erde kreist, lebt im 21. Jahrhundert in der Vorstellung fort, dass der Mensch das Zentrum der Welt bilde.

Haegue Yang (*1971 in Seoul, Südkorea) wiederum nimmt in Mountains of Encounter von 2008 ein verborgen gebliebenes historisches Ereignis, das Zusammentreffen des koreanischen Unabhängigkeitskämpfers Kim San mit der US-amerikanischen Journalistin Nym Wales (alias Helen Foster Snow), das Teil weltumspannender Prozesse war, zum Anlass für eine raumgreifende und die BesucherInnen einbeziehende Installation.

HY_Mountains
Haegue Yang
Mountains of Encounter, [Berge der Begegnung], 2008
Installation; Aluminiumjalousien, pulverbeschichtete Aluminiumhängestruktur, Stahlseil, bewegliche Scheinwerfer, Flutlichtstrahler, und Kabel, Installationsmaße variabel
© Haegue Yang
Foto: Museum Ludwig, Šaša Fuis, Köln
Die abstrakte, messbare Zeit wird in weiteren Werken thematisiert. Sie bestimmt den Warenwert der Arbeitskraft und organisiert gesellschaftliche Zeit. Eine Reihe von KünstlerInnen beschäftigt sich mit dieser Frage. Zu ihnen gehört Harun Farocki, der in seiner Videoinstallation Gegen-Musik von 2004 nach dem Vorbild der Filmemacher Dziga Vertov und Walter Ruttmann ein Porträt der belgischen Textilstadt Lille zeigt, nun aber als Montage von vorgefundenen, operativen Bildern, die laut Farocki die Stadt „ebenso rationalisiert und geregelt wie ein Produktionsprozess“ zeigen. Der Wert der Zeit verweist auf die Ökonomien der Zeit.

Die Präsentation Über den Wert der Zeit stellt Kunst der Gegenwart aus den letzten zwanzig Jahren vor. Exemplarisch sind vier weitere Arbeiten aus den 1960er und 1980er Jahren einbezogen. Die mediale Vielfältigkeit ist in den Mittelpunkt gestellt. Kurze Texte führen in die einzelnen Werke ein. Darüber hinaus ist die Präsentation um Zitate von den KünstlerInnen sowie von Walter Benjamin und seinem Zeitgenossen, dem Philosophen und Ökonomen Alfred Sohn-Rethel, ergänzt.

Kuratorin: Barbara Engelbach

Vertretene KünstlerInnen
Thomas Bayrle, Alighiero Boetti, Frank Bowling, Miriam Cahn, Mark Dion, Maria Eichhorn, Harun Farocki, Guan Xiao, Wade Guyton, Lubaina Himid, Ull Hohn, Rebecca Horn, Anne Imhof, Boaz Kaizman, Hubert Kiecol, Carolyn Lazard, Jochen Lempert, Pauline Mʼbarek, Kerry James Marshall, Park McArthur, John Miller, Oscar Murillo, Füsun Onur, Asimina Paradissa, Robert Rauschenberg, Cameron Rowland, Julia Scher, Andreas Schulze, Andreas Siekmann, Diamond Stingily, Danh Vo, Lois Weinberger, Haegue Yang

Museum Ludwig, ML, Himid Lubaina, Le Rodeur: The Cabin, ML 10355
Lubaina Himid
Le Rodeur: The Cabin, [Le Rodeur: Die Kajüte], 2017
Acryl auf Leinwand
183 x 244 cm
© Lubaina Himid
Reproduktion: Rheinisches Bildarchiv, Köln
Web und Social Media
Zur Ausstellung kommuniziert das Museum Ludwig auf seinen Social-Media-Kanälen mit dem Hashtag #ÜberDenWertDerZeit.