Museum Morsbroich Leverkusen denkt nach Rettung neu:

Vorgezüchtete Pflanzen von Gabriela Oberkofler auf dem Tischgarten. Foto: Peter Köster

Leverkusen. Zeitenwechsel in Morsbroich: Ein Museum denkt neu. Ein Museum erfindet sich neu und Morsbroich präsentiert mit Jörg van den Berg zudem einen neuen Direktor. Dieser will ein völlig neues Ausstellungsgeschehen kreieren, gemeinsam im Schulterschluss mit Künstlerinnen und Künstlern und Besucherinnen und Besuchern. „Spielzeit“ nennt sich das neue Ausstellungskonzept, das zunächst auf fünf Jahre angelegt ist.

Neue Ausrichtung

Das weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Museum Morsbroich in Leverkusen war lange von Schließung bedroht. Grund: Die Stadt Leverkusen als Träger des Hauses war pleite. Das ist gottlob vom Tisch, denn jetzt gibt es ein klares Bekenntnis der Stadt zum Haus und seiner neuen Ausrichtung. Über die Entwicklung und das neue Konzept informierten Museumschef Jörg van den Berg und Museumskuratorin Thekla Zell. „Spielzeit ist ein Experiment und ein Prozess“, so Jörg van den Berg. „Die Herausforderung ist, dass wir in einen Prozess gehen, von dem wir nicht wissen, wo er uns hinführt. Wir wollen das mit den Künstlerinnen und Künstlern und mit unseren Gästen herausfinden.“

Projekt „Spielzeit“

Mit dem Projekt Spielzeit begibt sich das Museum Morsbroich mit einer sich sukzessive verändernden Ausstellung und einer Vielzahl von Veranstaltungen in einen Prozess, der das gesamte Ensemble Morsbroich in den Blick nimmt: das Museum, den Außenbereich mit Parkanlage sowie die umliegenden historischen Remisen. „Dabei lautet die Leitfrage“, so van den Berg, „wie wird aus einem Museum für Gegenwartskunst ein gegenwärtiges Museum.“ Spielzeit biete Raum für einen öffentlichen wie auch offenen Prozess. Spielzeit sei offen für Fragen, Experimente und Versuche, damit zugleich auch offen für ein mögliches Nicht-Gelingen und ein Erneut-Versuchen.

Museumsdirektor Jörg van den Berg im Fontänennebel. Foto: Peter Köster

Verschiedene Raumzonen

Begleitet wird dieser Entwicklungs- und Gestaltungsprozess von einem Kreis gezielt ausgewählter Künstlerinnen und Künstler, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg intensiv mit dem Ort Morsbroich, seiner Beschaffenheit, seiner Kunstsammlung, seiner Historie − vielleicht auch dem „Mythos Morsbroich“ − befassen und darauf künstlerisch reagieren. Gemeinsam mit den Künstlerinnen Schirin Kretschmann, Harald F. Müller, Gabriela Oberkofler, Christoph Schäfer & Margit Czenki, Antje Schiffers, Tilo Schulz und Andrea Wolfensberger soll Morsbroich mit seinen unterschiedlichen Spiel- und Handlungsflächen neu gedacht und gestaltet werden und sich mit seinen verschiedenen Raumzonen in neuer Weise für die Besucherinnen und Besucher öffnen. Den Aufschlag machen die Künstlerinnen und Künstler. Mit ihren Beiträgen zur Ausstellung und zum Veranstaltungsprogramm der „Spielzeit“ regen sie Fragen und neue Perspektiven an, geben Anstöße und machen erste Vorschläge. Interventionen im Außenraum, ortspezifische Arbeiten in den Museumsräumen, das freie Spiel mit eigenen Arbeiten und Werken aus der Museumssammlung, offene Planwerkstätten, Modelle und Projektskizzen machen diesen kreativen Entwicklungsprozess sichtbar, transparent und lassen die Besucherinnen und Besucher teilhaben.

Freie Hand bei Umsetzung

Museumsdirektor Jörg van den Berg lässt den eingeladenen Künstlerinnen, Künstlern und Kollektiven in ihren Umsetzungen freie Hand. Einige arbeiten auf den Flächen des zum Schloss gehörigen Obstguts und experimentieren mit neuen Pflanzenzüchtungen, wie Gabriele Oberkofler. Die Südtirolerin, die heute in Stuttgart lebt, versteht sich gleichzeitig als Künstlerin und Bäuerin. Im Rahmen der Werkstatt „Morsbroich 2022 bis 26“ ist sie eingeladen ein Pflanzenprojekt zwischen Museum und Obstgut Morsbroich zu entwickeln. Ein Zwickel mit einer Streuobstwiese aus alten Obstsorten zwischen dem hinteren äußeren Schlosspark und der Auerweg-Brücke hat dabei ihr Interesse geweckt.

Daniel Spoerri: Verschiedene Materialien in Holzkästen montiert. Foto: Peter Köster

Eröffnung erfolgte 1951

Das 1951 eröffnete Museum Morsbroich verfügt über eine eigene Sammlung zeitgenössischer Kunst. Beharrlich hat es sich unter diversen Museumsleitungen und einem engagierten Kunstverein zu einem der renommiertesten Museen für zeitgenössische Kunst in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Bedeutende Ausstellungen internationaler Künstler wie Yves Klein, Lucio Fontana, Louise Nevelson, Andy Warhol oder Robert Motherwell wurden gezeigt. Parallel zu seiner regen Ausstellungstätigkeit bemühte sich das Haus um die Erweiterung seiner Sammlung durch Ankäufe exemplarischer Werke der Gegenwartskunst und trug so im Lauf von 50 Jahren eine beeindruckende Sammlung von circa 400 Gemälden und Skulpturen sowie 5000 druckgrafischen Werken zusammen. Darunter Erstklassiges von Gerhard Richter wie etwa das millionenschwere „Tiger“-Bild, Arbeiten von Joseph Beuys, Georg Baselitz, Rosemarie Trockel, Blinky Palermo und Sigmar Polke. Leider konnte diese Sammlung aus Platzmangel bisher nur selten gezeigt werden. Auch das wird sich nun ändern und ist Gegenstand des neuen Ausstellungskonzeptes. Dazu die Museums-Kuratorin Thekla Zell: „Das Publikum darf sich während der Spielzeit Gemälde wünschen, die sie in einem selbst festgelegten Timeslot anschauen dürfen. Die Auswahl ändert sich jede Woche. Es wird jeweils ein Werk aus der Sammlung im sogenannten Schauraum präsentiert.“ Aus einem Konvolut aus etwa 30 Werken können sich die Gäste jeweils eine Arbeit aussuchen und diese von einer roten Bank aus betrachten. Peter Köster