Cicero-Rednerpreis für Peer Steinbrück

Pokalspiele der Redekunst – Ein Verlag mischt sich ein

Zur Verleihung des Cicero-Rednerpreises am 20. Mai 2011 im ehemaligen Plenarsaal des Bundestages zu Bonn durch den Verlag für die Deutsche Wirtschaft an den SPD-Politiker Peer Steinbrück (EX NRW-Ministerpräsident und EX-Bundesfinanzminister) könnte man eine ganze Broschüre voll schreiben.

Allein das berückende Harfenspiel der Ulla van Daelen (Auftakt-Intermezzo-Ausklang) wäre eine besondere Würdigung wert.

Im Urkundentext heißt es: „Die Jury des Cicero-Rednerpreises zeichnet mit Peer Steinbrück einen politischen Redner aus, der Klarheit und Wirklichkeit, Prägnanz und Bildkraft verbindet und sich über Parteigrenzen hinweg dem aufklärerischen Kampf gegen Selbstbetrug und politische Unmündigkeit verschrieben hat.“ Gottlob fand Festredner Prof. Dr. Heribert Prantl über solch hehre Begriffe hinaus einen wesenhaften Zugang über das Rhinozeros, das Lieblingstier Steinbrücks, zum Preisträger, zum Bedenkenträger in der Welt der Medien; zum Hoffnungsträger des deutschen Bürgertums.

Prantl hintersinnig: „Innerhalb des SPD, bei den linkeren Sozialdemokraten, gilt Steinbrück immer noch als der, der mit Schröder zusammen Hartz IV erfunden und die SPD entsozialdemokratisiert habe.“

Wie wahr! Wie hieß es doch in den roten Hochburgen an der Ruhr bei den SPD-Mitgliedern – gemünzt auf die große Koalition? „Nun ja, wo wir schon eine sozialdemokratische Bundeskanzlerin haben, können wir uns auch einen CDU-Finanzminister leisten…“

Prantl ergänzt jedoch: „Bei der Bevölkerung ist der Schröder-Steinbrück vergessen. Sie hat ihn als den Krisen-Steinbrück im Kopf, als den, der das Land gut durch die Krise gesteuert hat.“
Prantl befindet Steinbrück als „einen elitären Menschen – der das Elitäre auf seine Weise zelebriert. Er ist ein bissiger Exzentriker, ein phonetischer Grenzgänger, ein Sprachfetischist mit britischem Humor.“

Dieser muss es wohl sein, wenn Steinbrück zu wiederholten Malen zu Wahlzeiten trotz (oder gar wider?) besseren Wissens behauptet, den Rentnern sei es noch nie so gut gegangen wie heutzutage…

Prantl zitierte auch den derweil klassischen Steinbrück-Satz: „Wer sich nicht einmischt, muss sich nicht wundern, wenn er von Dümmeren regiert wird als er selbst.“

Der Jury-Vorsitzende Prof. Dr. Gert Ueding – wie immer ein kundiger Analytiker aller Preisträger-Rhetorik – nannte Steinbrück einen mächtigen Redner der demokratischen Politik, lobte u.a. dessen anspielungsreiche Metaphorik, seinen Witz und Humor.

Dafür liefert Peer Steinbrück allerdings ausreichend Belege, obgleich deren Wirkungen oft zwiespältig sind. Das intellektuelle Niveau seiner Reden ist gelegentlich so hoch wie der Posttower, der auf das „Hohe Haus“, das ehemalige Parlamentsgebäude als Tatort der Preisverleihung oder den „Langen“Eugen“ herabblickt.

Ich bin ein Fan von Steinbrücks unterkühlter Redeweise, die durchaus sinnfällig jedoch nicht begeisternd ist. Mir ist Begeisterungsfähigkeit nicht unverdächtig – aber für einen Kanzlerkandidaten wohl qualifizierend…

Vielsagend war der große Applaus für die vom Preisträger gebotene Anekdote zur Redezeit: Bei einer großen Versammlung beklagte ein Redner wortreich die Unsitte, lange Reden zu halten. Die seine dauerte. Nach einer halben Stunde suchten einige Besucher das Weite. Nach einer weiteren Stunde schon die Hälfte. Nach 90 Minuten befand sich in der ersten Reihe nur noch ein Zuhörer im Saal. Der antwortete auf die Frage des Redners, wieso er als einziger noch dort sitze: „Ich bin der nächste Redner…“

Darüber hätte auch Cicero höchstpersönlich geschmunzelt… Wahrlich, dieser Preis ist ein Schnäppchen!
                                                                                                                                                                                     Franz Annen

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