In neuer Pracht: Die Drachenburg

Wo Dornröschen zuhause war: Schloss Drachenburg in neuer Pracht

Nach fünfzehn Jahren ist Dornröschen aus seinem tiefen Schlaf im Schloss inmitten der sieben Berge erwacht. Die umfangreiche Restaurierung des Ensembles von Schloss Drachenburg, zweifellos das bisher ehrgeizigste Projekt der Stiftung Nordrhein-Westfalen in Kooperation mit dem Land und der Stadt Königswinter, ist abgeschlossen. Der Königswinterer Bürgermeister Peter Wirtz hat im Sommer in einer Feierstunde dem Vorsitzenden des Stiftungsrates und damaligen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers den Schlüssel zum Märchenschloss unterhalb des Drachenfels übergeben. Die Umfassungsmauern waren zuerst saniert worden. Es folgten die Instandsetzung des Hauptgebäudes mit der Kunsthalle, den Innenräumen und der Vorburg, die heute von der Stiftung Naturschutzgeschichte als Archiv, Forum und Museum genutzt wird.

Die Restaurierung, geleitet von Dr. Ägidius Strack, wurde nach gründlicher Vorbereitung äußerst sorgfältig und sensibel durchgeführt. Die Räume des zwischen 1881 und 1884 von dem gebürtigen Bonner Baron Stephan von Sarter erbauten, jedoch nie von ihm bewohnten Schlosses sind jetzt mit historischen Möbeln aus der Gründerzeit des späten 19. Jahrhunderts eingerichtet. Der Baumeister war Wilhelm Hoffmann, ein Schüler des Kölner Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner. Mit den Malereien in den Innenräumen hatte man anerkannte Meister der Münchener Kunstakademie beauftragt. Die Hauptszenen stellten die Nibelungensage dar. Das Treppenhaus schmückten historische Darstellungen wie das berühmte Turnier Kaiser Maximilians auf dem Kölner Neumarkt, die Hochzeit eines Kölner Patriziersohnes mit einer englischen Fürstentochter, wobei der erste Schlossherr Baron von Sarter als helmschwenkender Statist im Bild erscheint, und der Sängerkrieg nach Tannhäuser-Manier auf der Insel Nonnenwerth im Rhein.

Eine Ausstellung im Erdgeschoss gibt den Besuchern interessante Einblicke in die wechselvolle Geschichte von Schloss Drachenburg. Repräsentativer Wohnsitz, Frauengenesungsheim, Sommerfrische, Internat von Klosterbrüdern, die den Nationalsozialisten weichen mussten, schließlich ab 1940 Schule der Deutschen Arbeitsfront des Robert Ley und nationalsozialistische Kaderschmiede während der letzten Kriegsjahre sind Stationen auf dem langen Weg, den das geschichtsträchtige Gemäuer im Laufe der Zeit zurückgelegt hat. Am Ende des Krieges besetzten amerikanischen Truppen das Schloss. Später diente es als Flüchtlingsquartier, die geschnitzten Holzvertäfelungen wurden zum Brennholz umfunktioniert, große Teil der Wandgemälde im Treppenhaus, dem Nibelungen- und Speisezimmer entwendet. Die Reichsbahndirektion Wuppertal entdeckte das Anwesen 1947 für sich und richtete ein Schulungszentrum für Eisenbahner ein. Der Direktor hatte sein Büro im Nibelungenzimmer.

Schloss Drachenburg mit seinen Türmen, Giebeln und Erkern war und ist ein Wahrzeichen des Siebengebirges und eine wahre Perle der vielbesungenen Rheinromantik mit ihren zahlreichen verwunschenen, sagenumwobenen Burgen und Schlössern. Mit dem Kauf hat die NRW-Stiftung das Denkmal vor dem endgültigen Verfall bewahrt und für die Instandsetzung rund 31,5 Millionen Euro aufgebracht. Die Restaurierung und der Umbau der Vorburg kosteten weitere 4,5 Millionen Euro, die überwiegend aus Mitteln des Bonn-Berlin-Ausgleichs finanziert werden konnten.

Die im Zweiten Weltkrieg durch Artilleriebeschuss zerstörte Dachkonstruktion wurde nach alten Fotografien rekonstruiert. Die neue, bereits vor einigen Jahren installierte Turmspitze für das Kuppeldach der Kunsthalle besteht aus einer zwölf Meter hohen Holzkonstruktion, die mit Titanzink verkleidet ist. Die obersten Meter der Spitze sind aus Edelstahl und dienen auch als Blitzableiter. In einer schweißtreibenden Aktion war die mehr als eine Tonne schwere Spitze von der Quedlinburger Firma „Denkmalpflege“, die sie auch gezimmert hatte, damals mit einem Kran aufgesetzt worden.
Mehr als zweihundert Unternehmen und fünfzig Architektur- und Planungsbüros waren an der Sanierung beteiligt.

In den 70-er Jahren hatte sich der exzentrische, millionenschwere Bad Godesberger Textil- Unternehmer Paul Spinat als Burgherr hervorgetan. Das immer mehr verfallende Schloss, dessen Abriss 1963 gerade noch verhindert werden konnte, war zur Hochburg für Haschisch-Konsumenten geworden, die sich ungestört hier trafen. Obdachlose krochen in den verlassenen Räumen unter, der Park verwilderte. Nachdem die Stadt Königswinter es wegen des teuren Unterhalts dieser besonderen Immobilie wohlweislich abgelehnt hatte, sich das Schloss schenken zu lassen, empfand der Selfmade-Geschäftsmann Spinat Mitleid mit dem vergammelten Kleinod und kaufte die Drachenburg dem Land Nordrhein-Westfalen ab.

Rund drei Millionen DM steckte der neue Burgherr in die Sanierung von Schloss und Park und hielt mit scharfen Hunden die Haschisch-Anhänger wacker in Schach. Eigenhändig schliff er das Parkett ab und wurde nicht müde, sein fürstliches Domizil, zu dem er im goldfarbenen Rolls-Royce fuhr, zu verschönern. Statt der überwiegend nicht mehr zu restaurierenden historisierenden Gemälde schaffte Spinat Bilder der Düsseldorfer und der Dresdner Malerschule mit Motiven aus der Götter- und Heldendichtung Edda an und brachte so ein Stück Walhalla in die sieben Berge über dem Rhein. Er entdeckte sogar eine Sauna im Keller und rätselte, ob Nazi-Bonzen die wohl eingebaut hätten.

1973 öffnete Paul Spinat schließlich sein Schloss, nachdem er dessen Räume und den umgebenden Park nach eigenem Gutdünken und durchaus gewagt hatte wiederherstellen lassen, für die staunende Öffentlichkeit und sorgte fortan für hochkarätige kulturelle Events. Sogar Andy Warhol war zu Gast. Legendär sind die vom Schlossherrn Spinat veranstalteten Konzerte, die er in gewohnter Skurrilität höchstselbst auf einer Orgelattrappe mithilfe eines Tonbands im Musiksaal gab. Bis zu seinem Tod 1989 residierte Paul Spinat auf seinem Schloss.

1986 endlich wurde Schloss Drachenburg unter Denkmalschutz gestellt und drei Jahre später vom Land Nordrhein-Westfalen käuflich erworben, das es der Nordrhein-Westfalen Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege übertrug.

Die Drachenburg ist historisches Denkmal und lebendiges Kulturzentrum zugleich. Als „begehbares Exponat“ soll sie ein anschauliches Beispiel für das Wohnen und Leben der Gründerzeitjahre und ein attraktives Ausflugsziel im Siebengebirge werden. Auch die Mittelstation der Drachenfels-Zahnradbahn wird derzeit verlegt, die Bahn soll unmittelbar an der Vorburg, die nun wieder wie früher den Eingangsbereich des Schlossgeländes bildet, halten.

Das „Leuchtturmprojekt“ Schloss Drachenburg hat einen würdigen Abschluss gefunden, der sich sehen lassen kann und die ohnehin hohe Attraktivität der Region weiter steigert. Hätte der Stiftungsrat gewusst, was an Kosten auf ihn zukommen würde, hätte er sich womöglich anders entschieden. Schon Paul Spinat, der sich getreu dem Wappenspruch der Burg „Wäge – Wage!“ unerschrocken der Restaurierung angenommen hatte, bekannte seinerzeit freimütig: „Wenn ich gewusst hätte, was ich jetzt weiß, hätte ich es nicht gemacht“.

Den Stiftungsräten erging es nicht anders.

Nun aber präsentiert sich die „stolze Burg, erbaut am schönsten Ort“, wie es in den Versen des Dichters Ernst Rittershaus heißt, wieder prächtiger denn je und braucht sich hinter Neuschwanstein nicht zu verstecken. Der ehemalige Speisesaal des Hauptschlosses mit Zugang zur Westterrasse und imposantem Blick auf den unten gemächlich vorbeiziehenden Strom ist künftig eine exklusive Top-Adresse für Tagungen und Feiern aller Art. Die Parkwiese mit ihrem wunderbaren, mehr als hundert Jahre alten Baumbestand bietet sich für stimmungsvolle Gartenfeste und traumhafte Hochzeitsfeiern an. Auf der Venusterrasse kann man laue Sommernächte genießen. Auch als Kulisse für Film und Fernsehen empfiehlt sich das schmucke Dornröschenschloss. Bis zum 16. Januar 2011 zeigt das Siebengebirgsmuseum Königswinter in den Räumen von Schloss Drachenburg eine Ausstellung mit Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen der Düsseldorfer Malerschule um Johann Wilhelm Schirmer.  Die Ausstellung ist Teil des großen Verbundprojekts „Johann Wilhelm Schirmer – Vom Rheinland in die Welt“, das mit sieben Ausstellungen an sechs Orten im Rheinland den Spuren Schirmers und der Düsseldorfer Landschaftsmalerei nachgeht.

R.

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