Was drei Grad mehr für unseren Planeten bedeuten

Professor Michael Leuchner von der RWTH Aachen forscht zu möglichen Szenarien des Klimawandels im Rheinischen Revier. | Bild: Judith Peschges

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RWTH-Professor Michael Leuchner forscht zu möglichen Szenarien durch die Klimaerwärmung bis zum Jahr 2100 im Rheinischen Revier

Die Erde erwärmt sich. Und das in einem alarmierenden Tempo, das gravierende Folgen für uns Menschen und unsere Umwelt hat. Das steht fest. Die Ursachen des Klimawandels sowie die Möglichkeiten, Ökosysteme und Städte an die Veränderungen anzupassen, stehen im Zentrum der Forschung von Professor Michael Leuchner. Er leitet das Geographische Institut an der RWTH Aachen. Anhand von Modellen zum voraussichtlichen Klima im Jahr 2100 untersucht Leuchner mit seinem Team die potenziellen Auswirkungen auf Natur und Städte. Exakte Vorhersagen sind zwar unmöglich, doch die Modelle können mögliche Szenarien und deren jeweilige Folgen aufzeigen.

Für Leuchner steht fest, dass die Erderwärmung so gering wie möglich gehalten werden muss: „Jedes Zehntel Grad weniger hilft und bedeutet vielleicht am Ende weniger Leid für Millionen von Menschen.“ Ändert sich gesellschaftlich und politisch nichts und stoßen wir weiterhin zu viel CO2 aus, könnte die Temperatur bis zum Jahr 2100 im Extremfall um vier bis fünf Grad steigen. Selbst wenn wir den CO2-Ausstoß reduzieren, aber nicht in einen optimalen Bereich kommen, ist mit etwa drei Grad Temperaturanstieg zu rechnen.

Und auch dieses Szenario ist nicht sicher: Es gibt noch Diskussionen darüber, ob es in 75 Jahren drei Grad mehr sind, wenn wir nichts tun oder ob wir auch dafür den CO2-Ausstoß senken müssen. Nur bei intensiven Bemühungen um den Klimaschutz wäre bis zum Jahrhundertende mit einem Anstieg von 1,5 bis zwei Grad zu rechnen.

Ein Unterschied von 2,5 Grad zwischen optimistischer und pessimistischer Prognose mag auf den ersten Blick gering erscheinen, die Auswirkungen auf die Umwelt sind jedoch immens. An Land sind die Folgen noch stärker spürbar als auf dem Wasser. Zudem käme es darauf an, wie weit man vom Äquator entfernt sei, erklärt Leuchner. Je weiter man vom Äquator entfernt sei, desto extremer sind die Temperaturanstiege. Erhöht sich die globale Durchschnittstemperatur um drei Grad, ist es im nördlichen Bereich eher fünf bis sechs Grad wärmer.

Während der letzten Eiszeit war es sechs Grad kühler als jetzt und große Teile der Welt mit Eis bedeckt.  Man stelle sich vor, dass es nun sechs Grad wärmer wird – die Arktis wäre größtenteils verschwunden und auch die Antarktis würde viel Eis verlieren“, sagt Leuchner. Dadurch steigen die Meeresspiegel an und die Gefahr für Überschwemmungen wächst. In tropischen Ländern werden die Folgen besonders drastisch ausfallen, da dort weniger finanzielle Ressourcen zur Klimaanpassung zur Verfügung stehen. „Die Menschen in diesen Ländern werden besonders leiden, obwohl sie am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben“, sagt Leuchner.

Laut den aktuellen Modellen der Forschenden steigt die durchschnittliche Niederschlagsmenge in Aachen leicht. Allerdings verteilt sich der Regen anders: Es wird mehr im Winter als im Sommer regnen – ein Problem für Pflanzen, die in den warmen Monaten Wasser zum Wachsen benötigen. „Wir müssen zudem mit mehr Dürren rechnen, die länger andauern. Extremere Hitzewellen sind ebenso zu erwarten wie häufigere Starkregenereignisse“, vermutet Leuchner.

Schon jetzt sind die Folgen des Klimawandels deutlich sichtbar. In den vergangenen Jahren hat es beispielsweise in der Eifel ein großes Fichtensterben gegeben. „Der Wandel ist so schnell und drastisch, dass die Pflanzen kaum Zeit haben, sich anzupassen“, sagt der Klimaforscher. Auch die Landwirtschaft müsse sich verändern, so Leuchner – hin zu deutlich mehr Bewässerungssystemen, sollten sich die Temperaturen weiter erhöhen. Andernfalls sei die Nahrungsmittelsicherheit in Gefahr. „Wenn wir in 75 Jahren ein Klima wie in Südfrankreich haben sollten, ist das sicherlich kein Grund zur Freude“, sagt der Experte. Möglich wäre auch, dass sich die Bodenfauna nicht adäquat anpassen kann, unabhängig von der Bewässerung.

Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, haben wir zwei Möglichkeiten: Als erstes sieht Leuchner im Klimaschutz die Lösung. „Es klingt einfacher als es ist, aber wir müssen unseren CO2-Ausstoß verringern. Das fängt beim Auto an, geht weiter zum Thema Heizen und in die Industrie“, um nur einige Ansatzpunkte zu nennen, so der Wissenschaftler. „Wir werden es jedoch höchstwahrscheinlich nicht schaffen, die Emissionen so schnell zu senken, dass wir keine Anpassungsmaßnahmen ergreifen müssen“, leitet Leuchner zur zweiten Möglichkeit über, um den Folgen durch die Klimaerwärmung zu begegnen.

Es sei am wichtigsten, Energie zu sparen und insgesamt weniger Energie zu benötigen, sagt Michael Leuchner. Die nötige Energie müsse dann aus Solar- und Windenergie kommen. Mit Grünflächen, dem Entsiegeln von Flächen, Pflanzen von Bäumen und Schaffen von Schattenplätzen senke man die Umgebungstemperatur. „All das hat auch gesundheitliche Vorteile für jeden einzeln: Wälder und Parks sind natürliche Blutdrucksenkererklärt Leuchner. Trinkwasserquellen und Wasserspiele für Kinder seien ebenfalls sinnvoll.

Um dem Klimawandel entgegenzuwirken, sei eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unerlässlich, da sind sich Leuchner und seine Kolleginnen und Kollegen einig. Im Rahmen des Exploratory Research Space (ERS) an der RWTH arbeitet Leuchner bereits mit Forschenden aus den Bereichen Umweltwissenschaften, verschiedenen Bereichen der Architektur sowie dem Bauingenieurwesen und der Medizin. „Schlussendlich wüssten wir, was zu tun ist, um den Klimawandel zu stoppen, es scheitere bisher an der Umsetzung„, so der Wissenschaftler.