Und der Löwe hat nicht gebrüllt

Ja ja, von diesem Söder werde man noch sprechen, sprach der frischgekürte AKV-Ordensritter Markus Söder alias König Ludwig II. im Aachener Narrenkäfig: „Wenn keiner mehr von Franz-Josef Strauß spricht – aber erst dann!“ © Frank Fäller

Im Westzipfel unserer Republik hatte der Nürnberger fast ein Heimspiel, vor handverlesenem Publikum und Gästen aus den Reihen der FDP und überwiegend konservativem Publikum. Niemand im Saal schien die Absage der Ritter Cem Özdemir oder Sarah Wagenknecht zu stören. Prominente Sozialdemokraten – Fehlanzeige. Umso prächtiger und imposanter erschien das Kostüm des hoch gehandelten Kronprinzen auf das Ministerpräsidentenamt in Bayern: Der 49-Jährige Söder schlüpfte in die Verkleidung das Erbauers von Schloss Neuschwanstein, König Ludwig II. von Bayern. Das allein beweist eigentlich schon Humor – wie ihn der Orden in der „politischen“ Festsitzung des Aachener Karneval Vereins (AKV)  verlangt. Denn für ein sparsames Händchen ist der tragische König sicher nicht berühmt geworden, ein Finanzminister möchte sich dagegen mit solchem Handeln garantiert rühmen lassen. Ein bisschen Selbstironie durfte es dann neben gewohntem Selbstbewusstsein schon sein …

Umrahmen gut gelaunt Markus Söder: Tagesschausprecher und Moderator Jens und AKV-Präsident Dr. Werner Pfeil . © Frank Fäller

Mit staatsmännischer Gelassenheit trug er seine Ritterrede vor, die Aussagen zur Flüchtlingsdebatte komplett vermissen ließ. Eigentlich verwunderlich, denn Kritik und TV-Kameras scheut der verwandlungsfähige Franke sonst nicht. „Ich finde, dass seit Paris viel passiert ist und die Debatte emotional sehr stark aufgeladen ist“, erklärte Söder anschließend  im Interview. „Ein Sachdebatte gehört nicht in den Karneval“, betonte er weiter und zeigte sich selten handzahm.

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime,  beeindruckte das Publikum mit versöhnlichen, aber auch deutlichen Worten in der Flüchtlingsdebatte. © Frank Fäller

Für den integrativen Teil der AKV-Veranstaltung (die immer einen schwierigen Spagat zwischen lokalen Karnevalsakteuren und Promis wagt, um bundesweite Aufmerksamkeit und vorgegebene TV-Quoten zu erzielen) sorgten im Aachener Eurogress  Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, und die muslimischen Bundestagsabgeordnete und Integrationsbeauftragte der CDU, Cemile Giousouf. Besonders beeindruckte Mazyek das Publikum mit versöhnlichen, aber auch deutlichen Worten wie: „Der Söder ist ein fröhlicher Kronprinz, der will nur spielen – das kann in die Irre führen.“ Oder, „Grabscher sollen dahin zurückkehren, wo der Pfeffer wächst.“

Der Westfale und Comedian „Abdelkarim“, dreifach „gestraft“ als Moslem, Nordafrikaner und Marokkaner unterhielt das Publikum mit pointierten Bemerkungen zum brisanten Flüchtlingsthema und forderte konsequent „eine Obergrenze für Bayern im Rheinland“.  Aber es gab auch versöhnliche Worte für Ordensritter Markus, denn „immerhin schwächt jeder CSU-Wähler die AfD“. Hoffentlich ist das so einfach, möchte man ihm beipflichten.

Söders legendäre Lust am Kostüm

Bekannte TV-Comedians wie Ingo Appelt und Guido Cantz sowie Musik- und Tanzdarbietungen lokaler Größen bereiteten den Weg für den Höhepunkt des Abends. Vor seiner Rede musste Ritter Markus alias Ludwig II. die Laudatio von Vorjahresritter Annegret Kramp-Karrenbauer über sich ergehen lassen. Und das kann man wörtlich nehmen, sparte doch „AKK“ oder Madame Annegret nicht mit Spott, auch über Söders legendäre Lust am Kostüm (als Drag Queen, Shrek, Gandalf …) : „Man sagt ja immer, die vielen Flüchtlinge seien wegen der Selfies von Angela Merkel zu uns gekommen“, sagte Saarlands Ministerpräsidentin. Doch weit gefehlt: „Kaum gingen die Fotos von Mahatma Gandhi Söder um die Welt, folgten die Flüchtlinge. So machte er Deutschland und besonders Bayern zum begehrtesten Zuwanderungsort in der ganzen Welt.“

Fürstin Gloria von Thurn und Taxis rockte den Saal: Die rund 1300 Gäste bejubelten Glorias selbst geschriebenem Song „Karneval“, bevor die Fürstin mit Afro-Hippie-Look den neuen Ritter lobte: „Der Söder Markus ist mein Held, drum haben wir ihn herbestellt!“  © Frank Fäller

Gefeiert wurde auch der Auftritt von Schlager-Urgestein Vicky Leandros.  Mit ihrem Klassiker „Ich liebe das Leben“ hatte sie das Publikum schnell um den Finger gewickelt – und als Zugabe das Original den in Aachen beliebten Karnevalshit „Vür Öcher lieben das Leben“ geliefert. Sichtlich dankbar nahm das Publikum immer die Gelegenheit wahr, ein bisschen  mitsingen und mitschunkeln zu dürfen.

Am Ende bleibt die Frage offen, ob im (Aachener) Karneval auch ernsthafte politische Töne gefragt sind. Hoffentlich entscheidet darüber nun nicht allein die TV-Quote, wenn die Aufzeichnung in der ARD gelaufen ist. AKV-Präsident Dr. Werner Pfeil jedenfalls steht fest zum Programm (dem ein gewisser Mediendruck wohl nachgeholfen hat): „Wir wollten mit dem Thema Integration auch klare Kante zeigen.“ Angst und bange wurde Söder an diesem Abend ganz sicher nicht. „Bei uns in Bayern wird mit härteren Bandagen gekämpft. Da bin ich andere Wortgefechte gewohnt“, gab Söder am Ende freimutig zu. Des Königs Kleider und markige Worte zusammen passten an diesem Abend offenbar nicht ins Kalkül des Nachfolgers in spe von Horst Seehofer.
(Frank Fäller)

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