Stimme der deutschsprachigen Belgier

Immer ein offenes Ohr für ihre Belange finden die Ostbelgier bei den Journalist*innen. © BRF

Nicht viele Menschen in Deutschland wissen, dass es im benachbarten Belgien eine Deutschsprachige Gemeinschaft (kurz DG) mit eigener Kultur und Rechten gibt. Die DG liegt in Ostbelgien im Dreiländereck zischen Aachen, Lüttich und Maastricht und grenzt an Deutschland, die Niederlande und Luxemburg. Die wichtigste Stimme der rund 76.000 Ostbelgier ist der öffentlich-rechtliche Belgische Rundfunk BRF. Deutsch ist nicht nur Amts-, Schul- und Gerichtssprache, sondern auch die Sprache auf allen Kanälen und Formaten des BRF. „Das ist unsere Identität — neben den großen Gemeinschaften der Wallonen und der Flamen“, sagt BRF-Direktor Toni Wimmer.

2020 durfte der Sender auf ein 75-jähriges Jubiläum zurückblicken. Im Oktober 1945 war im Staat klar, dass die deutsche Minderheit in Belgien Gehör finden sollte. Anfangs mit Sendungen aus Brüssel ausgestrahlt, sendet der BRF heute aus Eupen, der Hauptstadt der DG, seit 1995 aus einem eigenen Funkhaus. Gegenüber liegt das Parlament, das (teilautonom) fast wie in deutschen Bundesländer fungiert. Es gibt einen Minister- und Parlamentspräsidenten. Kurze Wege für Politik und Medien — wie in Metropolen. Und es gibt viele Themen von Unterhaltung über Musik und Sport bis hin zu Zeitgeschehen. Bewegte Geschichte, historische Brennpunkte, die sich im Programm heute noch wiederfinden. Verheerende Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, besonders in St. Vith, haben Wunden hinterlassen, die eine neue Generation von Hörern, Zuschauern und Lesern achtsam heilen kann. Heute sind die Ostbelgier Partner einer vitalen Grenzregion. Grenzüberschreitende Politik, Kultur und Kunst haben außer Diversitäten auch viele Gemeinsamkeiten: zuerst die deutsche Sprache, aber auch den traditionellen Karneval, wenn es in Zukunft wieder losgehen sollte.

Das Funkhaus des BRF von der Eupener Oberstadt liegt über dem Sendegebiet in Ostbelgien. Direkt gegenüber liegt das Parlamentsgebäude der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG). © BRF

Verlässliche Nachrichten sind das A & O

Für das Funkhaus in Eupen mit rund 75 Beschäftigten und einem Etat von etwa sieben Millionen Euro wolle der Sender „ein Seismograph“ der (Grenz)Region sein, unterstreicht Toni Wimmer. „Ziel unserer journalistischen Arbeit ist in erster Linie, die Einwohner Ostbelgiens als zentrale Zielgruppe mit allen relevanten Informationen zu versorgen.“ Im kommenden November geht er in den Ruhestand. Über zehn Jahre bestimmt der smarte Profi die Geschicke des BRF an der Spitze eines kollegialen Direktionsrates mit. Die Schulbank hat Toni Wimmer in Eupen gedrückt, später unter anderem viele Jahre als Pressesprecher der RWTH Aachen Karriere gemacht und Führungs- und Verwaltungserfahrung gesammelt. Seine Gattin stammt aus Ostbelgien, dorthin hat es ihn zurückgezogen. „Wo die Ostbelgier sind, da sind wir als BRF auch“, sagt er überzeugt. Heute ist der BRF digital und „on air“ Marktführer in Ostbelgien. Die Radioprogramme BRF 1 und BRF 2 sowie BRF-TV decken Information und Unterhaltung von regional bis international ab.
Die „Brasserie“ ist das Mittagsmagazin im stärksten Hörfunk-Sender BRF 1. Schon der Name lässt die Nähe zur großen, geografisch und politisch umschließenden französischsprachigen Wallonie erkennen. Lüttich und Brüssel sind in Ostbelgien nie fern. Auch die Nachbarn nicht, mit dem Deutschlandfunk in Köln und dem SWR in Trier pflegt der BRF enge Kooperationen. Die deutsche Sprache für Minderheiten im —positiven Sinne — verbindet den BRF auch zu Sendern in Luxemburg, der rätoromanischen Schweiz und nach Südtirol in Italien. Sprache ist ein Zeichen der gelebten Kultur in der multinationalen Europäischen Union.
Was ist dem scheidenden Direktor wichtig? „Seit 2012 hat der BRF einen grundlegenden Wandel erfahren. Im Mittelpunkt stand dabei ein Generationswechsel, bei dem gut ein Drittel der Belegschaft in den Ruhestand verabschiedet und junge Nachwuchskräfte an Bord geholt wurden. Damit waren auch Organisationsveränderungen in Redaktion und Technik verbunden, wie etwa die Zusammenlegung von TV- und Hörfunkredaktion. TV-Studio, -Regie und -Ausspieltechnik sind erneuert worden. Es wurde ein Corporate Design auf den Weg gebracht, ein Relaunch der Webseite brf.be und vieles mehr haben den Sender modernisiert. Damit ist der BRF gut aufgestellt für seine Weiterentwicklung, zum Beispiel in Richtung soziale Medien“, hebt Toni Wimmer hervor und lobt seine Mitarbeiter*innen. „Unsere ausgebildeten Journalist*innen müssen alles können: mehrsprachig recherchieren, formulieren, redigieren, moderieren, fotografieren — also cross-medial auf allen Kanälen für Hörer, Leser und Zuschauer arbeiten.“

Ohrenschmaus und Schmankerl

Auf ein Schmankerl sei besonders hingewiesen, weil es sich auch für Hörer jenseits Ostbelgiens, mindestens für Rheinländer lohnt. Hier ist sie wieder, die deutsche Sprache: zu hören in Mundart via Web oder Podcast aus den verschiedenen Regionen Ostbelgiens, ein herrlicher Ohrenschmaus. Und das nicht nur zur (ausgefallenen) Karnevalszeit, sondern wöchentlich neu aufgelegt. Freie Autoren aus dem Sendegebiet lassen von sich hören. Unbedingt mal testen: https://2.brf.be/sendungen/mundart
Nicht zuletzt gibt es monatlich die „schmunzelnden Streifzüge durch die Muttersprache“, die der gebürtige Eupener und belgische Germanist Professor Siegfried Theissen mit Sprichwörtern, Redewendungen, Paradoxien und Ungereimtheiten mit Wissen und Augenzwinkern zum Besten gibt. Prädikat empfehlenswert, zu hören und zu lesen unter: https://brf.be/tag/schmunzelnde-streifzuege-durch-die-muttersprache

Toni Wimmer, Direktor des BRF, geht im November in den Ruhestand. Eine lange Amtszeit neigt sich dem Ende zu. © BRF

(Frank Fäller)